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Brandenburg: Staatsanwalt: Jugendlicher wurde „viehisch“ ermordet

Drei junge Rechtsextreme folterten den 17-jährigen Marinus S. zu Tode

Potzlow. „Die Einzelheiten der Tat sind so grausam, dass ich sie auch nicht ansatzweise schildern kann. Es war viehisch.“ Selten verschlägt es den Chef der Neuruppiner Staatsanwaltschaft Gert Schnittcher die Sprache. „Gewalttaten sind nichts Besonderes mehr. Aber hier handelt es sich um eine neue Dimension, noch dazu aus niedrigem Beweggrund.“ Er überfliegt das „erschreckende“ Vernehmungsprotokoll von zwei 17-jährigen Schülern. Der Haftrichter ordnete am Dienstag Untersuchungshaft an. Die beiden Schüler sind verdächtigt, zusammen mit einem 23-jährigen Gerüstbauer den seit Mitte Juli vermissten Marinus S. gefoltert und so lange traktiert haben, bis dieser kein Lebenszeichen mehr von sich gab. „Anschließend verscharrten sie die Leiche in einer seit Jahren nicht mehr benutzten Jauchegrube, wo sie am Wochenende entdeckt wurde“, sagte Oberstaatsanwalt Schnittcher.

Leichter Nebel umhüllte gestern das kleine Potzlow in der Nähe von Prenzlau. Menschen sind kaum unterwegs. Wenn doch, winken sie auf die Fragen des Reporters ab und verschwinden in den Häusern. Nur mühsam lässt sich das Geschehen am 12. Juli 2002 in dem Dorf rekonstruieren. In einer Wohnung trafen sich am Abend dieses Sommertages sechs bis sieben Jugendliche. Sie hörten laute Musik und leerten zwei Bierkästen. Streit kam auf, der sich bald um das Aussehen des späteren Opfers drehte. Dieses trug blondierte Haare und weite Hip-Hop- Hosen, womit der Junge offenbar nicht dem Weltbild der drei Anhänger der rechten Szene entsprach. „Jude“, schrie einer und bald flogen die ersten Fäuste.

Die jetzt unter Tatverdacht stehenden beiden 17-jährigen Jungen und der 23-Jährige traten auf den Beschimpften ein und zwangen ihn schließlich, sich auf die Stange des Fahrrades eines der Beschuldigten zu setzen. Ziel der Fahrt war die am Dorfrand liegende frühere LPG, die schon lange leer steht. In einem Stall begann die erneute Tortur, die das Opfer nicht überlebte.

Als Marinus S. in der Nacht nicht heimkehrte, gaben die Eltern sofort eine Vermisstenanzeige auf. Die Polizei startete eine Suchaktion, die kein Ergebnis brachte. Erst am vergangenen Wochenende plauderte einer der Tatbeteiligten im Kreis der Dorfjugend. Er prahlte damit, dass er den Ort der Leiche kenne. Eine größere Gruppe aus Jugendlichen und Kindern machte sich auf den Weg zur Jauchegrube und stieß nach einiger Zeit tatsächlich auf das Skelett. Die Polizei nahm die beiden Verdächtigen fest. Der 23-Jährige sitzt bereits im Gefängnis, weil er am 17. August – rund vier Wochen nach der Tat in Potzlow – einen afrikanischen Asylbewerber brutal niedergeschlagen hatte.

„Die drei Verdächtigen gehören einer extrem rechtsradikalen Szene an“, sagte Oberstaatsanwalt Schnittcher. Die beiden 17-Jährigen wohnten noch bei ihren Eltern. Opfer und Täter, so die bisherigen Ermittlungen, kannten sich schon lange. Potzlow wird in den nächsten Wochen wohl kaum zur Ruhe kommen. Denn auch die Party-Gäste müssen sich den Fragen stellen, warum sie bei der ersten Attacke nicht eingegriffen und vor allem danach so eisern geschwiegen haben.

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