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Sport: Zu allem Unglück

Wieder hat Bremen ein wichtiges Spiel verloren

Der Kabinentrakt der Arena Auf Schalke liegt etwas oberhalb des Feldes, weshalb der Spielertunnel eine kleine abschüssige Rampe besitzt. Die wäre dem Zeugwart von Werder Bremen am späten Dienstagabend fast zum Verhängnis geworden. Er versuchte, einen Handwagen, beladen mit Metallkisten voller Schmutzwäsche, die Rampe hinunter zu steuern. Das Gefährt schwankte bedrohlich und drohte umzustürzen, wäre dem Zeugwart nicht ein kleiner, rundlicher Mann mit Badelatschen zur Hilfe geeilt. Ailton stützte den Wagen ab und verhinderte ein weiteres Bremer Unglück.

Nach dem Halbfinale des DFB-Pokals hatte jeder im Stadion Mitleid mit den unglücklichen Bremern – ganz besonders der Schalker Stürmer Ailton, der in der vergangenen Saison mit Werder Meister und Pokalsieger geworden war. Ein mitreißendes Spiel hatten beide Mannschaften geboten. Nach der Verlängerung hatte es durch Tore von Ismael und Borowski für Bremen sowie Sand und Ailton für Schalke 2:2 gestanden, im Elfmeterschießen siegte Schalke 5:4. „Das war ein Spiel, das alles hatte, was man sich wünscht“, sagte Bremens Trainer Thomas Schaaf. Es war auch ein Spiel, das niemand so schnell vergessen wird, ganz besonders nicht die drei Hauptdarsteller.

Da war zunächst Ailton: Der sonst so treffsichere Brasilianer hatte seinen Elfmeter an die Latte gesetzt. Doch nach nur einer Minute war dieses Ereignis schon durch ein anderes, tragischeres verdrängt worden, so dass Ailton Trost spenden konnte, anstatt zu ihn empfangen.

Fabian Ernst, der im Sommer nach Gelsenkirchen wechselt, war beim entscheidenden Elfmeter ausgerutscht und hatte verschossen. Einsam trottete der Bremer anschließend über den Rasen der Arena, in der er künftig spielen wird. Weder seine Mannschaftskollegen noch die Schalker vermochten ihn zu trösten. Anders als bei Lothar Matthäus, der im Pokalfinale 1984 vor seinem Wechsel von Mönchengladbach nach München einen Elfmeter gegen die Bayern ziemlich offensichtlich in den Himmel gedroschen hatte, wollte dem Bremer allerdings niemand Böses unterstellen. „Er gibt für Werder alles bis zur letzten Minute“, sagte Verteidiger Valerien Ismael. „Das war Pech. Warum musste er abrutschen, warum nicht ein anderer?“

Dann trat der dritte und glücklichste Hauptdarsteller des Tages zum letzten Elfmeter an. Schalkes Torwart Frank Rost schickte den 21-jährigen Mike Hanke, der schießen wollte, zurück zum Mittelkreis und verwandelte den Elfmeter selbst. „In so einer Situation müssen die Erfahrenen Verantwortung übernehmen“, begründete der Torwart seine spontane Entscheidung. „Man ist gelassener, wenn man so etwas schon öfter gemacht hat.“ Außerdem habe er davon profitiert, die gegnerischen Schützen aus seiner Zeit in Bremen gut zu kennen. „Bei Paul Stalteri habe ich geahnt, wohin er schießt, bei Fabian Ernst wusste ich nur, dass er schieben will, und habe abgewartet.“

Werder hat nun neben der Meisterschaft auch den Pokal nicht erfolgreich verteidigen können. „Wir können nicht davon ausgehen, dass wir das immer holen“, sagte Sportdirektor Klaus Allofs. Die Qualifikation für das Finale hätte aber möglicherweise auch die Teilnahme am Uefa-Cup bedeutet. Auch die hat Bremen noch nicht sicher. Und seit dem 2:7 in Lyon wirkte die Mannschaft oft verunsichert. Deshalb war das Spiel auf Schalke trotz der Niederlage ein Fortschritt. „Wir haben heute wieder den Zusammenhalt gezeigt, der letztes Jahr unsere Stärke war“, sagte Ismael. Hinter dem Franzosen lief Ailton von Kabine zu Kabine und flachste fröhlich herum. Schließlich erinnerte er sich an seine niedergeschlagenen Freunde aus Bremen und sprach in gebrochenem Deutsch noch einige tröstende Worte: „SV Werder Bremen, sehr gut Spiel. Das ist Fußball. Kopf nach oben.“

Steffen Hudemann[Gelsenkirchen]

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