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Mit Wendung. Doch auch Skjelbred brachte Hertha am Freitag nicht den Sieg.

© AFP

Zweite Niederlage für Hertha BSC: Das ist Bundesliga

Die Fußballer von Hertha BSC werden in der Partie gegen den VfB Stuttgart zum zweiten Mal hintereinander für ihr mutiges Spiel gelobt – und gehen zum zweiten Mal leer aus an einem Bundesliga-Spieltag.

Zwei Minuten vor dem Ende war die Zeit für Balladen gekommen. Im Olympiastadion reckten die harten Burschen aus der Ostkurve ihre Schals in die Höhe und fingen an „Nur nach Hause“ zu singen. Der Spielstand verlangte eigentlich nach wilden Anfeuerungsschreien. 0:1 lag Hertha BSC zurück, die Mannschaft mühte sich mit Macht um den Ausgleich, doch eine musikalische Entsprechung in der Kurve fanden diese Bemühungen nicht. Stattdessen wurde es feierlich.

Herthas Fans feierten einen überzeugenden Auftritt ihrer Mannschaft gegen den VfB Stuttgart, sie feierten auch einen Sieg gegen die immer noch bestehenden Zweifel, ob der Aufsteiger tatsächlich den Anforderungen der Bundesliga gewachsen ist. „Das Spiel hat gezeigt, dass wir mithalten können und konkurrenzfähig sind“, sagte Fabian Lustenberger, der Kapitän des Berliner Fußball-Bundesligisten.

Das Dumme ist, dass Lustenberger das wortgleich schon nach dem Spiel zuvor gesagt hatte, nach einem 0:2 in Wolfsburg.

Nach dem Spiel gegen den VfB wies die Statistik beachtliche Werte in allen Rubriken aus: 19:8 Torschüsse, 59 Prozent Ballbesitz, 61 Prozent gewonnene Zweikämpfe – alles zugunsten Herthas. „In allen Facetten des Spiels waren wir überlegen“, sagte Trainer Jos Luhukay. In fast allen. Nach Toren hieß es: 1:0 – für den VfB.

Das ist Bundesliga.

Hertha verteidigte gegen den VfB sehr hoch

Nach dem überragend guten Saisonstart mit sieben Punkten aus den ersten drei Spielen haben die Berliner jetzt zwei Niederlagen hintereinander kassiert und dabei kein einziges Tor erzielt. Nach Herthas Vorgeschichte mit zwei Abstiegen in nur zwei Jahren wäre es nicht allzu verwunderlich, wenn eine solche Zwischenbilanz bereits leichte Sorgen auslöste. „Wir wissen alle, wie schnell es im Fußball geht“, sagte Kapitän Lustenberger. Er schien damit allerdings eher eine Minderheitenmeinung zu vertreten.

„Da denk’ ich mal positiv“, antwortete Luhukay auf die Frage, ob die aktuelle Situation nicht auch gefährlich sei. Angesichts der spielerisch überzeugenden Darbietung gegen den VfB wirken Sorgen um Herthas Fortkommen in der Tat unangebracht. Es war bemerkenswert, mit welcher Dominanz der Aufsteiger einen Gegner beherrschte, der den Anspruch hat, regelmäßig im Europapokal zu spielen, jedoch kaum aus der eigenen Defensive herausfand. „Wir haben unglaublich viel Lob bekommen“, sagte Luhukay am Tag nach dem Spiel. „Das macht den Schmerz ein bisschen erträglicher, aber für Lob allein kriegst du die Punkte nicht.“

Herthas Trainer war die Begegnung unbedingt angriffsbereit angegangen – in jeder Hinsicht. Von den fünf Mittelfeldspielern hatte allein Hajime Hosogai einen ausschließlich defensiven Auftrag. Alle anderen sollten in erster Linie nach vorne denken. Hertha verteidigte sehr hoch, mit entsprechendem Risiko und kam trotzdem aus dem Spiel heraus nie richtig in Gefahr. Auch bei seinen Personalentscheidungen erwies sich Luhukay als extrem mutig. Die beiden jüngsten Verpflichtungen – Tolga Cigerci und Per Ciljan Skjelbred – wurden sofort in die Startelf berufen, obwohl sie gerade mal ein paar Tage mit ihren neuen Kollegen trainiert hatten. „Wir wollten ihnen das Gefühl geben: Wir haben euch nicht umsonst geholt“, sagte Luhukay.

Beide rechtfertigten das Vertrauen, wobei Skjelbred den positiveren Eindruck hinterließ. „Sehr dynamisch, sehr lebhaft, sehr energisch“ hatte Luhukay den Norweger erlebt, der unmittelbar nach dem Stuttgarter Führungstreffer die erste und beste von etlichen Chancen zum Ausgleich vergab. Skjelbred hatte den Ball schon im Tor gesehen, doch dann rettete Torhüter Sven Ulreich mit einem grandiosen Reflex. „Ich versteh’ das nicht“, sagte Skjelbred. „Aber im Fußball ist es wie im Leben: Man ist nicht immer auf dem richtigen Weg.“

Grundsätzlich sieht Luhukay die Richtung immer noch als stimmig an. „Wir werden weiter versuchen, in dieser Art und Weise Fußball zu spielen“, sagte er. Der Holländer hält an seiner offensiven Denkweise fest, auch wenn das zur Folge hat, dass die Gegner sich erst einmal weit zurückziehen. „Fast wie in der Zweiten Liga“ kam sich Herthas Trainer am Freitag vor. Doch in der Zweiten Liga hätte Hertha das Spiel am Ende vermutlich noch gewonnen, und sei es durch einen Weitschuss des Brasilianers Ronny. „Schade, dass Ronny seinen linken Fuß nicht in Stellung bringen konnte“, klagte Luhukay. Immer wenn der Brasilianer es versuchte, hatte sich das enge Zeitfenster schon wieder geschlossen. Das ist eben Bundesliga.

So blieb der Eindruck, dass ein bisschen was fehlte: Entschlossenheit, Zielstrebigkeit, Durchsetzungswillen. „Wir hatten heute die Lösungen in den Möglichkeiten“, sagte Luhukay, „aber nicht in Toren.“

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