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Sport: Zweiter Ritt, zweiter Sieg Isabell Werth

gewinnt nach dem WM-Titel mit dem Dressur-Team auch den Grand Prix Special

Isabell Werth hatte es versprochen. „Anky und ich sind wieder auf Augenhöhe, und ich werde sie in Zukunft öfter kitzeln“, hatte die deutsche Dressurreiterin gesagt. Das war untertrieben. Am Freitag, im Wettkampf um die erste Einzel-Dressurmedaille bei den Weltreiterspielen in Aachen, griff Isabell Werth an. Das Stadion tobte, als sie einritt – weil ihre Konkurrentin, die Niederländerin Anky van Grunsven, gerade ihre Runde mit 77,8 Prozentpunkten beendet hatte und führte. Uneinholbar? Ach was. Voll auf Angriff ritt Isabell Werth, ließ ihren Satchmo riesige Tritte in den Seitengängen machen. Auf den elektronischen Tafeln, die nach jeder Lektion anzeigen, wie viele Punkte die Richter vergeben, spielte sich ein Krimi ab. Lektion Traversale, der Seitengang im Trab: von allen Richtern bekam Werth acht Punkte, das machte in diesem Moment den ersten Rang. Dann, Sekunden später, die nächste Lektion und ein Raunen: Achter und Siebenen geben die vier Richter für die Galopptraversalen, wieder zweiter Rang. Ein „Oh!“ hallte von den Rängen. So ging es hin und her, minutenlang. Dann die Endnote: 79,2 Prozent, die Siegesnote! Das konnte auch Nadine Capellmann, die letzte Starterin, nicht mehr einholen.

Und somit heißt die erste Weltmeisterin im Grand Prix Special Isabell Werth. Denn es ist das erst Mal überhaupt, dass Grand Prix (Nationenwertung), Grand Prix Special und Kür einzeln gewertet werden, und nicht die Ergebnisse der Prüfungen, also von drei Tagen Wettkampf, zusammengerechnet werden. Das hatte der Weltreiterverband FEI im Frühjahr bestimmt, um es spannender zu machen.

Isabell Werth standen auch eine knappe halbe Stunde nach dem Sieg noch Tränen in den Augen. „Es ist unglaublich. Das war nahezu perfekt, und gerade, dass es Satchmo war, freut mich so sehr“, sagte sie, immer wieder stockend. „Ich bin so emotional mit ihm verbunden, das kann man sich gar nicht vorstellen.“ Der braune Wallach hatte über lange Zeit in Prüfungen gepatzt, und Isabell Werth hatte alles Mögliche ausprobiert, um herauszufinden, was Satchmo so schwierig macht. Und jetzt dieser Erfolg. „Ich wusste immer, er ist das beste Pferd, dass ich habe“, sagte sie. „Als ich meinem Vater erzählt habe, dass ich auf den Weltreiterspielen doch Satchmo reite, weil Hannes sich verletzt hatte, hat der nur gesagt: Das ist Fügung.“ Das Dressurkomitee hatte sie ursprünglich mit dem inzwischen verletzten Pferd Warum nicht nominiert – Hannes ist der Spitzname von Warum nicht.

Bronze bekam gestern der Däne Andreas Helgstrand mit 76,560 Prozent. „Isabell war heute so gut, Respekt!“, sagte die strahlende Zweite Anky van Grunsven, und das Stadion johlte. Die Niederländerin wirkte nicht mehr so angespannt wie noch an den Tagen zuvor. „Diesmal war ich auch zufrieden mit mir“, sagte sie. Sie spielte damit auf den Mannschaftswettbewerb von Mittwoch an. Sie war zuvor besorgt, dass ihr Pferd Salinero in der Arena nervös werden könnte – bei der Mannschafts-Siegerehrung hatte sich der Hengst so vor dem Applaus gefürchtet, dass er durchging. „Danach zitterte er überall“, erzählte van Grunsven, „aber ich konnte gestern Abend zum Glück noch mal in die Arena, bei Flutlicht, und ihm so das Vertrauen wiedergeben.“

Ein Außenseiter fiel gestern im Special besonders auf: Andreas Helgstrand. Mit dem Dänen, der Bronze erritt, und schon im Mannschaftswettbewerb überzeugt hatte, hatte vor der Weltmeisterschaft kaum jemand gerechnet, er selbst allerdings schon. „Ich wusste immer, dass ich eines der besten Pferde der Welt habe“, sagte Andreas Helgstrand über seine mächtige Schimmelstute mit dem Namen Matine. „Ich musste nur zeigen, was sie kann.“ Nicht nur der Däne war eine der positiven Überraschungen am gestrigen Nachmittag in Aachen: Auch der Wahl-Amerikaner Steffen Peters zeigte eine sehr ansprechende Vorstellung. Der Schüler von Klaus Balkenhol, der in Wesel am Rhein geboren wurde und 1986 den Sprung nach Kalifornien gewagt hatte, erritt sich sauber 75,2 Prozent und landete auf dem vierten Platz.

In der Dressur mischen immer mehr Nationen mit – und das macht sie spektakulärer, momenthafter. Das zeigt diese Weltmeisterschaft in Aachen. „Die Qualität der Pferde wird von WM zu WM besser“, sagte gestern FEI-Präsidentin Mariette Witthages. Es war aber beim gestrigen Wettbewerb auch häufig ein Raunen auf den Tribünen zu hören, denn verspannte Rücken und zu kurze Schritte überforderter Pferde wurden nicht nur vereinzelt gesichtet. Das sind Zeichen für unsolide und damit ungesunde Ausbildung.

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