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Sport: Zu gut für die Liga?

Eisbären provozieren die Konkurrenz zu Lobeshymnen

Von Claus Vetter

Berlin. Lance Nethery wirkte überraschend gleichgültig. Wie jemand, der den Feierabend herbeisehnt, aber dabei schon weiß, dass das Resümee des Arbeitstages nicht positiv ausfallen kann. Nichts Neues im Berliner Osten. So frustriert wie der Trainer der Frankfurt Lions hatten zuvor schon vier seiner Kollegen kurz vor der Schlusssirene einer Partie der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) beim EHC Eisbären im Sportforum Hohenschönhausen dreingeschaut. Auch das Prozedere nach dem Spiel war durchaus vorhersehbar. Später, nach der 2:6-Niederlage bei den Berlinern, musste Nethery erklären, warum seine Mannschaft ohne Chance war.

Nethery wählte den gewohnten Weg. Warum über die eigenen Schwächen referieren, wenn der Gegner einfach nicht zu schlagen war. „Glückwunsch an Manager Peter John Lee und Trainer Pierre Pagé“, sagte Nethery. „Die Eisbären sind nicht zufällig Tabellenführer. Die Berliner beweisen, dass man offensiv, attraktiv und erfolgreich Eishockey spielen kann. Die ganze Liga kann von den Eisbären lernen.“ Derlei Lobeshymnen sind für die Berliner nichts Neues: Es ist derzeit in Mode, die Eisbären über die Konkurrenz zu stellen, so zu tun, als ob sich die Berliner als viel zu gutes Team in der Liga verirrt haben.

Das kann bei den Eisbären keiner so recht verstehen. Auch Ricard Persson nicht. Der Schwede ist momentan der Topscorer der gesamten Liga. „Das ist Wahnsinn“, sagt Persson. „So gut ist es bei mir in meiner ganzen Karriere noch nicht gelaufen. Aber trotzdem, das ist nicht mehr als eine Momentaufnahme. Wir müssen noch besser werden." Die Aussage von Persson ist exemplarisch für das, was sich bei den Eisbären momentan abspielt. Täglich erinnert Trainer Pagé seine Mannschaft daran, dass sie längst noch nicht am Ziel ist. „Es gibt vier Phasen in einer Saison", sagt Pagé. „Wir sind gerade mal in der zweiten, die anderen Teams werden sich noch steigern, also müssen wir es auch."

Die Maßnahmen des Kanadiers sind ungewöhnlich. Beim Training der Eisbären tummeln sich nicht selten 30 Spieler auf dem Eis. „Druck“ und „Identität“ sind die Formeln des Pierre Pagé. Jede Woche bekommt ein anderer junger Spieler im Sportforum seine Chance. Eishockey mit drei Sturmreihen – das gibt es unter Pagé nicht. „Jeder ist ersetzbar" – das hat der Trainer in den vergangenen Wochen nicht nur gesagt, sondern auch gezeigt, etwa am Mittwoch gegen Frankfurt. Die mit überwiegend gestandenen Kanadiern angetretenen Hessen demonstrierten das Eishockey, das die Zuschauer in der DEL seit Jahren gewohnt sind: gelangweilte, langsame Routine. Wenn es nach Pagé geht, ist das ein Auslaufmodell. Eines, in das sich Marc Fortier nahtlos einfügte. Auch wenn der frühere Eisbären-Kapitän am Mittwoch mit Ovationen empfangen worden war – keiner im wieder ausverkauften Sportforum sehnte sich an die Zeiten zurück, als Fortier noch seine Kringel auf dem Eis drehte.

Die Eisbären demontierten die Frankfurter nach allen Regeln der Eishockey-Kunst, sodass es fast langweilig wurde. So konnten sich die Fans in den Schlussminuten schon anderen Dingen widmen. „Preussen, wir kommen“ – so schallte es von den Tribünen. Vorfreude auf das neue Derby in der Regionalliga zwischen den Capitals und den Eisbären Juniors, das die Capitals gestern vor knapp 4000 Zuschauern 9:1 gewannen.

Nach zwei Dritteln des DEL-Spiels gegen Frankfurt war alles gelaufen, der erfolgreiche Abend stand für die Berliner vorzeitig fest: Die Dramatik im letzten Drittel reduziert sich bei Heimspielen der Eisbären derzeit nur auf die Frage nach der Höhe des Ergebnisses.

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