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Sport: Zwei Versionen, eine Strafe

Herthas Stürmer Wichniarek wird vom DFB für zwei Spiele gesperrt

Berlin. Mal angenommen, ein Arbeitskollege krümmt sich am Boden, weil er einen Schlag auf die Brust bekommen hat – käme da jemand auf die Idee, ihn mit den Worten „Steh auf, du Sack!“ wieder zum Arbeiten zu bewegen? Andreas Neuendorf will das zu seinem Kollegen Artur Wichniarek gesagt haben, woraufhin der antwortete: „Ich krieg keine Luft, du Arschloch!“ Unglücklicherweise stand der Schiedsrichter daneben, hörte Wichniareks Worte und zeigte dem Stürmer von Hertha BSC die Rote Karte.

Vielleicht sollten die Berliner froh sein, dass Uwe Kemmling, der das Spiel beim VfB Stuttgart am Sonntag leitete, nicht auch Neuendorfs Wortwahl hörte, sonst müsste Hertha über mehr klagen als über die Strafe, die der Deutsche Fußball-Bund (DFB) am Dienstag gegen Wichniarek verhängte. Der polnische Nationalspieler wurde für zwei Bundesligaspiele gesperrt; er fehlt Hertha am Samstag gegen Freiburg sowie eine Woche später in Frankfurt. „Wir werden die Strafe akzeptieren, halten sie aber nicht für richtig“, sagte Dieter Hoeneß.

Das Problem liegt im Verhältnis zwischen Kemmling und Hoeneß, das seit dem 20. April 2002 belastet ist. Damals hatte Kemmling Dick van Burik im Spiel bei den Bayern vom Platz gestellt, Hertha verlor 0:3. Van Burik verteidigte sich, er habe sich selbst gemeint, als er sagte: „Leck mich am Arsch!“ Nicht Kemmling. Jetzt geht es wieder um kernige Worte, denselben Schiedsrichter und zwei gegensätzliche Aussagen. „Kemmling stand mit dem Rücken zum Spieler, der kann nur vermuten, wen Artur gemeint hat“, sagt Hoeneß. Der Manager will einen Brief, „ohne Polemik“, an den DFB schicken und „deutliche Verstöße“ des Schiedsrichters benennen. „Beim DFB schütteln viele über Herrn Kemmling den Kopf.“ Manfred Amerell, Mitglied im Schiedsrichterausschuss des DFB, kann diese Äußerung nicht verstehen. „Der Tatbestand der Unsportlichkeit ist gegeben. Vereine dürfen den Spielern keine Absolution für verbale Entgleisungen erteilen – und sei es gegen Mitspieler.“

Der Streit kommt Hertha vermutlich nicht ganz ungelegen, lenkt er doch vom schwachen Saisonstart mit zwei sieglosen Spielen ab. Ob es darüber hinaus allzu wahrscheinlich ist, dass Neuendorf seinen Kollegen als „Sack“ beschimpft hat oder diese Version nicht eher dazu diente, dem Kollegen, der „Arschloch“ gerufen hat, eine Ausrede zu verschaffen, bleibt fraglich. Jedenfalls fällt Wichniareks Strafe, gemessen am Vorwurf der Schiedsrichterbeleidigung, gering aus. Das lag nicht daran, dass „der DFB so seine Zweifel hatte“, wie Hoeneß glaubt, sondern daran, dass sich der Spieler später beim Schiedsrichter entschuldigt hat, sagt Amerell. Kemmling werde ganz bestimmt wieder ein Hertha- Spiel pfeifen. „Das ist kein Wunschkonzert. Sonst müssten wir schon am sechsten Spieltag Schiedsrichter aus Afrika einfliegen.“

André Görke

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