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Bundestagspräsident Norbert Lammert.

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Bundestag: Die Regierung bestimmt, wozu sie befragt werden darf

"Saalschlacht im Kabinett": Mit beißendem Spott fordert Parlamentspräsident Norbert Lammert von der Bundesregierung wichtigere Themen für die Befragung im Bundestag.

Von Antje Sirleschtov

Norbert Lammert lässt nicht locker. In seinem Bemühen, die Attraktivität des parlamentarischen Geschehens zu erhöhen, forderte der Bundestagspräsident in der letzten Sitzungswoche im Ältestenrat den anwesenden Kanzleramts-Staatssekretär Helge Braun auf, die Regierung möge dem Parlament zur regelmäßig mittwochs um 13 Uhr stattfindenden Regierungsbefragung doch tunlichst ein aktuelles Thema von größerer Relevanz vorschlagen.

Hintergrund: Während die Bewältigung der Flüchtlingskrise nicht nur das Parlament, sondern auch die Öffentlichkeit in Atem hält, hatte die Bundesregierung den Abgeordneten Mitte Oktober vorgegeben, sie zum "Entwurf des 3. Gesetzes zur Änderung des Aufstiegsförderungsgesetzes" zu befragen, was erwartungsgemäß zu einem wenig spektakulären Austausch von Wortbeiträgen einzelner Fachpolitiker und Bundesbildungsministerin Johanna Wanka (CDU) führte.

Er könne sich "lebhaft die Saalschlacht im Kabinett vorstellen", als das Thema die Ministerrunde beschäftigte, fügte Lammert hinzu. Er jedenfalls habe sich gefragt, ob es angesichts hunderttausender Flüchtlinge nichts Wichtigeres im Parlament zu besprechen gegeben habe als die Zukunft des sogenannten Meister-Bafög.

Vorstoß zu einer Reform

Der Vorstoß des Präsidenten darf als weiterer Baustein zur Reform des Alltags im Bundestag verstanden werden, mit der Lammert die Demokratiemüdigkeit der Deutschen bekämpfen will. Der letzte Versuch, eine regelmäßige Befragung der Kanzlerin durch die Abgeordneten einzuführen, wie es sie im britischen Unterhaus gibt, schlug fehl, da die Union fürchtete, Angela Merkel werde einem "Spektakel unter dem Bundesadler" ausgesetzt.

Zum Trost hatten CDU und CSU sich bereit erklärt, über eine Änderung der Geschäftsordnung zu sprechen, sodass in Zukunft das Parlament nicht hinnehmen muss, dass die Regierung festlegt, wie sie vom Parlament kontrolliert werden möchte.

Dass es solch eine Regelung überhaupt gibt, geht auf den einstigen SPD-Fraktionschef Fritz Erler zurück. Der hatte sich Anfang der 60er Jahre beklagt, dass mittwochs nach der Kabinettssitzung zuerst Journalisten in der Bundespressekonferenz über die Regierungsarbeit informiert wurden, erst danach die Bundestagsabgeordneten. Daher wurde eine halbstündige Regierungsbefragung um 13 Uhr eingeführt, die Pressekonferenz folgt darauf. Einziger Wermutstropfen: Seither bestimmt die Regierung, was die Parlamentarier fragen dürfen.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 3. November 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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