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Tamara Lorincz findet nicht, dass ein Rüstungsunternehmen eine Klimaveranstaltung sponsern sollte.

© Susanne Ehlerding

Aktivisten und Unternehmer: Vom Feind zum Partner

Lange herrschten Misstrauen und Ablehnung zwischen Unternehmen und Nichtregierungsorganisationen. Das ändert sich langsam.

Tamara Lorincz vom Internationalen Friedensbüro war empört: „Wie kann die New York Climate Week einen Rüstungskonzern wie Lockheed Martin als Sponsor akzeptieren?“, fragte die Wissenschaftlerin. Mit einem Protestplakat stand Lorincz im Jahr 2014 vor der feinen Pierpont Morgan Library in New York. Drinnen: Unternehmen, die Allianzen gegen den Klimawandel schmieden, und Militärs, die vor den Gefahren der Erderwärmung warnen. Das Schema „böse Unternehmen gegen gute Aktivisten“: Bei der New York Climate Week funktioniert es schon länger nicht mehr.

Für die friedensbewegte Tamara Lorincz aber sind die Fronten trotzdem klar: „Lockheed Martin als Sponsor einer Klimaveranstaltung ist reines Greenwashing.“ Sie fordert ganz klassisch, dass die Ausgaben für Rüstung gekappt werden und das Geld für den Kampf gegen den Klimawandel eingesetzt wird. Auf solche Kritik entgegnet Mark Kenber, seinerzeit Geschäftsführer der Climate Group und Veranstalter der Climate Week: „Manchen gefällt es nicht, dass wir überhaupt mit Unternehmen zusammenarbeiten. Aber wir müssen einfach anfangen, etwas gegen den Klimawandel zu tun, und wir müssen mit denen arbeiten, die da sind.“

Das kann dann eben auch Lockheed Martin sein. Tatsächlich bescheinigt das angesehene Carbon Disclosure Project dem Konzern vorbildliche Bemühungen, den Kohlendioxidausstoß seiner Jets zu verringern. Das mag naiv erscheinen, ist aber nicht trivial: 80 Prozent der Aufträge von Lockheed Martin erteilt das US-Militär. Und das ist die Organisation mit dem größten Energieverbrauch weltweit. So haben zwei Nichtregierungsorganisationen (NGOs) wie das Internationale Friedensbüro und die wirtschaftsnahe Climate Group ganz unterschiedliche Strategien, mit Unternehmen umzugehen.

"Als Teil der Lösung werden NGOs nur selten gesehen"

Aber natürlich gibt es noch klare Fronten, auch aufseiten der Unternehmen. Das zeigt eine Studie, die Markus Löning, Berater für nachhaltige Unternehmensentwicklung und ehemaliger Menschenrechtsbeauftragter der Bundesregierung, mit seiner Denkfabrik erstellt hat. Laut dem Report „Lieferketten sind Menschenketten“ fühlen sich Unternehmen in erster Linie von Nichtregierungsorganisationen und Aktivisten unter Druck gesetzt, wenn es um Menschenrechte geht. Das bestätigt auch eine Studie der Universität des Saarlands: NGOs können Unternehmen „immens“ unter Druck setzen, besonders, wenn es sich um Hersteller von Konsumgütern handelt. „Als Teil der Lösung aber werden NGOs nur selten gesehen, obwohl ihnen ein hohe Kompetenz zugemessen wird“, sagt Löning.

Einer, der diese Kompetenzen schon seit Jahren nutzt, ist Achim Lohrie, Nachhaltigkeitsbeauftragter bei Tchibo. Gerade hat er einen Preis für das vorbildliche Bemühen um partnerschaftliche Zusammenarbeit mit NGOs bekommen. „Ohne ihren Schubs wären wir ganz ehrlich nicht an dem Punkt, wo wir heute stehen“, sagt Lohrie.

Er meint die Gewerkschaften, die sich für „living wages“ einsetzen: Löhne, von denen man wirklich leben kann. Oder die Detox-Kampagne von Greenpeace gegen giftige Substanzen in Textilien. Gute Erfahrungen hat Lohrie auch mit den freiwilligen Bündnissen gemacht, etwa dem „Bündnis für nachhaltige Textilien“, das die Arbeits- und Lebensbedingungen in der Textilindustrie in Niedriglohnländern verbessern will.

Für den Umbau der Lieferketten bei Tchibo sind NGOs wie Textile Exchange ein wichtiger Ratgeber. Deren Leute wissen zum Beispiel, wie man die Böden für den Anbau von Baumwolle so von konventionell auf bio umstellt, dass sie die Farmer trotzdem ernähren, berichtet Lohrie.

Unternehmen müssen mehr auf ihre Lieferketten achten. In Westbengalen arbeiten Menschen der untersten Kasten als billige Tagelöhner in Steinbrüchen. Auch nach Deutschland werden viele Natursteine aus Indien exportiert.
Unternehmen müssen mehr auf ihre Lieferketten achten. In Westbengalen arbeiten Menschen der untersten Kasten als billige Tagelöhner in Steinbrüchen. Auch nach Deutschland werden viele Natursteine aus Indien exportiert.

