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Sport: Wundern über Almanya

Die Türken verstehen die Deutschen nicht und freuen sich schon auf die WM

„Ich verstehe die Deutschen nicht.“ Erdogan Senay, Sportkommentator der Zeitung „Milliyet“, ist nicht der einzige Türke, der nach dem Spiel im Istanbuler Atatürk-Stadion erhebliche Probleme hat, das traditionelle Bild von der Fußball-Großmacht Deutschland mit der Realität auf dem Rasen in Einklang zu bringen. Immer wieder werden in diesen Tagen bei türkischen Sportfans die großen Namen der glorreichen deutschen Vergangenheit – Beckenbauer, Müller, Schumacher, Stielike – mit den Unbekannten von heute verglichen: „Kennen Sie irgendjemanden aus dieser Mannschaft?“, hieß es in der Zeitung „Zaman“ unter einem Foto des aktuellen deutschen Teams.

Dass die Deutschen ohne Ballack in Istanbul nicht in Bestform auftreten würden, hatten die Türken erwartet. Aber dass die Gastmannschaft so schlecht und die eigene zumindest in der ersten Hälfte so stark sein würde, war eine Überraschung. Zum Stolz auf den Sieg über Deutschland kam die Tatsache, dass maßgebliche Spieler der türkischen Mannschaft in Deutschland geboren sind und in der Bundesliga ihr Geld verdienen – aber trotzdem nicht für Deutschland spielen. Die Deutsch-Türken hätten sich gegen die deutsche Nationalmannschaft entschieden, vermeldete die Zeitung „Sabah“ am Montag in patriotischer Manier: Die Altintop-Brüder und Nuri Sahin wollten trotz aller Überzeugungsversuche der Deutschen nicht vom türkischen Team lassen.

Insbesondere für Shooting-Star Nuri Sahin interessieren sich die Türken seit dem Spiel gegen Deutschland. Zeitungen zeichnen die Lebensgeschichte des Teenagers nach. Sahins Familie, die vor 40 Jahren aus einer Kleinstadt südöstlich von Ankara nach Deutschland ging, besuchte am vergangenen Wochenende anlässlich des ersten A-Länderspiels von Nuri zum ersten Mal Istanbul. Nun soll der Dortmunder Nuri Sahin bei der WM in Deutschland im kommenden Jahr einer der Hoffnungsträger der Türken werden.

Noch ist die Türkei nicht qualifiziert, doch der Sieg über die deutschen Ex-Weltmeister hat den Türken vor dem entscheidenden Spiel gegen Albanien am Mittwoch Auftrieb gegeben. Große Teile der Öffentlichkeit sind überzeugt, dass der Türkei der zweite Gruppenplatz nicht mehr zu nehmen ist. Nationaltrainer Fatih Terim wird schon jetzt als Held gefeiert, der die Mannschaft aus der Tiefe der Depression zu neuen Erfolgen geführt habe.

Terims deutsch-türkische Spieler strotzen jedenfalls vor Selbstbewusstsein. Jungstar Sahin gab zu Protokoll, er glaube, dass sich die Türkei am Mittwoch für die Play-offs qualifiziere. In einem Gespräch mit türkischen Journalisten am Rande der Vorbereitung auf das Albanien-Spiel sagte der Kaiserslauterer Halil Altintop, im Spiel gegen Deutschland hätten in der ersten Hälfte noch drei oder vier Tore mehr fallen können. „Die holen wir jetzt in Albanien nach.“

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