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Damals wurde noch in Schwarz-Weiß gespielt. Müller dreht sich, Krol ist machtlos - 2:1 für Deutschland.

© dpa

Zum 70. Geburtstag: Mein Gott, Gerd Müller!

Es war nicht nur das wichtigste Tor seiner Karriere, sondern es wurde auch das schönste Tor im Leben vieler Zuschauer. Das 2:1 im WM-Finale 1974. Eine Würdigung zum Geburtstag.

Ich kann mich natürlich an den Moment erinnern, als das Tor fiel. Das Bild im Kopf kann mir bis heute keine Zeitlupe,  keine Fernsehaufnahme zerstören. Das war eben Gerd Müller. Es sah ja immer ein bisschen anders aus, wenn der kompakte Kerl den Ball als Erster am Fuß hatte, weil er dessen Flugbahn schon Lichtjahre vor allen anderen erahnt hatte. Mit seinem Instinkt.

Millionenmal ist darüber geschrieben worden, sehr oft über den „Bomber der Nation“, weniger über „Kleines, dickes Müller“, wie wir Kinder im Jahr 1974 den Gerd Müller nannten. Bomben feuerte der kleine Bayer zum Glück nicht ab, aber der große Krieg war damals noch nicht so fern wie heute. Und was wir Kinder über Müllers Figur sagten – ich war damals 9 Jahre alt – nun, wir waren Kinder.

Heute, am 3. November, wird Gerd Müller 70 Jahre alt, der Mann, der (auch) in meinem kleinen Kosmus das wichtigste Tor im Fußball geschossen hat. Das 2:1 natürlich im WM-Finale 1974. Es ist auch das wichtigste Tor im Fußballleben des Gerd Müller.

An sich konnten die Deutschen das WM-Finale gegen die starken Niederlande nicht gewinnen. Aber dann hatten sie ja auch schon gegen die noch stärkeren Polen gewonnen bei meiner ersten „richtigen“ Fußball-Weltmeisterschaft. Und nach dem Früh-Tor von Johan Neeskens war das Endspiel an sich auch nach einer Minute gelaufen, ich bin damals in der ersten Spielminute vom Sofa gerutscht. Wollte in mein Zimmer, ein paar Fußballposter von der Wand reißen. Aber das kam später, nach dem verlorenen EM-Finale 1976 und daran war Uli Hoeneß Schuld.

Aber natürlich gab es das WM-Finale 1974 auch in Farbe. Müllers Tor aus anderer Perspektive.
Aber natürlich gab es das WM-Finale 1974 auch in Farbe. Müllers Tor aus anderer Perspektive.

© dpa

Doch auch 1974 hatten meine Eltern ihre Mühe, mich zu beruhigen. Aber dann kam ja das Breitner-Tor. Und nach der gefühlt unendlichen zweiten Halbzeit war dann alles sensationell schön. Mein Gott Müller, danke.

Wir spielten das Finale nach - jeder wollte Gerd Müller sein

Weltmeister. Und das mit neun Jahren als linker Verteidiger in der E-Jugend. Wir Kinder liefen auf die Straße nach dem Finale, es war so gegen 18 Uhr. „Haste gesehen?“ fragte ich einen Nachbarsjungen. Jeder hatte, wenn auch noch meist in Schwarz-Weiß (erst Olympia 1976 fand in Farbe statt, für mich). Stolz, völlig euphorisiert waren wir.

Ansonsten war es ruhig draußen. Es war ja auch Sonntag, Public Viewing gab es erst in den Achtzigern (zum Beispiel im Tempodrom im Tiergarten bei der WM 1986), die öffentliche Deutschland-Fähnchen-Schwingerei fing erst 1990 mit dem WM-Sieg an. Am 7. Juli 1974 spielten wir zur Feier des Tages das Finale nach. Jeder wollte Gerd Müller sein.

Und jeder Knirps wollte ein paar Tage später ein Autogramm von Gerd Müller haben. Die sammelten wir damals, in selbstgebastelten Alben. Umschlag mit frankiertem Rück-Couvert.

Ein paar Wochen später bekam ich Post: Gerd Müller posierte vor irgendeinem Auto, mehr als eine halbe Werbekarte war das. Darauf prangte seine Unterschrift. Sah aus wie ein schwarzer dicker Filzstift. Sah damals schon verdammt unecht aus. Egal, gefreut habe ich mich trotzdem.

Ein Müller war mehr wert als zwei Beckenbauers (der hatte seine verschickten Autogrammkarten ja auch nicht unterschrieben). Schließlich hatte er das Tor meines (Fußballzuschauer-)Lebens geschossen. Das bleibt. Dafür ganz vielen Dank, Gerd Müller!

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