© Joerg Böthling/Brot für die Welt

Es gibt aber auch Nichtregierungsorganisationen, die sich gegen die Rolle einer Unternehmensberatung sperren. Sarah Lincoln, Menschenrechtsexpertin bei Brot für die Welt, hat dafür einen ganz praktischen Grund: „Wir haben schlicht nicht die Ressourcen.“ Stattdessen unterstütze Brot für die Welt die Zivilgesellschaft im globalen Süden, die sich für Menschenrechte einsetze oder die Kleinbauern unterstütze.

Gemeinsame Projekte mit Unternehmen hält Sarah Lincoln auch grundsätzlich für bedenklich. „Entwicklungsinteressen korrespondieren oft nicht mit den wirtschaftlichen Interessen der Unternehmen. Zum Beispiel präsentieren sich die großen Agrochemiekonzerne wie Bayer, Monsanto oder Syngenta als Lösung für den weltweiten Hunger. Sie kontrollieren den Markt aber mit genmanipuliertem Saatgut und den korrespondierenden Pestiziden. Damit treiben sie Kleinbauern in die Abhängigkeit.“

Auch freiwilligen Bündnissen wie dem „Textilbündnis“ steht Sarah Lincoln kritisch gegenüber. „Studien zeigen, dass die meisten Unternehmen letztlich nur dann zu Veränderungen ihrer Geschäftspraxis bereit sind, wenn andernfalls Sanktionen oder andere finanzielle Nachteile drohen. Die Wirkung freiwilliger Initiativen ist daher begrenzt.“ Deshalb sieht sie die Politik in der Pflicht, die Rahmenbedingungen für die Wirtschaft zu setzen. Das sollte nicht den sogenannten Stakeholderprozessen überlassen werden – was aber leider ein Trend sei.

Oxfam macht Projekte mit Unilever

Viel Kritik gab es in diesem Zusammenhang auch am Nationalen Aktionsplan Wirtschaft und Menschenrechte, der kürzlich vom Bundeskabinett verabschiedet wurde und damit in Kraft trat. Hier hatten Wirtschaftsvertreter und NGOs über viele Monate gemeinsam an einem Input für die Politik gearbeitet – die dann hinter verschlossenen Türen einen eigenen, unverbindlicheren Entwurf formulierte. Eine zugesagte Debatte über den Entwurf fand nicht mehr statt.

Einblicke in das Denken von NGOs und Unternehmen gleichermaßen hat Markus Löning als Berater. Er berichtet von der Angst der NGOs, von den Unternehmen „gefressen“ oder benutzt zu werden. „Es gibt auch die Grundhaltung, dass der Kapitalismus ganz schlecht ist. Dann wird ein Gespräch irre schwer“, sagt Löning. „Andererseits fühlen sich auch gestandene Manager, die wirklich mit Druck umgehen können, von Menschenrechtsfragen überfordert“, berichtet der Experte weiter. „Es braucht geschützte Räume für den Dialog, um zu verstehen: Wer ist der andere, und aus welcher Motivation redet er?“

In Großbritannien sei man da schon weiter, sagt Löning. So hat der Konzern Unilever zusammen mit der Hilfsorganisation Oxfam ein Projekt im Süden von Thailand gestartet, das die Lebensbedingungen der Frauen dort verbessern soll. Ausdrücklich wollen Oxfam und Unilever ihre Ressourcen und Fähigkeiten verbinden, um soziale Probleme zu lösen. Unilever öffnete sich auch für eine Oxfam-Studie, die die Lieferketten in Vietnam untersuchte. „Hier ist die Haltung: Wenn wir Änderungen erreichen wollen, müssen wir Unternehmen helfen, sich zu verändern“, sagt Löning.

Weniger Berührungsängste in Großbritanniens

Auch Julia Thrul kennt als Menschenrechts- und Finanzexpertin sowohl die NGO- als auch die Unternehmenssicht. Und sie hat lange in Großbritannien gelebt. Den entspannteren Umgang von Wirtschaft und Nichtregierungsorganisationen dort führt sie auf eine andere Gesprächskultur im angelsächsischen Raum zurück: „Es gibt einfach eine Neugier, aufeinander zuzugehen und höflich zu fragen: ,Wie würdest du das machen?‘ “, sagt Thrul. Dadurch gebe es weniger Berührungsängste und weniger Schwarz-Weiß- Denken als in Deutschland.

Gleichzeitig würden Medien, Öffentlichkeit und kritische Aktionäre wie Share Action viel mehr Druck auf die Unternehmen ausüben. „Dadurch ist die Diskussion insgesamt ehrlicher, und die Ansprüche aneinander sind realistischer“, sagt Julia Thrul.

Je enger Unternehmen und NGOs zusammenarbeiten und umso mehr sie sich wirklich mit der Partnerschaft identifizieren, umso größer sind die Chancen auf einen Erfolg. Das hat die Studie „Zwischen Konfrontation und Kooperation“ der Universität des Saarlands festgestellt. Das Potenzial für Partnerschaften sei aber noch lange nicht ausgeschöpft.

Das bestätigt auch eine Studie des deutschen Fundraisingverbands. Dessen Ergebnisse machen Hoffnung: Wenn Unternehmen und NGOs schon einmal zusammengearbeitet haben, bezeichnen sie das Ergebnis und den Grad der gegenseitigen Offenheit als gut bis sehr gut.

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