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Saisonstart in L.A., die Frisur sitzt. Sami Khedira schreibt vor Real Madrids Trainingsplatz in den USA Autogramme.

© AFP

Zu Gast bei Hertha BSC: Real Madrid tourt in 28 Tagen um die Welt

Für Berlin und Hertha BSC ist das Spiel ein Highlight. Für Real Madrid nur ein Zwischenstopp der Welttournee. Wie der Verein sein Geld verdient und warum das gefährlich für Hertha werden kann.

Erst Union, nun Hertha: Real Madrid, könnte man meinen, arbeitet sich in die Gepflogenheiten des Berliner Fußballs ein. Ein Testspiel gegen Tennis Borussia oder Türkiyemspor wäre die logische Folge. Doch der 2:1-Sieg gegen Union am Sonntag fand gegen einen Namensvetter der Köpenicker in Philadelphia statt.

Real, das muss man wissen, ist nämlich auf Welttournee. „World Football Challenge“ nennt sich das Mammutprogramm, das tatsächlich eine Herausforderung darstellt, vor allem für die Spieler. Vor zwei Wochen begannen die Madrilenen ihre Vorbereitung zwar in Spanien, flogen aber gleich am nächsten Tag weiter in die USA. Dort gab es Testspiele gegen Los Angeles Galaxy (4:1-Sieg), in Mexiko gegen Chivas Guadalajara (3:0) und gegen Philadelphia Union. Mittwoch Mittag landen die Real-Stars dann in Berlin, spielen gegen Hertha BSC (18.00 Uhr, live bei Sport1) und fliegen noch am Abend weiter. Am Samstag spielt Real gegen den englischen Zweitligisten Leicester City. Zwei Tage später geht es weiter nach China, wo gegen Klubs mit so klangvollen Namen wie Guangzhou Evergrande und Tianjin Teda getestet wird.

In 28 Tagen um die Welt. Während das Spiel im ausverkauften Olympiastadion Herthas Highlight noch vor Bundesliga-Beginn ist, ist Berlin für Real nur Zwischenstation. Warum tut sich Madrid das an? In Spanien beginnt die Saison erst Ende August, doch der Rekordmeister spult bis dahin schon ein Programm ab, wie andere in einem ganzen Jahr nicht.

„Zu meiner Zeit gab es das noch nicht“, sagt der frühere Nationaltorwart Bodo Illgner, der von 1996 bis 2001 für Real die Bälle hielt. „Die wirtschaftliche Komponente ist in den vergangenen Jahren immer wichtiger geworden.“ Der Verein wolle eben Geld verdienen, das könne man verstehen, „aber aus sportlicher Sicht ist das natürlich nicht förderlich“.

Das Testspiel in Berlin hat die Agentur The Sports Promoter (TSP) organisiert. TSP ist eine Tochterfirma des Vermarkters Sportfive, mit dem Real und Hertha seit Jahren zusammenarbeiten. Etwa eine Million Euro erhält Real für den Auftritt in Berlin, doch Hertha zahlt die Antrittsprämie nicht, bekommt selbst Geld, wenn auch nicht so viel wie Real. Die Gagen zahlt TSP, wie auch alle Kosten rund um das Spiel, vom Flug bis zur Toilettenfrau im Stadion, erhält dafür auch alle Einnahmen, für Eintrittskarten, Werbung oder Fernsehübertragung. Vertraglich ist dabei festgeschrieben, dass bei Anpfiff mindestens 70 Prozent Stammspieler der Vorsaison auf dem Platz stehen müssen.

TSP sucht auch den Standort für Testspiele aus, an dem sich möglichst hohe Einnahmen erzielen lassen. Real spielte zuletzt 2007 in Hannover, 2008 in Frankfurt, 2009 in Dortmund und 2010 in München. Während es bei Touren in den USA und Asien darum geht, neue Fans und Märkte zu erobern, geht es bei Spielen in Deutschland für Real eher ums Geld.

„Das Freundschaftsspiel-Business wird für viele Vereine als Einnahmequelle immer wichtiger“, sagt TSP-Geschäftsführer Olaf Bauer. Gerade in der pflichtspielfreien Sommerzeit nutzen die Klubs solche Spiele, um die hohen Gehälter, die jeden Monat anfallen, mitzufinanzieren.

Das macht Hertha im Prinzip nicht anders, nur eine Nummer kleiner. So traten die Berliner zuletzt nach einem Konditionstrainingslager dreimal in vier Tagen an. Sie verloren alle Spiele, aber dafür waren beide Trainingslager dieses Sommers finanziert. Auch wenn die Berliner körperlich wohl kein Gegner waren für die Schweizer, die kurz vor Saisonbeginn standen. Ebenso wenig wie Real zu dieser Jahreszeit. Die Spanier hätten „noch Bauchmuskeltraining und Rückengymnastik gemacht“, erinnert sich Frankfurts Vorstandschef Heribert Bruchhagen scherzhaft an das Freundschaftsspiel 2008. „Wirtschaftlich war das ein Erfolg, sportlich ohne Erkenntnisse“, sagt er über das 1:1 damals. „Aber heutzutage musst du schon eine Attraktion wie Real, Barcelona oder Manchester bieten, sonst kriegst du das Stadion im Sommer gar nicht mehr voll.“ Die Fans seien eben anspruchsvoller geworden, sogar auf den Dörfern.

Auch Hannovers Präsident Martin Kind erinnert sich, „dass Reals Auftritt ein Gewinn für die Marke 96 war, aber sportlich ein Muster ohne Wert“. Schlimmer noch, nach dem überraschenden 3:0-Sieg Hannovers ging damals der Saisonstart daneben. „Solche Spiele sind nicht ungefährlich, sie wecken falsche Erwartungen.“ Spieler und Fans müssten sich nach Real den Realismus erhalten, mahnt Kind. Hertha sei also gewarnt: Vier Tage nach Madrid wartet Meuselwitz.

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