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Stasi-Beauftragte: Alle stimmen für Poppe

Erste Stasi-Beauftragte Brandenburgs ist gewählt. Ulrike Poppe, die frühere DDR-Bürgerrechtlerin wird sich in Zukunft um die Belange kümmern. Das Land will Überprüfungen auch nach 2011.

Zwanzig Jahre nach der friedlichen Revolution hat Brandenburgs erstmals eine Stasi-Beauftragte. Der Landtag wählte am Donnerstag einstimmig die frühere DDR-Bürgerrechtlerin Ulrike Poppe in das Amt, das Brandenburg als letztes ostdeutsches Land doch noch eingeführt hat. Die 56-Jährige war von der rot-roten Regierung nominiert und von der „Jamaika-Opposition“ aus CDU, FDP und Grünen unterstützt worden. Poppe sei eine „hochkompetente und kluge Frau“, die differenziert beurteile, sagte Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) nach der Abstimmung. Sie könne zu „wirklicher Aufarbeitung“, zu einem offeneren Klima im Umgang mit der Vergangenheit beitragen, Gräben überwinden helfen, sagte er.

Poppe selbst wertete das überraschend klare Votum als Unterstützung für das schwierige Amt, das sie im Februar 2010 antreten wird. Sie sei vor dem „eisigen Wind in Brandenburg“ gewarnt worden, den sie jedoch nicht vorgefunden habe. Sie werde Opfer des SED-Regimes, aber auch Institutionen beim Umgang mit belasteten Mitarbeitern beraten, Aufklärungsarbeit an Schulen leisten. Sie werde keine Stasi-Belasteten jagen, sagte sie: „Ich will eine Atmosphäre, in der offen und vorbehaltlos über Erfahrungen in der Diktatur gesprochen werden kann“. Bei der späteren feierlichen Unterzeichnung ihres Vertrages kam es zu einem Zwischenfall. Eine ältere, unbekannte Frau platzte in den Raum, bezeichnete Poppe als „Strohfrau“ und warf Platzeck vor, mit der „Stasi-zersetzten Landesregierung alle Achtung verspielt“ zu haben, und verschwand wieder. Poppe reagierte „mit Verständnis“. Es zeige, wie wichtig Opferberatung sei.

Die Wahl Poppes zur Stasi-Beauftragten wurde allgemein begrüßt. Es sei eine „hervorragende Wahl“ erklärte etwa die Stasi-Bundesbeauftragte Marianne Birthler: Es sei „ein ermutigendes Zeichen für viele in Brandenburg, denen es bisher beim Thema DDR-Vergangenheit an Wahrheit und Klarheit fehlte“.

Nach den rot-roten Stasi-Erschütterungen fasste das Parlament ebenfalls einstimmig einen Beschluss, wonach sich Brandenburg im Bund dafür einsetzt, dass Abgeordnete und Regierungen auch über 2011 hinaus bei der Birthler-Behörde überprüft werden können. Die bisherigen Regelungen laufen aus. Der auch von Rot-Rot unterstützte Antrag kam von der CDU-Opposition. Gegenstimmen gab es keine. Bei den Linken, wo jüngst bekannt gewordene Stasi-Verstrickungen von Abgeordneten die Koalition in eine Krise gestürzt hatten, enthielten sich drei Abgeordnete.

Der Umgang mit den Stasi-Erbe sorgt dennoch weiter für Streit. Die CDU hielt Platzeck zweierlei Maß vor: Es sei unangemessen, kritisierte Vize-Fraktionschefin Saskia Ludwig, dass Platzeck alles auf „kleine Fische“, nämlich die Linke-Abgeordneten Gerd-Rüdiger Hoffmann und Renate Adolph, schiebe. Weil sie ihre frühere IM-Tätigkeit verschwiegen hatten, trat Adolph zurück, wurde Hoffmann aus der Fraktion ausgeschlossen. CDU-Fraktionschefin Johanna Wanka warf Platzeck „unverantwortliches Wegducken“ vor, weil er sich nicht zum Fall der Ex-Vizepräsidentin Gerlinde Stobrawa äußern wollte, die ihr Landtagsmandat behalten will. Platzeck hatte dies zuvor mit der Gewaltenteilung und der regulären Stasi-Überprüfung des Parlamentes begründet sowie vor „Schwarz–Weiß-Schemata“ gewarnt. Thorsten Metzner

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