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Brandenburg: "Straftat an Brutalität kaum zu überbieten"

Punk totgetreten: Siebeneinhalb Jahre Haft für Sascha L. VON FRANK JANSEN Potsdam.

Von Frank Jansen

Punk totgetreten: Siebeneinhalb Jahre Haft für Sascha L. VON FRANK JANSEN

Potsdam.Die Tötung des Punks Sven Beuter bringt den Rechtsradikalen Sascha L.für siebeneinhalb Jahre hinter Gitter.Die Jugendkammer des Landgerichts Potsdam halte den früheren Skinhead für schuldig, sein Opfer "im wahrsten Sinne des Wortes zu Tode getrampelt" zu haben, begründete der Vorsitzende Richter, Klaus Przybilla, das Urteil.Sascha L.hatte Beuter, wie berichtet, am späten Abend des 15.Februar in Brandenburg/Havel derart geschlagen und getreten, daß der Punk fünf Tage später seinen schweren Verletzungen erlag.Das Gericht bewertete die Tat wie die Staatsanwaltschaft als Totschlag.Der Pflichtverteidiger von Sascha L.deutete an, sein Mandant könnte wegen des hohen Strafmaßes Revision beantragen. Sascha L.nahm das Urteil äußerlich ruhig auf.Weder er noch die im Saal anwesenden Verwandten wollten sich äußern.Ein Skinhead-Kumpel von L.sowie Mitglieder der Antifa-Szene zeigten ebenfalls kaum Reaktionen.Richter Przybilla fiel die Begründung des Urteils offenbar schwer - angesichts der Erinnerung an die geschilderte exzessive Gewalt stockte er mehrmals."Diese Straftat gehört zu denen, die an Brutalität kaum zu überbieten sind," so Przybilla.Daß der 21jährige L.eine "diffuse faschistische Weltanschauung verinnerlicht" habe, führte der Richter auf die harte Kindheit zurück: "Die Kammer hat festgestellt, daß Ihr Vater für Ihre Gewaltbereitschaft und Ihren Werteverlust Modell gestanden hat." Der Vater hielt sich bei der Urteilsbegründung die Hände vor den Kopf.Während der Verhandlung wurde bekannt, daß er seinen Sohn strammstehen ließ und zu Liegestützen zwang, wenn dieser in der Schule Probleme hatte.Das war offenbar die Regel, da Sascha L.an einer Lese- und Rechtsschreibschwäche litt.Die Aussagen von L., einem Nervenarzt sowie einem Jugendgerichtshelfer im Prozeß fügten sich zur fast schon klischeehaften Biographie eines Täters, der aufgrund seiner schweren Jugend zwangsläufig zum Schläger werden mußte."Der enorme Erziehungsbedarf ergibt sich aus der Tat, der brutalen Tatausführung und dem jahrelangen Alkoholmißbrauch", meinte Richter Przybilla jetzt."Wir hoffen, daß ein therapeutisch angelegter Strafvollzug die Fehlentwicklung korrigieren kann." Die Person des Opfers blieb eher blaß.Der 23 Jahre alte Beuter sei als "vorgeschädigter Invalide" dem Skinhead "hoffnungslos unterlegen" gewesen, sagte Przbilla.Aus den Vernehmungen ging hervor, daß der Punk nur 48 Kilo wog und 1,65 Meter groß war.Das Untergewicht wurde vom Gericht als Folge einer schweren Verletzung angesehen.Beuter war nach Informationen des Tagesspiegels 1993 schon einmal Opfer eines Angriffs.Damals soll ihm ein Skin gegen den Kopf geschlagen und getreten haben.Der Punk behielt eine leichte geistige Behinderung zurück und konnte seinen rechten Arm kaum noch bewegen.Daß Beuter Sascha L.provoziert haben könnte, "schließt die Kammer aus", folgerte jetzt der Vorsitzende Richter."Der Tat ist eine vom Angeklagten ausgehende verbale Auseinandersetzung vorausgegangen," so Pryzbilla.Der Angeklagte habe Sven Beuter als Punk erkannt und "in einem gereizten affektiven Zustand im wahrsten Sinne des Wortes totgetreten." Sascha L.habe sich "lediglich" wegen Totschlags zu verantworten, da "niedere Beweggründe nicht mit der nötigen Sicherheit nachgewiesen werden konnten", meinte Pryzbilla.Er hielt dem Rechtsradikalen ein Teilgeständnis zugute.Außerdem habe er zur Tatzeit 2,25 Promille im Blut gehabt und sei nur "eingeschränkt steuerungsfähig" gewesen.Warum L.den halbtoten Punk hinter sich herschleifte, ob er ihn zu den in der Nähe des Tatorts wohnenden rechten Freunden schaffen wollte - diesen Fragen wurde im Prozeß nicht nachgegangen.Staatsanwältin Laggies meldete sich fast nie zu Wort; Richter Przybilla zog die Verhandlung "im Sinne eines beschleunigten Verfahrens" innerhalb von drei, statt wie vorgesehen vier Tagen durch.Daß Sven Beuter im Prozeß wie offenbar auch zu Lebzeiten nur eine Randfigur war, ließ schon ein Detail vermuten: Niemand, weder eine Freundin noch einer seiner Verwandten, hatte eine Nebenklage angestrengt.

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