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Brandenburg: Streit um Immobilie: "Volksaufstand" gegen Schlossherren

So ganz genau weiß der Wirt vom Marquardter "Alten Krug" noch nicht, wie er den Menschenauflauf vorm Schloss bezeichnen soll. Husarenstück, Revolte, Demokratie oder gar Volksaufstand?

So ganz genau weiß der Wirt vom Marquardter "Alten Krug" noch nicht, wie er den Menschenauflauf vorm Schloss bezeichnen soll. Husarenstück, Revolte, Demokratie oder gar Volksaufstand? Hans-Joachim Czada erzählt mit unverkennbarer Genugtuung über die nicht alltägliche Aktion. "Ich hätte nie gedacht, dass wir 100 Leute zusammenbekommen", sagt der stellvertretende Bürgermeister. "Im Handumdrehen hatten wir das Schloss besetzt und die illegalen Eindringlinge vertrieben."

Die spontane Besetzung des westlich von Potsdam gelegenen Schlosses am Schlänitzsee ist vorläufiger Höhepunkt eines jahrelangen Streits. Denn es gibt zwei Gesellschaften, die sich als Eigentümer des einstmals beliebten Ausflugszieles wähnen. Zum einen ist es die Münchner Penelope Immobilienverwaltungs GmbH, die das Schloss nach einer Ausschreibung der Treuhand-Liegenschaftsgesellschaft 1998 erwarb und seit wenigen Tagen als Eigentümer auch im Grundbuch steht. Auf der anderen Seite kämpft die Schloss Marquardt Entwicklungsgesellschaft um das Anwesen. Nach eigenen Angaben hat sie das Gebäude und weitere Bauten noch vor den Münchnern vom damaligen Liquidator, der LPG Obstproduktion erworben. Die Genossenschaft war letzter Nutzer des Schlosses und des angrenzenden Gutes. Deshalb, so die Auffassung der Entwicklungsgesellschaft, habe die Treuhand gar nicht verkaufen dürfen.

Das fast 1000 Einwohner zählende Dorf steht "eindeutig auf der Seite der Münchner", sagt Gastwirt Czada. Das liege sicher an deren Plänen, die vom Gemeinderat abgesegnet worden waren. Demnach sollen im Gutshof eine "Erlebnis- und Gesundheitsoase" und im Schloss Eigentumswohnungen, ein Hotel und Gaststätten entstehen. Das in seinem jetzigen Zustand aus dem Jahre 1892 stammende Schloss war Anfang der dreißiger Jahre von Kempinski als Ausflugsrestaurant und Hotel eröffnet worden. 1938 musste die Familie Kempinski zwangsweise aufgeben, ihr Betrieb wurde durch die Firma Aschinger "arisiert". Ein Jahr später zog ein Reservelazarett ein, später ein Flüchtlingsquartier, ein Kindererholungsheim, eine Schule und eine LPG-Verwaltung.

Doch nicht allein wegen der Pläne für Schloss und Gut bevorzugt die Dorfmehrheit offenbar die Bayern. Die Schloss Marquardt Entwicklungsgesellschaft solle Verbindungen zu einem Verein "Lichtring" besitzen. Hans-Joachim Czada hat Erkundungen eingeholt. Der Sektenbeauftragte der evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow, habe "Lichtring" als eine "gefährliche Sekte" eingestuft. "Wir wollen so eine Gruppe, auch wenn sie sich selbst nicht als Sekte bezeichnet, gar nicht erst bei uns einziehen lassen", sagt der Vize-Gemeindechef. Der Anwalt der Entwicklungsgesellschaft, Uwe Linneweber, bestritt jeden Zusammenhang mit "Lichtring". Vielmehr wolle eine Stiftung Schlossring einen "Wirtschaftsbetrieb mit Veranstaltungen, Kursen und Konzerten" entwickeln.

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