zum Hauptinhalt

Sport: Zuhause gegen Heimat

Die deutschen Stürmer Podolski und Klose sind in Polen geboren und könnten heute ihr Herkunftsland aus dem Turnier werfen

Wahrscheinlich tun die Polen Pawel Janas ein wenig Unrecht. Im Moment besitzt der Trainer der polnischen Fußball-Nationalmannschaft in seiner Heimat ja keinen besonders guten Ruf, dabei ist Janas ein sehr weitsichtiger, fürsorglicher und vor allem kreativer Mensch. Es ist noch nicht lange her, dass Janas aus seiner Heimat Wronki ein Päckchen nach Bergheim ins Rheinland schickte. Der Inhalt: ein polnisches Nationaltrikot mit der Nummer zehn und dem Namen Podolski auf dem Rücken. Der Adressat: Lukas Podolski, Stürmer vom 1. FC Köln. Man darf wohl davon ausgehen, dass die Postsendung aus Polen ein Gefühl der Rührung bei Lukas Podolski auslöste. Das eigentliche Ziel aber verfehlte Janas mit seiner Aktion. Wenn die deutsche Nationalmannschaft heute Abend im zweiten Gruppenspiel der WM auf Polen trifft, spielt Podolski nicht für sein Heimatland, sondern für Deutschland.

Es ist schon paradox: Verliert Polen heute, ist die Weltmeisterschaft für die Mannschaft bereits in der Vorrunde beendet, und es ist gut möglich, dass daran zwei Stürmer schuld sind, die beide in Polen geboren sind: Lukas Podolski und Miroslav Klose. „Das wird schon ein komisches Gefühl sein, wenn zuerst die polnische Nationalhymne erklingt und danach die deutsche“, sagt Podolski, der 1985 in Gliwice (Gleiwitz) zur Welt kam, gerade mal 80 Kilometer entfernt von Kloses Geburtsort Opole (Oppeln). Wenn heute die Hymnen gespielt werden, wird Podolski keine mitsingen, Klose sagt: „Ich werde nur die deutsche Hymne singen, die andere kenne ich gar nicht.“

Podolski und Klose sind schon als Kinder nach Deutschland gekommen; die Verbindung zu ihrem Herkunftsland ist jedoch größer, als es ihre Biografie erahnen lässt. „Man kann so sagen: Ich habe zwei Heimaten“, sagt Podolski. Seine Heimat im eigentlichen Sinne ist Polen. Podolski lebt auch in Bergheim in einem polnischen Umfeld. Polnisch ist seine Muttersprache, er hört am liebsten polnischen Hip Hop, liest polnische Sportzeitschriften und hat eine polnische Freundin. Seine fußballerische Heimat aber ist Deutschland. „Ich habe hier das Fußballspielen gelernt und die deutsche Mentalität verinnerlicht“, sagt er. „Deshalb war immer klar, dass ich für Deutschland spiele.“

Podolski und Klose sind nicht die einzigen deutschen Nationalspieler mit polnischen Wurzeln: Lukas Sinkiewicz vom 1.FC Köln und Paul Freier von Bayer Leverkusen sind ebenfalls in Polen geboren, genauso wie die früheren Nationalspieler Dariusz Wosz und Martin Max. Auf der Suche nach Verstärkungen hat Janas auch einige Bundesligaspieler gescoutet, die in Polen geboren sind. Eugen Polanski (Borussia Mönchengladbach) und Michael Delura (Hannover 96) haben es jedoch abgelehnt, für Polen zu spielen. Der künftige Bochumer Christoph Dabrowski wollte zwar, durfte aber nicht, weil er bereits für das deutsche „Team 2006“ zum Einsatz gekommen war. Auch Klose ist vor fünf Jahren in Kaiserslautern vom polnischen Nationaltrainer gefragt worden, ob er nicht für sein Heimatland spielen wolle. „Da habe ich nicht lange drüber nachgedacht“, sagt er. Vier Wochen später war Miroslav Klose deutscher Nationalspieler, ein Jahr später stand er im WM-Finale.

Der Fußball hat Klose und Podolski zu Deutschen gemacht, auch wenn sie auf dem Platz meistens Polnisch miteinander reden. Als Klose mit achteinhalb Jahren in die Pfalz kam, kannte er nur zwei deutsche Worte: danke und ja. Er war dann der Erste aus seiner Familie, der die fremde Sprache beherrschte. Klose hat sie auf dem Fußballplatz gelernt. „Nach der Schule habe ich den Ranzen in die Ecke gepackt und bin rauf auf den Bolzplatz“, sagt er. „Da durfte ich immer mitspielen, weil ich ein bisschen besser war als die anderen.“ Wenn die Mannschaften gewählt wurden, „war ich meistens der Erste, der genommen wurde“. Durch den Fußball hat Klose seine ersten Freunde gefunden, und wenn er heute, fast zwanzig Jahre später, davon erzählt, hört man immer noch heraus, was ihm das damals bedeutet hat. „Durch den Fußball bin ich in Deutschland integriert worden“, sagt Miroslav Klose.

Über Polen spricht der Stürmer des SV Werder Bremen inzwischen wie über ein Urlaubsland. „Ich fahre da gerne hin. Ich mag die Leute da.“ Ein Onkel und eine Tante wohnen noch in der alten Heimat, seine Frau stammt ebenfalls aus Polen. Von Lukas Podolski ist bekannt, dass er regelmäßig seine Großmutter in Gliwice besucht. Aber all das wird heute Abend keine Rolle spielen. „Nur weil ich in Polen geboren bin, werde ich den Ball ja nicht am leeren Tor vorbeischießen“, sagt Podolski. Er ist schon einmal bei einem großen Turnier auf sein Heimatland getroffen, bei der U-17-Weltmeisterschaft war das. Die Polen hätten ein Unentschieden gebraucht, um weiterzukommen, den Deutschen reichte ebenfalls ein Punkt. Kurz vor Schluss fiel der Siegtreffer für Deutschland. Torschütze war Lukas Podolski.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false