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Tim Tanneberger, Küchenchef im eins44 in Neukölln gart den Süßwasseraal sous-vide.

© Mike Wolff, istock

Star der Saison: Der Süßwasseraal

Er ist eine Rarität, ein kostbarer und auch gefährdeter Fisch - der Süßwasseraal. Tim Tanneberger, Küchenchef im "Eins44" in Neukölln, hat ihn sous-vide gegart.

Von Susanne Leimstoll

Dieser Speisefisch ist ein Juwel. Rar und nichts für den täglichen Genuss. Aale zählen zu den gefährdeten Arten, die Fangzeit endet im April. Spätestens im Herbst beginnen die Tiere eine jahrelange Wanderung aus hiesigen Gewässern zu den Laichgründen in der atlantischen Sargassosee östlich von Florida. Im Salzwasser werden aus Larven durchsichtige Fischchen, die Glasaale, die sich wieder auf die jahrelange Reise ins Süßwasser zu muckeligen 24 Grad Wassertemperatur machen.

Früh werden sie ausgebremst und dezimiert: durch unüberwindbaren Hochwasserschutz, durch Umweltgifte. Mehr als zehn Jahre kann es dauern, bis ein Aal sich vier Pfund schwer gefressen hat. Nach deutschen Fangregeln muss er mindestens 50 Zentimeter messen. 500 Gramm wiegt ein verwertbares Tier, filetiert reicht das für zwei kleine Portionen, der Kilopreis liegt bei etwa 28 Euro. „So kostbar wie ein Krebs oder ein Stör“, sagt Reinhard Köllnick, 65, seit 50 Jahren Fischer auf der Dahme- und der Storkower Gewässerstraße. Er setzt alle Jahre Glasaale ein, fängt die erwachsenen Tiere ausschließlich mit Reusen, in die sie von selbst schwimmen und schwört darauf, dass man am Geschmack merkt, ob ein Tier sich natürlich entwickeln, ob es im offenen Wasser Mückenlarven, Würmer und Krebstierchen vertilgen konnte. „Das Fleisch ist dann rötlich, das vom Farmaal dagegen durchweg weiß und rot nur an der Niere und Schwanzspitze.“ Vor der Wende hat er manchmal mehr als fünf Tonnen Aale im Jahr aus dem Wolziger See geholt. Heute sind es maximal 200 Kilo – wegen eines sich ständig vermehrenden Räubers, des Kormorans.

Der Waldpilz harmoniert mit dem vollmundigen Geschmack des Aals

Lange hat Tim Tanneberger, Küchenchef des „Eins44“ in Neukölln, gezögert, Aal auf die Karte zu setzen. Dann hat er Köllnick, der auch Forelle, Saibling und Zander fischt, und seine Philosophie der Nachhaltigkeit kennengelernt. Mit „gutem Gewissen“ und „in Maßen“ lässt Tanneberger Aal nun als saisonale Spezialität servieren. Die Idee, ihn mit Kräuterseitling zu kombinieren, hatte er auf einer Reise von der Nordsee nach Italien, inspiriert von Flüssen, Seen, Wäldern. Der Waldpilz harmoniert mit dem vollmundigen, vollfetten Geschmack des Aals. Tanneberger gart den Fisch sous-vide in einem Gemüsefond mit Weißwein, roten Zwiebeln, Knoblauch, Sojasauce und Räucheraal. Portioniert in Butter gebraten, wird daraus, mit etwas Fond glasiert, ein Glanzstück auf dem Teller.

Das Rezept

Kräutersaitling Aal Kaffee-Papadam (für 10 Personen)

Steinpilz-Aal-Sud

1kg Kräuterseitlinge

250g rote Zwiebeln

2 Knoblauchzehen

45g Butter

100ml Weißwein

1,5l Gemüsefond

90g Sojasauce

30g Zitronensaft

10g Salz

130g Räucheraal

1. Klein geschnittene rote Zwiebeln mit Farbe anbraten, Butter und Knoblauch hinzugeben, kurz mitbraten und mit Weißwein ablöschen. Reduzieren und zerkleinerte Seitlinge dazugeben.

2. Mit Gemüsefond und Sojasauce aufgießen und auf 1,2l reine Abtropfflüssigkeit reduzieren (berechnet ohne die verkochten Pilze).

3. Zitronensaft, Salz und Räucheraal hinzugeben, 30 Minuten ziehen lassen, dann abpassieren. Beim Sous-vide-Garen kommt 350g kalter Fond auf 500g Aal. Das Ganze 20 Minuten unter 75 Grad Dampf setzen.

Zwischengang: Kräuterseitling, Aal, Kaffee-Papadam
Zwischengang: Kräuterseitling, Aal, Kaffee-Papadam

© Mike Wolff

Kräuterseitlingpüree

100g Kräuterseitlinge

200g Zwiebeln

200g Milch

Zitronenthymian

Knoblauch

1/2 TL Xanthan

1. Zwiebeln anbraten, Seitlinge und Milch hinzugeben und reduzieren, bis sich eine dickflüssige Sauce bildet.

2. Zitronenthymian, Knoblauch und das Xanthan hinzugeben und mixen.

Waldhonig-Vinaigrette

40g Waldhonig, 100g Verjus, 60g braune Butter, 1 Msp. Xanthan

1. Alle Zutaten warm mit ein bisschen Salz und Xanthan mixen.

Kaffee-Papadam

20g Kaffeeöl

150g Weizenmehl

50g Roggenmehl

4g Malzpulver

110g Wasser

8g Salz

1. Zutaten zu einem geschmeidigen Teig verkneten.

2. Diesen vakumieren und eine Stunde ruhen lassen. Dann sehr dünn pfannengroß ausrollen und gut trocknen lassen.

3. Frittieren, mit Kaffeeöl bestreichen und zu Chips zerbrechen.

Eingelegte Kräuterseitlinge

400ml Portwein rot

650g Essig

750g Riesling

160g Zucker

2l Wasser

4,5g Pfeffer

1,5g Wacholder

3,5g Piment

1g Nelke

3g Zimt

30g Maldon Sea Salt

8g Salz

1. Portwein, Essig, Zucker und Riesling auf einen Liter reduzieren.

2. Die restlichen Zutaten da-zugeben und auf zwei Liter reduzieren.

3. Kräuter-seitlinge dazugeben und zwei Minuten mitkochen.

Anrichten

Vom Seitlingpüree eine Nocke abstechen und platzieren. Drei eingelegte Kräuterseitlinge entlang der Nocke legen. Kaffee-Papadam als Chips aufrecht ins Püree stecken, dazwischen aufgehobelte rohe Kräuterseitlinge und eventuell frische Majoranblättchen. Gebratene Seitlinge im Zickzackmuster anordnen. Marinade am besten aus der Portionsflasche drüberfließen lassen. Ein Stück gegarten Aal in kleinem Abstand solo dazulegen. Das Ganze mit frisch gemahlenem Kaffeepulver bestreuen.

Dieser Beitrag ist zuerst auf den Seiten "Mehr Genuss" in der Tagesspiegel-Ausgabe vom 27.1.2018 erschienen. Mehr Genuss finden Sie auf unserer Themenseite.

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