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Brandenburg: Stein für Stein zum Schloss

Koalition für Landtagsbau in Potsdams Mitte mit historischer Fassade – von der noch viele Teile existieren

Potsdam - Die SPD-CDU-Regierungskoalition will das geplante neue Landtagsgebäude auf dem Alten Markt von Potsdam errichten. Und zwar auf dem Grundriss und mit der historischen Fassade des von der SED 1960 gesprengten Stadtschlosses. Das sieht eine gemeinsame Vorlage für den Landtag vor, die dem Tagesspiegel vorliegt und heute von beiden Fraktionen beschlossen werden soll. Der neue Landtag wird laut Beschlussvorlage die Kapazität für das Parlament eines gemeinsamen Bundeslandes Brandenburg-Berlin haben. Begründet wird der Neubau damit, dass das derzeitige Provisorium auf dem Brauhausberg „nach Zustand, Technik und Zuschnitt nicht mehr die Mindestvoraussetzungen für die Arbeit eines Parlaments“ erfülle.

Der Neubau soll bis 2011 fertiggestellt sein und 90 Millionen Euro kosten. Hinzu kommen rund 15 Millionen für die historische Fassade, die jedoch nicht der Steuerzahler aufbringen soll. Laut Vorlage soll der aufwändige Figurenschmuck samt Attika „über Spenden realisiert werden“. Die Baustelle soll zudem nach dem Vorbild von Dresdner Frauenkirche und Potsdamer Platz in Berlin „werbewirksame und bürgernahe Schaustelle sein, um für das Projekt auf optimale Weise Unterstützung zu gewinnen“. Allerdings gibt es wegen der schlechtten Stimmung in den Randregionen bei einigen SPD-Abgeordneten noch Vorbehalte gegen die Schloss-Fassade.

Der TV-Moderator Günther Jauch sagte zu den Koalitionsplänen: „Ich freue mich, wenn die Abgeordneten nach jahrelangen Debatten jetzt den Mut aufbringen und eine weitsichtige Entscheidung treffen.“ Diese sei „gut und richtig“, sagte Jauch dem Tagesspiegel. Der prominente Wahl-Potsdamer hat bereits den Wiederaufbau des Fortuna-Portals – den Eingang des im Krieg beschädigten und von der SED 1960 gesprengten Stadtschlosses – aus eigenen Mitteln finanziert.

Auch der Vorsitzende des Fördervereins für den Wiederaufbau des Stadtschlosses, Michael Schöne, zeigte sich zufrieden. Er sei zuversichtlich, dass die Mehrkosten für den Fassadenschmuck komplett durch Spenden aufgebracht werden können. „Viele Spender stehen in der Warteschleife, einige wollen sechsstellige Beträge für die historische Fassade geben“, sagte Schöne dem Tagesspiegel. Sogar aus Amerika hätten sich alte Potsdamer gemeldet. „Sie warten nur auf das Signal des Landtages.“

Nach Tagesspiegel-Recherchen könnten die Fassaden-Mehrkosten möglicherweise sogar noch gesenkt werden: Denn viele Fassaden-Teile sind nach der Sprengung im Januar 1960 von Historikern und Denkmalpflegern in Sicherheit gebracht worden. Deshalb ist von der Schlossfassade weitaus mehr erhalten als allgemein bekannt. Die Kustodin in der Schlösser-Stiftung und Stadtschloss-Expertin Saskia Hüneke bestätigte, dass allein die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg über 700 Fragmente aufbewahrt. Weitere über 2000 Fragmente lagerten bei der unteren Denkmalschutzbehörde in Potsdam. „80 Prozent der Schlossfassade, die dem Alten Markt zugewandt war, sind erhalten“, sagt Hüneke. Auch vom Innenhof des Schlosses seien damals Fassadenteile gerettet worden.

Selbst vom aufwändigen Figurenschmuck der Fassade ist ein großer Teil noch vorhanden: Von einst 76 Skulpturen seien 17 ganz und weitere 17 teilweise erhalten. Manche können sogar besichtigt werden: Auf der Attika der Humboldt-Universität in Berlin stehen insgesamt acht Figuren, die einst das Potsdamer Stadtschloss krönten. Sie wurden der Uni nach der Vernichtung des Stadtschlosses als „Dauerleihgabe“ überlassen. Wissenschaftsministerin Johanna Wanka (CDU) sagte dem Tagesspiegel, sie erwarte, dass die Figuren beim Wiederaufbau der historischen Fassade „selbstverständlich von Berlin“ zurückgegeben werden. „Schließlich wird in dem Schloss nach der Länderfusion der gemeinsame Landtag tagen.“

Die Sanssouci-Kustodin geht im Übrigen davon aus, dass sich noch viele weitere Schloss-Fragmente in privatem Besitz befinden. Wie die Denkmalpflege hätten 1960 auch private Bürger Schmuckelemente aus den Trümmern geholt. Deshalb glaube sie, dass die Entscheidung für die Schlossfassade vor einem ansonsten modernen Landtag „eine Rückgabe-Bewegung auslösen wird“. Erst jüngst habe eine Potsdamerin eine Skulptur zurückgegeben. „Es gibt noch viel Originalsubstanz, auch deshalb macht die historische Fassade Sinn“, sagt Hüneke. „Ihre Schönheit wird für sich sprechen.“

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