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Sport: Zirkus auf Kufen

Wie der viertklassige Eishockeyklub Berlin Capitals von sich reden macht – zuletzt wurde ein Fußballer geholt

Von Ute Heinzel

und Claus Vetter

Berlin. Was verbindet eine ehemalige Pornodarstellerin, den Bullen von Tölz und einen Fußballprofi? Geht es nach Lorenz Funk, Präsident der Capitals, dann ist es die Liebe zu seinem viertklassigen Eishockeyklub. Ganz heftig verknallt muss etwa Gina Wild sein. In der Deutschlandhalle, dem Stadion der Capitals, drehte der einstige Pornostar kürzlich mit halb entblößten Spielern des Klubs ein paar Ehrenrunden auf dem Eis. Schauspieler Ottfried Fischer blieb zwar angezogen, ließ sich dafür ein paar Wochen nach dem Auftritt von Frau Wild mit seinem alten bayrischen Kumpel Funk im Capitals-Trikot ablichten. Und Fußballprofi Nico Patschinski vom Zweitligisten FC St. Pauli hat schon mit den Capitals trainiert und fiebert nun seinem ersten Einsatz als Eishockeyspieler entgegen.

Wen überrascht da noch, dass sich der Präsident des Vereins in wenigen Wochen selbst das Trikot überstreifen wird – mit 55 Jahren und 130 Kilo Einsatzgewicht. Das Comeback des ehemaligen Eishockey-Nationalspielers Lorenz Funk steigt am 12. Januar in der Deutschlandhalle, beim Regionalliga-Spiel der Capitals gegen Weißwasser.

Vermutlich könnten sich die Capitals vom Spielbetrieb zurückziehen und keiner bis auf die Fans in der Halle würde es merken, spottete kürzlich ein Anhänger des alten Lokalrivalen der Capitals, der Eisbären. Die Deutschlandhalle sei zum Rummelplatz geworden und der Präsident ein Zirkusdirektor.

So einfach ist es wohl nicht. Funk sieht seinen Sport in der Unterhaltungsbranche beheimatet. Im Sommer war sein Klub in die sportliche Belanglosigkeit abgerutscht. Wer nun glaubte, dass es aus der Regionalliga Ost nichts zu berichten gäbe, hat die Rechnung ohne Funk gemacht. Seit Saisonbeginn ist der barocke Bayer bemüht, seine Capitals ins Gespräch zu bringen. Das schafft der wortgewandte Tölzer am besten dort, wo es gemütlich ist. „Mein Ausflug aufs Eis ist eine Kneipenidee von Lenz gewesen“, sagt Fußballer Nico Patschinski. „Ich kenne Lenz schon lang, und da helfe ich ihm gerne. So eine Aktion habe ich eigentlich nicht nötig.“ Die Capitals hingegen freuen sich über jede Verstärkung. Und viele Zahlen geben Funk und seinem Erfindungsreichtum Recht, im Schnitt kommen zu den Berlinern trotz Viertklassigkeit über 2000 Besucher pro Partie. Eine Marke, von der andere unterklassige Sportvereine in Berlin nur träumen. Die Fans der Capitals haben den Abstieg mitgemacht, die Stimmung in der Deutschlandhalle ist besser als zu DEL-Zeiten. Bisher gab es in dieser Saison nur Siege zu bejubeln, die unter professionellen Bedingungen trainierenden Capitals sind ihren Gegnern klar überlegen. „Sportlicher Erfolg allein reicht nicht, um die Leute in die Halle zu locken, heutzutage musst du mehr bieten“, sagt Funk.

Viele Anhänger betrachten den Funkschen Aktionismus als positiv. „Solange Funk nicht übertreibt, ist das doch eine gute Sache“, meinte ein Besucher am Freitag beim Spiel der Capitals gegen die Saale-Teufel aus Halle. Sicher, ein paar Nörgler gibt es schon, allerdings werden die von Funk und vielen Fans der Capitals vorrangig im Berliner Osten, bei den Eisbären vermutet. Angestaubte Feindbilder, die lange das Verhältnis beider Berliner Klubs bestimmten, hat Funk wieder aufpoliert. Um Widersprüche schert sich er sich dabei nicht. Vor sechs Jahren hat er als Manager der Eisbären nach dem Bosman-Urteil dafür gesorgt, dass in Ostberlin fast nur noch Nordamerikaner und Schweden über das Eis flitzten. Heute diffamiert er seinen ehemaligen Arbeitgeber als Klub mit einem „Retortenteam, in dem ja nur Ausländer spielen“. Die wahre Berliner Mannschaft, so Funk, die gebe es nur in der Deutschlandhalle zu bestaunen.

Funks negative Äußerungen über die Eisbären haben bewirkt, dass der Präsident der Capitals kürzlich nicht zu einem Fernsehinterview in die Halle der Eisbären kam. Premiere hatte Lenz auf Bitte der Eisbären ausgeladen. Den Grund hatte Klubsprecher Moritz Hillebrand verkündet: „Wir möchten dem Funk bei uns keine Plattform geben.“ Natürlich ging das kräftig daneben, Medienprofi Funk zog den Vorhang erst auf und nutzte die sich ihm bietende Bühne, um sich als Opfer von Intrigen darzustellen.

Eine diskussionswürdige Geschichte. Unstrittig ist indes, dass sich Funk um das Berliner Eishockey verdient gemacht hat. Ohne den Tölzer wären die Capitals mit dem sportlichen Abstieg vermutlich aus dem Bewusstsein einer breiteren Öffentlichkeit verschwunden. Unermüdlich ist der Präsident für seinen Klub im Einsatz, akquiriert Sponsoren, kümmert sich darum, dass sich die Fans der Capitals auch in der Viertklassigkeit wohl fühlen. „Trotzdem müssen wir aufsteigen“, sagt Capitals-Trainer Andreas Brockmann. „Die Regionalliga lässt sich nicht noch ein weiteres Jahr verkaufen.“ Wer weiß? Wenn es mit dem Aufstieg nicht klappen sollte, dann wird sich Präsident Funk schon etwas einfallen lassen.

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