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Sport: „Zu wenig Kontrollen“

Der Vorsitzende der Welt-Anti-Doping-Agentur Richard Pound über den Betrug im Radsport

Herr Pound, wundern Sie sich überhaupt noch über Dopingfälle im Radsport?

Der aktuelle Fall ist sicher enttäuschend. Die Tatsache, dass der Zweitplatzierte, der Dritte, Vierte, Fünfte und Sechste der Tour de France 2005 wegen der spanischen Dopingermittlungen vorher ausgeschlossen wurden, hätte eigentlich die Fahrer abschrecken sollen. Offenbar war das nicht der Fall.

Vor der Tour de France haben Sie gesagt, dass die Dopingbekämpfung des Internationalen Radsportverbandes UCI unzureichend sei und er nicht genügend teste. Hat der Fall Landis Ihr Urteil verändert?

Wir haben ihnen Hinweise gegeben, wie sie ihre Kontrollen verbessern sollen, vor allem dass sie mehr im Training kontrollieren müssen. Darauf sagten sie uns, dass sie in sechs Jahren nur 500 Trainingskontrollen durchgeführt haben. Das muss man sich einmal vorstellen, das sind noch nicht einmal 100 im Jahr.

Gibt es überhaupt noch eine Rettung für den Radsport?

Der Verband müsste die Gelegenheit nutzen und einen neuen Anlauf nehmen. Im Moment haben sie die Situation nicht im Griff. Dieses Jahr hat wie kaum ein anderes gezeigt, wie groß das Problem im Radsport ist. Ich kann mich an eine Aussage von Hein Verbruggen erinnern...

…dem ehemaligen Präsidenten und jetzigen Vizepräsidenten der UCI…

...ja, der sagte im April, also nur wenige Wochen, bevor der spanische Dopingskandal ans Licht kam: Wir denken daran, weniger zu kontrollieren, weil wir so wenige positive Tests haben, also offensichtlich auch kein Dopingproblem. Ich habe mich gefragt: Was soll das denn?

Können Sie sich irgendwelche Sanktionen gegen den Radsport vorstellen, um den Druck noch einmal zu erhöhen?

Der Druck ist schon sehr hoch auf die UCI, etwas zu tun, jetzt etwas zu tun. Wenn sie sich überhaupt irgendeinen Funken Glaubwürdigkeit erhalten wollen, müssen sie jetzt aufstehen und sagen: Hört mal, wir haben ein sehr schlechtes Jahr, aber wir wollen einen sauberen Sport und hier sind unsere Maßnahmen. Nur damit könnte man die Öffentlichkeit zufrieden stellen. Im Moment scheinen die Athleten noch zu glauben, sie müssten dopen, um wettbewerbsfähig zu sein.

Floyd Landis wurde bei einer ganz gewöhnlichen Kontrolle auffällig. Ist das ein Erfolg oder eine Niederlage für das Kontrollsystem, weil Landis der einzige positiv getestete Fahrer dieser Tour de France ist?

Ich glaube, es ist beides. Auf der einen Seite ist es ein Erfolg, weil es – bei positiver B-Probe – bedeutet, dass mindestens ein Fahrer betrogen hat. Und dass es sogar der Sieger ist, ist ein enormer Schritt. Auf der anderen Seite gibt es möglicherweise weitere Fahrer, die ebenfalls betrügen und nicht erwischt worden sind.

Die meisten anderen Dopingfälle wie Jan Ullrich oder die österreichischen Biathleten bei den Winterspielen in Turin wurden von der Polizei aufgedeckt, nicht von den Dopingfahndern. Und der frühere Weltrekordhalter über 100 Meter, Tim Montgomery, ist aufgrund von Akten schuldig gesprochen worden, nicht wegen eines positiven Tests. Gibt es in Ihren Augen ein Comeback für die klassische Dopingprobe?

Die Tests waren immer wichtiger Bestandteil des Arsenals. Der Schlüssel sind sicher die Kontrollen außerhalb des Wettkampfs. Bei den Kontrollen innerhalb des Wettkampfs bekommen es die cleveren Doper immer hin, nicht erwischt zu werden. Aber manchmal machen sie Fehler. Deshalb muss man versuchen, sie zu erwischen. Noch wichtiger ist es aber, dass es andere Beweismittel gibt als jemandem nachzuweisen, dass er gerade Dopingmittel im Körper hat.

Was halten Sie von einem individuellen Blutprofil für jeden einzelnen Athleten, nicht nur im Radsport, sondern auch in der Leichtathletik, im Schwimmen?

Auch wir bei der Wada verbinden damit die Hoffnung, plötzliche Auffälligkeiten entdecken zu können. Wenn man ein Hämatrokrit-Level...

…der Hinweise auf Doping mit Erythropoietin gibt, also Epo…

...von 34, 35, 36, 34 und dann auf einmal 49 hat, dann kann man sagen: Halt, was passiert hier gerade? In den vergangenen Jahren waren solche Informationen einfach nicht verfügbar.

Wären solche Blutprofile eine weitreichende Lösung für den Radsport?

Sie wären Teil einer Lösung. Man muss das jedoch verbinden mit anderen Kontrollen. Man braucht ein nachdrückliches System von Trainingskontrollen, damit man herausbekommt, wie der Grundlevel der Blutwerte ist.

Wäre diese Verbindung von Blutprofilen, Wettkampf- und Trainingskontrollen schon ausreichend?

Epo kann man mit einem Urintest nachweisen, aber für Wachstumshormon braucht man Bluttests. Die müssen verstärkt durchgeführt werden.

Floyd Landis ist mit Testosteron auffällig geworden. Sollte schon der Besitz eines solchen Anabolikums vom Staat verboten werden?

In vielen Ländern sind Anabolika verboten. Es gibt nur wenige Fälle, in denen Anabolika einen therapeutischen Nutzen haben. Und die könnten kontrolliert werden durch ärztliche Verschreibung. Wenn es nicht aus therapeutischem Nutzen ist, geht es um die Leistungsmanipulation von Sportlern. Ein Gesetz wäre deshalb sehr hilfreich.

Das Gespräch führte Friedhard Teuffel.

Richard Pound, 64, ist Vorsitzender der Welt-Anti-Doping-Agentur (Wada). Der Anwalt aus Kanada ist außerdem seit 1978 Mitglied des Internationalen Olympischen

Komitees.

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