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Sport: Zettel, Vortrag, Abschied

Überraschung beim 1. FC Union: Trainer Georgi Wassilew verlängert seinen am Saisonende auslaufenden Vertrag nicht

Von Karsten Doneck

Berlin. Die Brötchen mit Käse und Hackepeter lagen unberührt im Hintergrund. Vor dem Gang ans Büffet wollte Georgi Wassilew erst noch eine schriftlich verfasste Erklärung vorlesen. Ohne zu wissen, was da kommt, ermunterte ihn Heiner Bertram sogar noch dazu. Wassilew, der Trainer des Berliner Fußball-Zweitligisten 1. FC Union, zog also auf der Pressekonferenz zum Heimspiel gegen die SpVgg. Greuther Fürth (heute, 19 Uhr, Alte Försterei) einen Zettel aus dem Jackett und begann seinen Vortrag. Der entscheidende Satz kam zum Schluss. „Mein Vertrag läuft bis zum 30. Juni 2003. Ich werde ihn darüber hinaus nicht verlängern“, las Wassilew langsam und deutlich vor.

Bertram, der Präsident, fiel aus allen Wolken. „Ehrlich“, sagte er fassungslos, „davon habe ich nichts gewusst.“ Und nach einer kurzen Pause des Sich-Sammelns teilte er mit: „Das hat Herr Wassilew sehr unprofessionell gelöst.“ Der bulgarische Trainer des 1. FC Union begründete seinen überraschenden Schritt damit, dass für seinen Geschmack in den Medien schon viel zu lange über seine Zukunft als Unions Trainer spekuliert werde. Und was war in diesem Zusammenhang nicht alles geschrieben worden: Es sei, so Georgi Wassilew, andauernd darum gegangen, wie er angezogen gewesen sei, dann um seine Probleme mit der deutschen Sprache, nur um das Fachliche – darum ging es eigentlich nie. „Ich wurde immer brutaler angegriffen“, klagte Wassilew und zog daraus die Konsequenzen. Nach seiner Bekanntgabe „braucht sich die Öffentlichkeit nun nicht mehr mit meinen Schwächen zu beschäftigen“, sagte Wassilew.

Heiner Bertram wähnte sich beinahe im falschen Film. „Wenn man wie wir dreieinhalb Jahre lang vertrauensvoll zusammenarbeitet, dann teilt man solche Entschlüsse doch als Erstes dem Gremium mit, mit dem man zusammenarbeitet, und nicht der Presse“, monierte der Union-Präsident. Mit Wassilew sei verabredet gewesen, in der Winterpause gemeinsam die Entscheidung zu treffen, ob die Zusammenarbeit fortgesetzt werden könne – oder nicht.

Bertram äußerte die Absicht, zu versuchen, Wassilew noch umzustimmen, doch die Mühe kann er sich sparen. Der Trainer sagt: „Mein Entschluss ist endgültig.“ Er hätte sich auch vom Präsidium mal ein klares Wort als Rückendeckung gewünscht, doch von dieser Seite fühlte er sich offenbar schmählich im Stich gelassen. Bertram hingegen vertritt die Ansicht, Wassilew reagiere auf die Presseberichte allzu empfindlich. „Wenn ich mir da alles so zu Herzen nehmen würde wie Sie, dann wären wir hier ein Karnevalsverein“, sagte Bertram.

Inwieweit der Trainer seinen Vertrag bis Saisonende erfüllen darf, ist ungewiss. Bertram fühlte schon mal sein Vertrauen missbraucht. Damals war Manager Klaus Berge von einem Tag auf den anderen seines Amtes enthoben worden. Gut möglich, dass Wassilew Ähnliches erlebt. Heute gegen Greuther Fürth sitzt er auf jeden Fall auf der Bank. „Unions Führungsgremium sieht keine Veranlassung, zum gegenwärtigen Zeitpunkt die bisher stets erfolgreiche Zusammenarbeit zwischen Trainer und Mannschaft in Frage zu stellen“, teilte der Klub gestern in einer Pressemitteilung mit. Bekannt ist, dass Bertram große Stücke auf Kotrainer Ivan Tischanski hält. Auch an Falko Götz, dessen Vertrag bei Hertha BSC am Montag ausläuft, soll Union Interesse haben.

Heiner Bertram verließ die Presekonferenz gestern übrigens vorzeitig. Auf Brötchen hatte er keinen Appetit mehr.

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