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Sport: Zurück im Kreis

Wie Routinier Christian Schwarzer kurzfristig in die Nationalmannschaft rückte

Halle/Westfalen - „Hier dürfen Sie nicht parken“, herrschte ein Portier den Fahrer eines schwarzen VW Polo an. „Ich fahre ja gleich weg“, antwortete der, „ich möchte ja nur mal schnell Guten Tag sagen.“ Der Portier dürfte der Einzige im Hotel des Gerry-Weber-Sportparks gewesen sein, der Christian Schwarzer nicht sehnsüchtig erwartete. Der 37-Jährige ist zurück im Kreis der Handball-Nationalmannschaft. Anstatt um 10 Uhr mit dem TBV Lemgo zu trainieren, hatte er am Morgen seine Tasche umgepackt, etwas für ein paar Tage verstaut und war dem Ruf von Bundestrainer Heiner Brand gefolgt. „Als sich Andrej Klimovets vor dem Spiel gegen Argentinien verletzte, habe ich schon darüber nachgedacht, was jetzt passieren könnte“, erzählte Schwarzer. „Am Sonntag kurz nach 22 Uhr hat dann Heiner Brand angerufen und mich gebeten zu kommen.“ Der lange vor der WM erwogene Notfallplan war akut geworden.

Im Hotel-Foyer traf Schwarzer auf einige Spieler der polnischen Nationalmannschaft, die in den Nachrichten vom Comeback gehört hatten. „Bist du heute gegen uns dabei?“, fragte ihn Marcin Lijewski, der bei Flensburg-Handewitt in der Bundesliga spielt. Schwarzers Antwort: „Ich bin nur mal vorbeigekommen, das ist doch kein so wichtiges Spiel.“ Die Polen lachten, geglaubt haben sie ihm das natürlich nicht. Und er spielte ja auch (siehe Artikel links).

Schwarzer gehört zu den drei Routiniers, die nach Olympia 2004 in Athen zurückgetreten waren. Angesichts der Verletzungsprobleme hatte sie Brand aber noch einmal in den 20 Spieler umfassenden Kader berufen. Und als hätte er es geahnt, als sich der Bundestrainer für die WM-Vorrunde auf 16 Spieler festlegen musste, ließ er noch einen Platz offen. „Christian wird nun erst einmal diesen 16. Platz belegen“, sagte Brand. Theoretisch könnte er nach der Vorrunde noch einmal zwei Spieler austauschen. Schwarzer, den sie alle nur „Blacky“ nennen, sagt dazu: „Man muss abwarten, ob Klimovets wieder gesund wird. Die Entscheidung liegt dann beim Bundestrainer.“

Bisher war der Kreisläufer bei dieser WM als Fernsehexperte des ZDF dabei. In seinem Vertrag ist jedoch eine Klausel enthalten, die ihm den Notausstieg ermöglichte. Als er die deutsche Mannschaft bei ihren Spielen live erlebte, kam bei ihm Wehmut auf. „Der Reiz ist groß, vor eigenem Publikum eine WM zu spielen. Die WM hätten wir gern schon 2005 gehabt, aber da wurde sie ja blöderweise nach Tunesien vergeben. Weil 2004 ein Welttitelkampf in Deutschland nicht in Sicht war, bin nicht nur ich nach Olympia zurückgetreten.“ Nach 302 Länderspielen in der Nationalmannschaft, in der er sich zu den weltbesten Handballern am Kreis zählen durfte. Für Lemgo spielt Schwarzer weiter in der Bundesliga auf derart hohem Niveau, dass viele Fans sein Comeback für die WM herbeigesehnt haben. Mit seinem Charisma, seiner professionellen Einstellung und seinem Tor-Drang ist er immer noch die Nummer eins unter den deutschen Kreisspielern.

Christian Schwarzer braucht nach 825 Tagen Auswahl-Abstinenz auch keine Anlaufzeit. Die Laufwege in der Nationalmannschaft kennt er alle, und mit Regisseur Markus Baur spielt er in Lemgo zusammen. Für seine Rückkehr hat er sich die Trikotnummer 41 ausgesucht. Die trägt auch ein anderer Ballkünstler: Dirk Nowitzki.

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