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Sport: Zwischen Stolz und Guillotine

Kaiserslautern siegt und plant die nächste Krisensitzung

Kaiserslautern. Der Mann ist ein Multitalent. Eine Mischung aus Schlitzohr, Daueroptimist, Diplomat, der, wenn nötig, die Henkersmütze überzieht, Gehälter kürzt und Banken die Pistole auf die Brust setzt. Und er ist ein Spaßvogel. „Wenn bei uns einige Leute sagen, sie sähen das Licht am Ende des Tunnels, dann sage ich, woher wissen die, dass es kein LKW von der anderen Seite ist.“ René C. Jäggi, der Vorstandsvorsitzende des 1. FC Kaiserslautern, fühlt sich wohl in seinen vielen Rollen. Woher der Schweizer seine Gelassenheit im Abstiegskampf und im Finanzchaos nimmt, das weiß keiner genau.

Solche Momente wie die nach dem 2:0-Sieg über den Hamburger SV aber weiß er bestens zu nutzen. Er sei zum ersten Mal stolz, den gleichen Pass zu haben wie dieser Ciriaco Sforza, den die 35 000 Zuschauer am Betzenberg erst auspfiffen und am Ende feierten. „Wir Schweizer werden belächelt, im Ausland müssen wir immer mehr leisten als andere“, sagte Jäggi. Sie kokettieren gerne, die Schweizer.

Sforza spielt nach seinen vollmundigen Sprüchen („Wo ich bin, ist Erfolg“) derzeit lieber den geläuterten Angestellten. Fast peinlich war es ihm, als ihn Trainer Erik Gerets zum „besten Mann auf dem Platz“ erkor. Verlegen senkte Sforza den Blick. „Das stimmt nicht. Es war die Mannschaft“, sagte er. Vier Wochen hatte er nicht gespielt. Sein Berater Martin Wiesner kassierte 850 000 Euro Provision für Sforzas Wechsel in die Pfalz, der Kicker selbst ein stolzes Gehalt und einen Anschlussvertrag als Sportdirektor im Wert von einer Million Mark. Das war zusammen mit Sforzas lausigen Leistungen eine unheilvolle Mischung, die ihn beim Fußballvolk alsbald als Abzocker brandmarkte. „Ich habe einen Reifeprozess durchgemacht und heute meine Antwort gegeben“, sagte Sforza nach den Toren von Vratislav Lokvenc und Miroslav Klose. „Wenn man von der ersten Minute an das Spiel in die Hand nimmt, zeigt das Charakter. Ich wusste, ich muss das 90 Minuten lang machen“, sagte Sforza.

Sforza: „Das war mein bestes Spiel“

Genau das tat er. Zum ersten Mal, seitdem er da ist. Früher stand der Mittelfeldspieler lieber wie ein Bewegungsmuffel dirigierend in der Gegend herum und ließ die Kollegen springen. „Das war mein mit Abstand bestes Spiel", sagte er am Samstagabend. Sein Trainer Erik Gerets hat somit alles richtig gemacht, als er Mario Basler und Sforza auf die Bank verbannte, weil die auf dem Spielfeld stritten, wer wo am besten wirkt. Es folgten vier Spiele ohne Niederlage und der Einzug ins Halbfinale des DFB-Pokals. Natürlich ist in der Pfalz nun nicht alles in Ordnung. „Wir sind da unten noch nicht draußen“, sagte Miroslav Klose. „Der Sieg und mein Tor waren wichtig. Für mich und für den Verein“, sagte Klose. Schließlich sind sie trotz der drei Punkte noch Tabellenletzter.

Gerets und Jäggi drücken sich drastischer aus. „Wenn wir heute verloren hätten, wären wir weg gewesen“, sagte Gerets. Und Jäggi fügte hinzu: „Ohne Sieg hätten wir für eine andere Liga planen können.“ Jäggi hat bewusst nicht Zweite Liga gesagt. „Dafür bekommen wir angesichts der Verträge, die für die Zweite Liga gelten, keine Lizenz.“ Die Krisensitzung am Mittwoch wird für den Klub so wichtig wie der Klassenerhalt. Banken, Stadt und Land sollen das Stadion übernehmen, auf alte Forderungen in zweistelliger Millionenhöhe verzichten. In der Sache spielt Jäggi den kalt lächelnden Henker. „Es ist ein Ritt auf der Rasierklinge. Die Guillotine ist aufgestellt“, sagt er. „Die Zeit wird knapp.“ Am 15. März müssen die Lizenzunterlagen eingereicht werden. „Alle wissen, es gibt nur Sanierung oder Insolvenz.“ Die potenziellen Retter aus den Banketagen, den Rat und Regierungshäusern ließ Jäggi die Angst spüren, wenn nach einem Scheitern ihre Bilder groß in den Zeitungen leuchten und darüber steht, sie hätten den FCK sterben lassen.

Mitten im Durcheinander stehen ohnmächtig die FCK-Profis. Verloren wirkte Markus Anfang, als er sagte: „Was sollen wir tun, wir können nur Fußball spielen.“ Es klang wie eine Selbstanklage, denn lange genug hatten sie nicht einmal das getan.

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