zum Hauptinhalt
Das war knapp. Der Audi von Allan McNish flog kurz nach dem Rennstart in die Reifenstapel – dahinter standen Fotografen und Streckenposten, die unverletzt blieben.

© dpa

Zentimeter vor der Tragödie: Zwei Audi in Le Mans in Trümmern

Zwei schwere Unfälle werfen einen Schatten auf den Audi-Sieg in Le Mans. Zunächst schießt Allan McNish durch die Luft, dann rast Mike Rockenfeller mit Tempo 304 in die Leitplanke.

Noch war nicht einmal ein Drittel der Distanz absolviert, da hatte das 24-Stunden-Rennen von Le Mans seinen Sieger. Mike Rockenfeller hatte einen fürchterlichen Unfall fast ohne Blessuren überstanden. Der Vorjahressieger war mit seinem Audi R18 auf der zweiten Position durch die hereingebrochene Nacht gejagt. Vor der Indianapolis-Kurve war der 27-Jährige etwa 320 km/h schnell. Robert Kauffman, den Fahrer des langsameren Ferrari-Sportwagens, den er überrunden wollte, hatte er mit Lichtsignalen gewarnt und war eigentlich schon an dessen Fahrzeug vorbei, als Kauffman nach rechts zog und den Audi hinten touchierte. Dieser drehte sich und knallte mit 304 km/h beinahe ungebremst in die Leitplanke. Reifen und Karosserieteile wirbelten durch die Luft. Dann war es dunkel.

Die Gesichter in der Audi-Box waren versteinert. Sportchef Wolfgang Ulrich kämpfte um seine Fassung. Die Sekunden bis zu einem erlösenden Signal zogen sich wie Stunden dahin. Endlich funkten die Streckenposten: Mike Rockenfeller konnte ohne fremde Hilfe das zerstörte Monocoque verlassen und hatte nur eine Risswunde am rechten Arm. Endgültige Erleichterung kam auf, als nach einer Computertomografie auch keine inneren Verletzungen diagnostiziert wurden. Trotzdem blieb der Rennfahrer über Nacht weiter zur Beobachtung in der Klinik.

Für die Audi-Truppe war der Rockenfeller-Unfall bereits die zweite Schrecksekunde bei diesem Rennen. „Wir waren schon oft hier in Le Mans, und es war heftig, aber noch nie so heftig wie diesmal“, sagte Sportchef Ullrich. 56 Jahre nach dem schlimmsten Unfall der Rennsportgeschichte mit insgesamt 84 Toten an gleicher Stelle entging Le Mans nur knapp einer weiteren Katastrophe. Nach 51 Minuten wollte der Audi-Pilot Allan McNish die anstehende Überrundung eines leistungsschwächeren Ferrari-Sportwagens ausnutzen, um an seinem Teamkollegen Timo Bernhard vorbei in Führung zu gehen. Doch Pilot Anthony Beltoise hatte nur einen schnelleren Audi hinter sich erkannt. Als der zweite innen in der Kurve vorbei wollte, war er gerade auf dem Weg zurück auf die Ideallinie. Beide schossen über das Kiesbett, mit dem Dach voraus flog der Audi gegen die Leitplanken – ein paar Zentimeter höher, und die zahlreichen dahinter stehenden Streckenposten und Fotografen wären nicht mit dem Schrecken davon gekommen. Der zweimalige Le-Mans-Sieger konnte fast ohne Blessuren aussteigen, lediglich Rücken und Knie schmerzten am Tag danach. „Ich bin froh und dankbar, dass Audi ein Auto gebaut hat, das so einen enormen Aufprall übersteht und es dem Fahrer möglich macht, die Türe aufzumachen und auszusteigen“, sagte der 42-jährige Schotte. „Ich sehe keinen Fehler von mir“, sagte er selbst nach ausführlichem Fernsehstudium, „ich habe schon häufig so überholt, deshalb war es aus meiner Sicht keine Risiko, so in die Kurve reinzufahren.“ Im Gegensatz zu Rockenfeller trägt der ungeheuer aggressiv fahrende McNish dennoch sicher eine Mitschuld.

Gemeinsam ist beiden Unfällen, dass Hobby-Rennfahrer beteiligt waren. Seit jeher nehmen an 24-Stunden-Rennen Fahrer teil, die sich mit viel Geld einen Platz im Cockpit erkaufen. Sie fahren dann in Sportwagen, die auf der Geraden mehr als 70 km/h langsamer sind als die schnellsten Autos. Tom Kristensen forderte den Veranstalter ACO zu Konsequenzen auf. „Man muss sich fragen, ob Piloten mit wenig Erfahrung hier fahren sollen. Man braucht einfach gewisse Rennsportkenntnisse“, sagte der dänische Le-Mans-Rekordsieger.

Ein klein wenig versöhnt wurde Audi am Ende des 24-Stunden-Rennens für die Tiefschläge. Das einzig verbliebene Fahrzeug überquerte als Erstes die Ziellinie. Der Duisburger André Lotterer, Benoit Tréluyer aus Frankreich und als erster Schweizer Marcel Fässler waren problemlos und fehlerfrei über die 355 Runden gekommen und hatten 4838,295 Kilometer zurückgelegt. Es war der zehnte Audi- Sieg in 13 Jahren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false