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Hans-Olaf Henkel (l.) und AfD-Chef Bernd Lucke rühren kräftig die Werbetrommel für die Partei.

© dpa

Alternative für Deutschland: Die AfD baut auf die Wirtschaft

Hans-Olaf Henkel eröffnet der AfD Zugang zu Wirtschaftskreisen. Dabei stößt die Partei mit ihrer Ablehnung des Mindestlohns und abschlagsfreier Frührente auf viele offene Ohren.

Der Raum im Erdgeschoss der Bundespressekonferenz war voll besetzt, als im Januar der Beitritt von Hans-Olaf Henkel zur „Alternative für Deutschland“ (AfD) zelebriert wurde. Henkel hatte sich damals „ein paar Fragen mitgebracht“, wie er sagte, um diese gleich selbst zu beantworten. Bis heute verkörpert er den Prototyp des medienwirksamen Industriefunktionärs, auch wenn seine Karriere beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) schon 14 Jahre zurückliegt. Für die AfD jedenfalls ist Henkels Engagement als Europakandidat Gold wert – was nicht nur daran liegt, dass er seiner Partei gerade einen Millionenkredit gewährt hat. Er steht auch für den Willen der Partei, im politischen Berlin Fuß zu fassen.

Einfach ist das nicht. Zwar stößt die AfD mit ihrer Ablehnung des Mindestlohns und der abschlagsfreien Frührente bei großen Wirtschaftsverbänden auf offene Ohren. Doch im Lobbybetrieb geht es auch um Seriosität, und da haben manche Interessenvertreter bis jetzt ihre Zweifel. Gleichzeitig hat sich die Partei in den vergangenen Monaten stark professionalisiert. Und Henkel eröffnet der AfD Zugang zu Wirtschaftskreisen, die ihr bisher verschlossen geblieben sind.

Der Verband der Familienunternehmer wurde früh mit der AfD in Verbindung gebracht

Vor kurzem zum Beispiel veranstaltete die Partei ein Fundraising-Dinner mit Henkel und Parteichef Bernd Lucke, bei dem ein höherer fünfstelliger Betrag zusammenkam. Bereits im Umfeld der Bundestagswahl hatte der Reeder Folkard Edler mit einem Darlehen über eine Million Euro ausgeholfen. Immer wieder fällt in AfD-Kreisen auch der Name eines bekannten Berliner Unternehmers, der mit Außenwerbung groß wurde.

Früh in Verbindung mit der AfD gebracht worden war außerdem der Verband der Familienunternehmer. Im Gegensatz zum exportorientierten BDI hatten kleinere Unternehmen schon lange vor der AfD-Gründung mit Europas Finanzpolitik gehadert. Ein Zufall ist es wohl nicht, dass beim „Tag der Familienunternehmen“ am kommenden Donnerstag in Dresden als erster Redner Lucke auftreten darf – FDP-Chef Christian Lindner ist erst drei Stunden später dran.

Verbandschef Lutz Goebel hört es zwar nicht gerne, wenn den Familienunternehmern eine generelle Affinität zur AfD unterstellt wird. „Es gab in der Vergangenheit bei einem Punkt eine Übereinstimmung: bei der Kritik an der Euro-Rettung.“ Ein Euro-Austritt Deutschlands sei für die Familienunternehmer aber „nicht tragfähig“. Dass es weiterhin Überschneidungen gibt, macht jedoch eine interessante Personalie deutlich. Der Steuerexperte Matthias Lefarth wird ab Juli die Abteilung Finanzpolitik der „Stiftung Familienunternehmen“ leiten, die am Pariser Platz residiert. Lefarth gilt als Euro-Kritiker, war bisher an führender Stelle beim Zentralverband des Deutschen Handwerks tätig und im vergangenen Jahr kurzzeitig auch AfD-Landeschef in Berlin.

Offenbar hat die AfD bei manchen Firmen eine Marktlücke gefunden

„Die Entwicklung der AfD wird in der Wirtschaft genau beobachtet, die meisten halten sich aber im Moment noch bedeckt“, sagt AfD-Pressesprecher Christian Lüth. Dabei hat die AfD offenbar eine Marktlücke ausgemacht bei Firmen, die sich bisher weder durch die großen Verbände noch durch die FDP gut vertreten gefühlt haben. Beispielsweise wird von vornehmlich süddeutschen Bauunternehmern mit bis zu dreistelligen Millionenumsätzen berichtet, die sich von AfD-Politikern die allgemeine Lage erläutern lassen – und dann wohl auch mal den ein oder anderen Euro spenden.

In Berlin laufen die informellen Kontakte vor allem über den ehemaligen FDP-Mann Lüth, der auch für die Verbandsarbeit zuständig ist. Neben ihm hat in Rainer Erkens ein weiterer Ex-Liberaler als Kampagnenleiter in der Bundesgeschäftsstelle am Lützowplatz angeheuert. 22 Leute arbeiten dort, nur etwas weniger, als im Thomas-Dehler-Haus der FDP angestellt sind. Beim Aufbau der Zentrale habe man sich an der dortigen Struktur orientiert, heißt es. Einen Generalsekretär gibt es aber nicht, stattdessen zwei Bundesgeschäftsführer: Frank-Christian Hansel, der bis 2012 das Deutschlandgeschäft des spanischen Immobilienkonzerns Metrovacesca leitete, und den ehemaligen Bundeswehroberst Georg Pazderski, der zuletzt Abteilungsleiter Logistik bei der Nato in Lissabon war.

Die Titelseite der "Agenda" vom 6. Mai 2014.
Die Titelseite der "Agenda" vom 6. Mai 2014.

© Tsp

An klassische parlamentarische Abende, bei denen man Interessenvertreter und Politiker zusammenbringt, sei noch nicht zu denken, sagt AfD-Sprecher Lüth. „Auf der unteren Ebene gibt es aber schon Kontakte zu Verbänden.“ Dies werde sich nach der Europawahl und den drei Landtagswahlen in Ostdeutschland vermutlich noch verstärken. Bisher haben sich eher exotische Verbände an die AfD gewandt, der Deutsche Hausfrauenverband etwa oder die „German Rifle Organisation“.

Bei ihrer Verbandsarbeit muss die „Alternative für Deutschland“ nicht zuletzt auch Rücksicht nehmen auf ihre als eigensinnig geltende Basis. So wurde Luckes Co-Vorsitzende Frauke Petry von Mitgliedern verdächtigt, sie setze sich für amerikanische Industrieinteressen ein: Sie saß mit einem Apple-Notebook auf dem Parteitagspodium.

Dieser Text erschien in "Agenda" - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag in Sitzungswochen des Bundestages erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie jeweils bereits am Montagabend im E-Paper des Tagesspiegels lesen. Ein Abonnement des Tagesspiegels können Sie hier bestellen:

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