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Sport: Zu vernichtend für Trauer

Italien muss Spaniens Überlegenheit anerkennen.

Kiew - Während der Siegerehrung flimmerte kurz Gianluigi Buffon über den Stadionwürfel. Man weiß ja seit diesen EM-Tagen nicht so recht um die Authentizität solcher Bilder, vielleicht sind sie ja auch bei der Platzbesichtigung aufgenommen worden oder beim Interview mit dem Uefa-eigenen Fernsehkanal. Egal, als Dokumentation für das gerade erlebte passte die Sequenz mit Buffon perfekt. Der italienische Torwart weinte nicht, denn für herzergreifende Trauer war das Ergebnis zu deutlich, zu vernichtend. Er strich nur gedankenverloren mit dem Zeigefinger über die Lippen und schüttelte den Kopf, und jeder im Olympiastadion verstand die Botschaft.

Was, um Himmels willen, war das denn?

Buffons Italiener hatten keineswegs schlecht gespielt in diesem EM-Finale von Kiew. Sie hatten bloß das Pech, im denkbar ungünstigsten Augenblick auf die beste Mannschaft der Welt zu treffen. Es war diese Mannschaft zu allem Unglück auch noch schwer gereizt durch die larmoyante Kritik an ihrem vermeintlich langweiligen Spiel und brannte deshalb vor Ehrgeiz, es Europa, ja der ganzen Welt zu zeigen. „Spanien hat eine großartige, eine fantastische Mannschaft“, sprach Italiens Trainer Cesare Prandelli. „Meiner Mannschaft kann ich keinen Vorwurf machen. Vielleicht wäre es anders gelaufen, wenn wir uns ein bisschen länger hätten ausruhen können.“

So wie beim ersten Duell dieser beiden Mannschaften drei Wochen zuvor in Danzig, es war das beste dieser Europameisterschaft und endete 1:1, mit leichten Vorteilen für Italien. „In Danzig waren wir fit, heute waren wir müde“, sagte Prandelli. Mit dem Ergebnis, dass erst Giorgio Chiellini früh mit einer Muskelverletzung raus musste und nach einer guten Stunde auch Thiago Motta, ganze drei Minute nach seiner Einwechslung, der dritten für Italien, womit das Wechselkontingent erschöpft war. „Mit zehn Spielern kannst du gegen Spanien kein 0:2 aufholen“, sagte Mittelfeldspieler Daniele De Rossi.

Tief traurig liefen die Italiener als unterlegener Finalgegner durch das Spalier der siegreichen Spanier, die Klapse und aufmunternden Rufe werden sie eher als Demütigung empfunden haben. Als letzter schlich Mario Balotelli vom Platz, das Gegenstück zum gefassten Gianluigi Buffon. Der große verrückte Junge hatte nach dem einseitigen Finale noch auf dem Rasen und vor allen Kameras geweint. Für Balotelli war der emotionale Sturz in den drei Tagen zwischen Halbfinale und Endspiel so tief wie für keinen anderen. Am Donnerstag beim Sieg über die Deutschen war er noch der Matchwinner mit zwei großartigen Toren. Am Sonntag schoss Balotelli ganze zwei Mal aufs Tor, beide Male weit vorbei, beim zweiten Mal winkte Spaniens Torhüter freundlich-überheblich zu ihm hinüber.

„Das war schon bitter, noch viel schlimmer als ein 0:1 in der letzten Minute“, befand Daniele De Rossi, auch ihm hatte im Finale die zuvor demonstrierte Kraft gefehlt. Als die Spanier noch im Mittelkreis feierten und tanzten und sangen, liefen die Italiener schon zurück zum Mannschaftsbus. „Morgen früh fliegen wir zurück nach Rom, und wenn wir aus dem Flugzeug die Lichter von Kiew und das Stadion sehen, dann werden wir erkennen, wie außergewöhnlich dieses Turnier für uns war“, sagte Cesare Prandelli. Er selbst will maßgeblich zu einer außergewöhnlichen Zukunft beitragen: Noch in der finalen Nacht von Kiew kündigte Prandelli an, er wolle seinen gerade ausgelaufenen Vertrag verlängern: „Dieses Projekt muss weitergehen“, sprach Prandelli, mindestens bis zur WM 2014 in Brasilien. Sven Goldmann

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