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Zoff im Training: Kämpfen, Hertha, kämpfen!

Bei Herthas letztem öffentlichen Training der Saison bekommen die kaum 100 anwesenden Fans noch einmal etwas geboten. Von Geschlossenheit im Team kann allerdings keine Rede sein.

Es sollte ein guter Sonntagmorgen werden bei Hertha BSC. Die Mannschaft wollte sich ihren Fans präsentieren beim öffentlichen Training. Nach Tagen der Abschottung. Und dann so was. Eine Szene reicht, um die Anspannung des Berliner Fußball-Bundesligisten vor dem entscheidenden Relegationsspiel am Dienstag bei Fortuna Düsseldorf offen zu legen: Im Trainingsspiel gerät Christian Lell mit Änis Ben-Hatira aneinander. Lell foult Ben-Hatira, der revanchiert sich mit einem Kopfstoß, dessen Wucht sich aus der Distanz schwer einschätzen lässt – aber bei einem Bundesligaspiel hätte es wohl locker für einen theatralischen Sturz mit anschließender Rudelbildung gereicht. Diesmal ist es nur Training, Lell bleibt stehen, aber das Bemühen um demonstrative Geschlossenheit ist passé. Was um 10 Uhr mit einem kollektiven Aufmarsch des Teams auf den Platz an der Hanns-Braun-Straße begonnen hat, endet wie so vieles in dieser Saison bei Hertha im Chaos.

Dabei hatten sie es gut gemeint. Zwei Tage vor der drohenden Zweitklassigkeit gibt es Hertha zum Anfassen, Fotos und Plausch mit Manager Michael Preetz inklusive. Ein später Kurswechsel in der Vereinspolitik. Die Volksnahen müssen allerdings ohne viel Volk auskommen an einem tristen, windigen Sonntagmorgen. Kaum 100 Fans sind gekommen. Erst einmal bekommen die auch nicht viel zu sehen, die Spieler machen ihre Laufübungen auf dem hinteren Platz. Drei Torhüter, 19 Feldspieler und dazu ein bisschen Show für den Anhang an diesem Morgen der gespielten Eintracht. Präsident Werner Gegenbauer ist sogar schon zehn Minuten vor der Mannschaft auf dem Platz. Die schon lange Verletzten Fabian Lustenberger und Maik Franz drehen ein paar Runden um den Platz.

Eine Chronik des Grauens: Hertha und die Eigentore.

Soll natürlich zeigen: Alle wollen mit viel Herz und Hingabe ihren kleinen Teil dazu beitragen, dass am Dienstag in Düsseldorf keine Aufstiegsfeier der Fortuna stattfindet. Nur, Herz und Hingabe lassen sich nicht verordnen. Andreas Ottl etwa, von Rehhagel zuletzt aus dem Aufgebot verbannt, bewegt sich beim Spiel auf dem Kleinfeld so, wie sich jemand bewegt, der sich nicht bewegen will.

Wenigstens Co-Trainer Tretschok will Aufbruchstimmung verbreiten

Das Team, das da am Sonntag trainiert, wird es in ein paar Tagen nach dem Finale von Düsseldorf nicht mehr geben. Im Abstiegsfall um so weniger. Und Trainer Otto Rehhagel, am Sonntag im Dauerplausch mit Präsident Werner Gegenbauer und Preetz, verabschiedet sich dann wieder in den Ruhestand. Zehn Spieler tragen die gelben Trainingsleibchen, es heißt aber wohl nichts bezüglich der Aufstellung für Dienstag, denn Ottl und Lell werden kaum mit Raffael und Lewan Kobiaschwili auf dem Platz stehen.

René Tretschok will Aufbruchstimmung verbreiten. Der Co-Trainer brüllt „Verschieben! Druck! Alle gemeinsam!“ Die Gemeinsamkeit aber wird plötzlich weggegrätscht. Lell und Ben-Hatira gehen sich an die Gurgel. Das fügt sich ganz gut in das bei Fans beliebte Stakkato „Kämpfen, Hertha, kämpfen!“, aber diesen Sinn für ironische Feinheiten hat keiner der wenigen Zaungäste. Eingeschüchtert, still, ja ungläubig verfolgt das Publikum die Einlage.

Das Relegations-Hinspiel gegen Düsseldorf in unserer Bildergalerie:

Otto Rehhagel verlässt seine Zuschauerposition. Er greift sich Lell, die beiden reden kurz, aber der Streit endet unversöhnlich. Rehhagel geht wieder an den Platzrand und macht eine wegwerfende Handbewegung. Lell gestikuliert weiter. Tretschok brüllt: „Wir haben schon verstanden, Christian Lell!“ Und dann schiebt er noch so ein „ja, ja“ hinterher, das sich mühelos durch jedes Schimpfwort ersetzen ließe. Einmal klatschen sie doch noch, als Peter Niemeyer das einzige Tor im Trainingsspiel gelingt.

Als nach 65 Minuten Schluss ist mit dem letzten öffentlichen Training der Saison, versuchen fast alle Herthaner noch mal Volksnähe. Selbst Rehhagel gibt Autogramme, aber einen Kommentar zu seinen rauflustigen Spielern mag er nicht abgeben. Lell sagt: „ Alles ist in Ordnung“ und: ,„Es geht eben ums Ganze.“ Für Hertha, am Dienstag in Düsseldorf.

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