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Sport: Zurück aus dem Exil

Trainer Bill Stewart fiel schon oft unangenehm auf – die Hamburg Freezers verpflichteten ihn trotzdem

Berlin - Bill Stewart ist eine außergewöhnliche Erscheinung. Seine stechenden Augen, die stramme Haltung, selbst die Art, wie der Kanadier die Kaugummis zwischen seinen Zähnen zermalmt – all das verschafft dem Eishockeylehrer Respekt. Das betont souveräne Auftreten ist aber nur ein Teil von Stewart, mit seinen Ausrastern hat sich der 49-Jährige viele Feinde geschaffen. Eine rassistische Beleidigung, eine Prügelei mit einem gegnerischen Trainer, offensichtliche Lügen – die Liste ist lang und die einst in der National Hockey-League (NHL) begonnene Trainerkarriere des Kanadiers schien längst auf die kleine Bühne verbannt. Zuletzt coachte Stewart die Black Wings Linz in Österreich – bis er vor zwei Wochen einen Anruf aus Hamburg bekam.

Die Freezers waren in der Deutschen Eishockey-Liga (DEL) in Schieflage geraten. Und in der Not, da machen Menschen vieles: Hamburgs Sportdirektor Boris Capla entließ Trainer Mike Schmidt und nahm Kontakt mit Stewart auf. Schließlich sagt Capla, „ist Stewart fachlich top und als Trainer gereift“. Was die Reife Stewarts betraf, hatte sich Capla getäuscht. Zum Abschied in Linz inszenierte er ein für ihn typisches Possenspiel. Er bat den Klub um Vertragsauflösung: Sein Sohn habe Drogenprobleme, er müsse nach Kanada. Wilfried Wetzl, Präsident der Black Wings, zeigte Verständnis. Der Trainer könne in die Heimat reisen. „Ich sagte zu Stewart: Zwei Wochen später könnten wir dann ja die Angelegenheit noch einmal in Ruhe besprechen“, erzählt Wetzl. Stewart sagte schließlich doch die Wahrheit. Er habe in Hamburg unterschrieben – trotz laufenden Vertrages in Linz.

Inzwischen klagt Wetzl wegen Vertragsbruchs gegen Stewart. Es wird wohl wenig nützen, da sich eine Verurteilung zur Leistung aus einem Dienstvertrag nicht vollstrecken lässt. Das aber ist ein Problem der Linzer – die Freezers bekamen ein Problem, weil Stewart vor Amtsantritt in Hamburg noch unangenehm auffiel: Bei einem Spiel der Linzer in Wien beleidigte er Chris Hamilton, den dunkelhäutigen Mentaltrainer des Gegners, mit den Worten: „Go Home, fucking Nigger...“. Stewart entschuldigte sich damit, dass er sich in einer „emotionalen Ausnahmesituation“ befunden habe. Er sei kein Rassist. „So etwas wird mir nicht noch mal passieren.“

Sportdirektor Capla sagt, einen rassistischen Ausfall würde man in Hamburg nicht tolerieren. „Es gibt Dinge, die haben im Sport nichts zu suchen.“ Was Stewart im Sport schon angerichtet hat, wussten die Freezers aber: 2000 hatte der Trainer versucht, einen ukrainischen Spieler im Kofferraum von Kanada über die Grenze zu schmuggeln. Stewart bekam für sechs Jahre Einreiseverbot in den USA. In Italien war der Spieler Stewart in den Neunzigern durch brutale Fouls aufgefallen, in der DEL hatte er in den Play-offs 2001 merkwürdige Auftritte: Im Viertelfinale prügelte Stewart, damals Mannheimer Trainer, sich mit Trainer-Kollege Pavel Gross von den Berlin Capitals. Danach drängte sich der Initiator der Rauferei in die Opferrolle, schminkte sich ein blaues Auge. In der Finalserie täuschte Stewart in München eine Ohnmacht vor – in der Unterbrechung hatte sein Spieler Jan Alston genug Zeit, seine gebrochene Schlittschuhkufe auszutauschen. Mannheim wurde schließlich Meister. Capla findet: „Erfolgreiche Trainer haben eben Tricks und die Gabe, Mannschaften aufzuwecken.“ Trotzdem habe „die Sache mit Stewart zu viel Staub aufgewirbelt“. Erzürnte Hamburger Fans gaben dem Trainer den Spitznamen „Kill Bill“ und trotzdem stimmt nun die Kasse: Heute ist die Color-Line-Arena erstmals in dieser Saison ausverkauft. Spielverderber vor 13 000 Zuschauern können nur die Eisbären werden. Deren Trainer Pierre Pagé sagt: „Bill Stewart ist ein guter Trainer.“ Mehr sagt Pagé nicht und hat damit viel gesagt.

Nach drei Siegen verlor Stewart Freitag mit den Freezers 2:5 in Augsburg, die Eisbären rutschten durch ein 4:1 gegen Iserlohn vorbei auf Tabellenplatz acht. Sollten die Freezers heute ihr Firmenderby – sie gehören wie die Eisbären zum Imperium der Anschutz-Gruppe – (14.30 Uhr, live auf Premiere) verlieren, würde es wohl wieder unruhig werden. Denn viel Bonus hat Stewart nicht, seine Chefs könnten im Falle des Misserfolgs dann doch schnell mal moralisch werden.

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