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Eine erste Orientierungshilfe für den deutschen Alltag wollen ARD und ZDF geben.

© Fredrik Von Erichsen/dpa

ARD und ZDF: Nachrichten für Flüchtlinge

ARD und ZDF informieren Flüchtlinge auf eigenen Internetportalen. Doch die Betroffenen kennen das Angebot oft nicht.

Schon mal was von Flüchtlings-Infoseiten der öffentlich-rechtlichen Sender gehört? Nein? Dann geht es Ihnen wie den Geflüchteten. Dabei ist die Idee dahinter wirklich gut.

Seit Dezember vergangenen Jahres bieten ARD, ZDF und die Deutsche Welle (DW) auf ihren Internetportalen Nachrichten in englischer und arabischer Sprache an. Außerdem gibt es online Informationen zu Politik, Bürokratie und den Gepflogenheiten der Deutschen. Auf "Refugees. ARD.de" werden die Informationen an einer zentralen Stelle übersichtlich gebündelt, sagt Söhnke Vaihinger von der Online-Redaktion der ARD.

Die Seite scheint aber noch wenig Anklang zu finden. "Mir sind bislang keine Geflüchteten bekannt, die dieses Angebot nutzen", berichtet Peggy Sylopp von der Organisation Migration Hub Berlin. Das liege wohl auch daran, dass in den Unterkünften oft gar kein oder nur sehr schlechtes W-Lan zur Verfügung stehe. Die Qualitätsanforderungen des Lageso schreiben zwar einen freien Internetzugang in den Gemeinschaftsräumen vor. Trotzdem gäbe es in den meisten Unterkünften bisher keine stabile Internetverbindung, sagt Sylopp.

Das erklärte Ziel des Informationsangebots soll es sein, den Neuankömmlingen eine erste Orientierungshilfe für den deutschen Alltag zu geben. Neben Informationen können auch Sprachlernangebote kostenlos abgerufen werden. Besonders oft geklickt werde die Bildergalerie "Zehn Dinge, auf die man in Deutschland achten sollte", sagt Christoph Jumpelt, Sprecher der Deutschen Welle. Beispielsweise die Gleichberechtigung von Mann und Frau, das Recht zur sexuellen Selbstbestimmung oder die Rechte von Kindern. Diese Grundregeln zum Verhalten in Deutschland "haben eine paternalistische Tendenz, helfen aber wenig bei der Orientierung im Alltag in der Stadt und Behörde", bemängelt hingegen Migrationsexpertin Sylopp. Sie würde sich wünschen, dass auch Schwierigkeiten, mit denen Geflüchtete im Alltag konfrontiert werden, thematisiert werden. Hilfreich wäre eine Art Anleitung zum Umgang mit respektlosem oder gar rassistischem Verhalten, mit dem Geflüchtete konfrontiert werden.

Auch andere wichtige Fragen wie zum Asylprozess, zu Übersetzungs- und Beratungsmöglichkeiten oder dem Umgang mit Behörden und Wegen aus der sozialen Isolation seien nicht gerade einfach auf den Seiten zu finden. Außerdem seien die politischen Nachrichten der Seite für die Neuankömmlinge nur schwer einzuordnen, solange ein grundlegender Überblick über das deutsche Sozial-, Rechts-, Bildungs- und Politiksystem fehle.

Auch die Vertretung des Flüchtlingswerks der Vereinten Nationen (UNHCR) in Berlin resümiert, dass die Seiten von ARD und ZDF bisher wenig bekannt seien. Deshalb verweise das UNHCR bei entsprechenden Informationsanfragen von Betroffenen lieber auf die Informationsangebote, die von NGOs mit Beratungserfahrung oder staatlichen Stellen ins Netz gestellt wurden.

Vor allem arabische Online-Seiten werden geklickt

Die Reaktionen von Betroffenen und Helfern auf das Angebot der öffentlich-rechtlichen Sender seien bisher durchweg positiv, meint hingegen der Pressesprecher der DW. Besonders die Zugriffe auf die arabischen Online-Seiten hätten aus Deutschland stark zugenommen. "Von September bis November haben rund 300.000 User auf die arabischen Sonderseiten zugegriffen, auf die Sonderseiten in Paschtu, Dari und Urdu etwa 1,3 Millionen." Alle großen Hilfsorganisationen seien über die Einrichtung der Sonderseiten informiert worden. Dass die Seiten mancherorts gar nicht bekannt seien, sei deshalb wohl eher ein infrastrukturelles Problem.

Die Medien spielten grundsätzlich eine wichtige und konstruktive Rolle in Sachen Integration, sagt die Wissenschaftlerin Margreth Lünenborg vom Institut für Publizistik und Kommunikationswissenschaft an der Freien Universität Berlin. Es sei ausgesprochen hilfreich und sinnvoll, dass öffentlich-rechtliche Medienunternehmen ihren Informationsauftrag auch gegenüber Geflüchteten wahrnehmen würden.

Diese Angebote könnten – wenn sie ihre Adressaten erreichen – immens dazu beitragen, Menschen aus anderen Kulturkreisen mit Politik und Alltag hier vertraut zu machen. "Vor allem digitale Medienangebote sind ungeheuer praktisch bei der Unterstützung im Lernen der deutschen Sprache und im Alltag mit Behörden und Institutionen", sagt Lünenborg. Dass in Deutschland deutlich umfangreicher englisch- und arabischsprachige Nachrichtenangebote etabliert werden, sei zudem "ein Baustein in einer dringend notwendigen Internationalisierung der Medienlandschaft". Dabei würden alle Erfahrungen der Medienforschung zeigen, dass die Kombination von muttersprachlichen und deutschsprachigen Medienangeboten den interkulturellen Austausch positiv fördert. Damit würde auch den Parallelgesellschaften entgegengewirkt.

Vonseiten der Sender heißt es deshalb, man wolle das bisherige Angebot weiter ausbauen. "Allerdings gibt es auch noch die ein oder andere Schwierigkeit zu meistern", gibt Thomas Hagedorn, Sprecher des ZDF, zu. Seit Januar produziert das ZDF nun täglich Nachrichten für Geflüchtete. Um die Bekanntheit des Angebots zu erhöhen, müsse aber unter anderem über soziale Medien verstärkt darauf aufmerksam gemacht werden. Außerdem stehe man vor der Herausforderung, dass reines Hocharabisch in keinem Land gesprochen werde. Daher müsse mit einer Annäherung in der Übersetzung vorliebgenommen werden.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 23. Februar 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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