zum Hauptinhalt

Sport: „Zeitungspapier hilft immer“

Bundestrainer Jochen Behle über die Strategien der Skilangläufer bei extremer Kälte

Jochen Behle, beim Weltcup in Kuusamo sind Temperaturen um minus 20 bis 30 Grad möglich. Kann die extreme Kälte die Athleten beeinträchtigen?

Das kommt drauf an. Naturburschen wie Rene Sommerfeldt macht das überhaupt nichts aus. Aber gerade die Damen können Probleme bekommen, speziell an Händen und Füßen. Besonders gefährlich ist bei diesen Temperaturen das Einatmen.

Warum?

In der Luft sind Eispartikel vorhanden, die über die Lunge mit eingeatmet werden. Einige Athleten, speziell ältere, haben durch häufiges Training oder Wettkämpfe bei solchen Bedingungen Probleme mit Asthma. Zum Glück ist unsere Mannschaft davon bisher verschont geblieben.

Gibt es eine besondere Ausrüstung oder Tricks, die das Laufen in extremer Kälte erleichtern können?

Es gibt einen speziellen Lufterwärmer, eine Art Schnorchel, der hilfreich sein kann. Im Training kann auch ein Schal diese Funktion übernehmen, damit die Luft nicht ungefiltert aufgenommen wird. Das ist sicher nicht angenehm, aber sehr wichtig.

Hat Sie die arktische Kälte in Finnland überraschend getroffen?

Nein. Wir kennen ja Kuusamo, im letzten Jahr hatten wir hier Temperaturen von minus 25 Grad. Da habe ich einiges an Spezialausrüstung angefordert. Dicke Handschuhe, die man in die Hände nehmen oder unter die Schnürung der Schuhe stecken kann, und in Einzelfällen sogar Überschuhe. Es nützt aber nichts, nur die dicken Sachen anzuziehen. Die Läufer müssen atmungsaktiv bleiben. Deshalb: am besten mehrere Schichten!

Wie sieht es denn mit dem Training aus? Wird das reduziert oder verändert?

An einzelnen Tagen geht man mit dem Training etwas zurück, weil die Kälte den Athleten Substanz raubt. Die gefahrenen Kilometer sind effektiv wesentlich mehr, da der Körper auf Temperatur gehalten werden muss. Bei längeren Kälteperioden werden die intensiven Belastungsphasen verkürzt, und man trainiert mehr im Ausdauerbereich.

Warum werden Veranstaltungen bei extremer Kälte nicht einfach abgesagt?

Für Wettkämpfe gibt es eigentlich ab minus 20 Grad eine Sperre, was ich auch für richtig halte. Natürlich wird das nicht immer eingehalten, da ja auch Sponsorenverträge hinter den Veranstaltungen stehen.

Die Skispringer können zusätzlich durch Wind beeinträchtigt werden. Dieser kann auch die gefühlte Temperatur beeinflussen. Ist das ein zusätzliches Problem für die Langläufer?

Ganz bestimmt. Der Wind hat aber mit der Atmung nichts zu tun. Die gefühlte Temperatur spürt man unangenehm auf der Haut. Viele Langläufer kleben sich mit Tapes ab, um Froststellen zu vermeiden. Außerdem schicken wir bei solchen Bedingungen grundsätzlich Gruppen zum Training raus. Die Sportler sollen sich ins Gesicht gucken, um eingefrorene Stellen zu sehen, die der einzelne Athlet vielleicht gar nicht bemerkt.

Das bedeutet richtig viel Arbeit für die Physiotherapeuten…

Allerdings. Wir benutzen diverse Kältecremes. Da wird natürlich viel vor- und nachbehandelt. Die Athleten machen das zum Teil auch selber. Und es gibt nach wie vor die gute alte Zeitungspapier-Methode.

Was ist das denn?

Einfach Zeitungspapier entfalten und zwischen Unterwäsche und Trainingsanzug legen. Zeitungspapier hilft immer, das dämpft ungemein , es darf nur nicht direkt auf der Haut liegen. Hier in Kuusamo können wir das ruhig machen. Finnisch können wir ja eh nicht lesen.

Das Gespräch führte Andreas Kürten.

-

Zur Startseite