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Sport: Zu gut für einen Mitläufer, zu leise für einen Star

Herthas griechischer Spieler hält nicht viel von allzu hoher SelbsteinschätzungFrank Bachner Er war 18, und er war ein Star. Ein kleiner jedenfalls.

Herthas griechischer Spieler hält nicht viel von allzu hoher SelbsteinschätzungFrank Bachner

Er war 18, und er war ein Star. Ein kleiner jedenfalls. Zumindest sagten ihm das die griechischen Fußball-Reporter, die neben ihm herliefen, als er in die Kabine ging. Eigentlich stolzierte Kostas Konstantinidis ja ein bisschen, weil er sich so stark fühlte und die Kommentare der Reporter auch als Huldigungen empfand. Es war Halbzeit, er trug das Trikot des Erstligisten Pierikos Katerini und war sicher, dass er gerade verdammt gut gespielt hatte. Und jetzt wollte er in der Kabine das Gleiche vom Trainer hören. Aber der sagte erstmal gar nichts. Dafür klatschte zornig seine Hand auf die linke Wange von Konstantinidis. Eine klassische Backpfeife. "Was hast du für einen Scheiß gespielt", brüllte er dann, "du warst nicht mannschaftsdienlich."

Neun Jahre her, die Szene, aber Konstantinidis hat sie nie vergessen. Sie verhindert, sagt er, seine Selbstüberschätzung. Das könnte ein netter Spruch sein. Fußball-Profis haben viele Sprüche auf Lager, die sich gut anhören, an die sie aber selbst nicht glauben. Konstantinidis, in Schorndorf bei Stuttgart geboren und dort aufgewachsen, seit Sommer 1999 bei Hertha BSC, sagt zum Beispiel: "Im Profifußball darf man keine Wunschposition haben. Wenn der Trainer mich irgendwo aufstellt, dann macht er das, weil es das Beste für die Mannschaft ist." Das klingt schon ungewöhnlich zurückhaltend. Aber dann sagt der Grieche auch noch: "Ich muss mich überall verbessern." Und das ist schon keiner der üblichen Sprüche mehr. Er ist zu selbstkritisch. Und das deutet darauf hin, dass der Abwehrspieler Konstantinidis es ernst meint mit der fehlenden Selbstüberschätzung. "Er hat durchaus Selbstkritik", sagt Jürgen Röber, sein Trainer. Ebenfalls ungewöhnlich.

Fast 30 Länderspiele für Griechenland. Aushilfs-Libero bei Hertha. Taucht so einer ab in der grauen Masse? Gerne auch noch? Gerne, durchaus. "Ich bin mehr Mannschaftsspieler als Individualist", sagt er. Kjetil Rekdal, der markige, selbstbewusste Libero, ist weg bei Hertha, eine Rolle ist frei geworden. Aber es ist undenkbar, dass Konstantinidis diese Rolle ausfüllt. Das kann einer gar nicht, der sich selber Redeverbot erteilt. "Was soll ich denn viele Kommentare abgeben? Wenn zu viele Leute reden, dann kommt doch nur Unverständliches raus", sagt Konstantinidis.

"Ich traue mir durchaus eine Führungsaufgabe zu", sagt der 27-Jährige. Aber er sagt es weich und leise und zögernd. Er klingt nicht so, als glaube er es wirklich. Er hat ja auch gar nicht diese Härte, die Rekdal besaß. Wie er schon herumlief im Trainingslager, im Januar in Portugal. Mit hängenden Schultern, mit düsterer Miene. "Die ganze Körpersprache", sagt Jürgen Röber, "hat gezeigt, dass er nicht positiv dachte." Konstantinidis hatte Rückenprobleme und deshalb "ein negatives Denken". Also sagte Röber jedesmal, wenn er an Konstantinidis vorbeilief, "Kopf hoch". Aber so etwas muss man keinem sagen, der Führungsspieler ist. Übersensibel, der Grieche? "So", sagt Röber, "könnte man es deuten."

Andererseits wieder robust genug, um Gelb-Rot gegen den VfB Stuttgart in der Hinrunde (heute gastiert Hertha in Stuttgart) und Rot in der Champions League gegen Istanbul zu kassieren. Beide Karten waren unnötig. "Klar, mein Fehler", sagt Konstantinidis. "Aber man kann auch mit zehn Mann ein Spiel noch gewinnen."

Das ist natürlich ein ziemlich drastischer Satz. Aber er verhindert zugleich, dass man Konstantinidis unterschätzt. Der Grieche wirkt ja manchmal wie eine Art Mitläufer. In Wirklichkeit ist er nur ein bisschen leiser, zurückhaltender und netter als andere. Aber er hat immer noch genügend Selbstbewusstsein. Mit seiner weichen Stimme zählt er genüsslich auf, wie oft er in der Anfangsformation war. Zwölf Mal bei seinen insgesamt 14 Bundesliga-Einsätzen, sechs Mal bei sieben Champions-League-Auftritten. Er ist im Glied, aber dort ist er fest, das reicht ihm. Autogrammwünsche? "Nicht so viele wie bei Wosz oder Deisler", ist aber egal. Erkennt man ihn auf der Straße? Nun ja, nicht allzu oft. Andererseits ist das kein Problem.

Außerdem nehmen ihn die Fans doch auch als graue Maus an. Nach der Roten Karte von Istanbul hatte Konstantinidis ein bisschen Angst vor dem nächsten Heimspiel. Sein Ausraster hatte Hertha den Sieg gekostet. Und Fans können rachsüchtig sein. Aber dann stand er unten auf dem Rasen, und auf den Rängen hockten die Fans, und als er vorgestellt wurde, da klatschten sie. Ergreifend, für Konstantinidis jedenfalls. "Das", sagt er, "werde ich nie vergessen."

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