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Drehen am Gashahn: Ist Deutschland abhängig von russischem Gas?

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DIE FAKTEN:

·Bundeskanzlerin Angela Merkel forderte, Deutschland solle unabhängig von russischen Gaslieferungen werden. Laut der Kanzlerin solle die deutsche Energiepolitik wegen der Krim-Krise neu betrachtet werden.

·Vizekanzler Sigmar Gabriel wiedersprach der Bundeskanzlerin. Er sehe keine Alternative zu russichen Gasimporten nach Deutschland. Die deutsche Energiepolitik habe, laut Gabriel, nicht viele Möglichkeiten.

·Trotz der Ankündigung Merkels, die russischen Gaslieferungen zu verringern, sollte sich die Abhängigkeit kurzfristig noch erhöhen. Mehrere russische Investoren, darunter Gazprom, stiegen vor kurzem erneut in den deutschen Gasmarkt ein, mit Billigung der Regierung.

·Als Alternative sehen Experten vor allem den Import von „Fracking“, flüssigem Schiefergas, das aus den USA per Schiff nach Europa geliefert werden könnte.

„Die deutschen Gasspeicher sind gut gefüllt. Wir könnten sogar Nachbarn kurzfristig helfen. Unabhängig davon: Es hat selbst zu den heißesten Zeiten des Kalten Krieges keine Unterbrechung der Gaslieferungen nach Deutschland gegeben – und es wird auch heute nicht dazu kommen“, urteilt Ex-Wirtschaftsminister Michael Glos in einem Interview in der Würzburger "Mainpost". Die Abhängigkeit von russischem Gas sei sehr hoch. Vom Bau eines Terminals für Flüssiggas hätten die Energiekonzerne lange nichts wissen wollen. Nun müsse man sich nach mehr Bezugsquellen für Gas und Öl umschauen.

„Es wäre ein eindeutiges Statement zur absoluten Unabhängigkeit von ausländischen Energierohstoffen, wenn man den Ausbau der erneuerbaren Energien beschleunigen und nicht bremsen würde“, urteilt Daniel Reissmann auf energieblog24.de. Erst durch die Krim-Krise habe die deutsche Politik realisiert, wie abhängig man von Energielieferungen aus Russland sei. Daher müsse man die erneuerbaren Energien jetzt als Chance begreifen, das zu ändern. Torpediert würde das allerdings durch Angebote für den Export von umstrittenem „Fracking-Gas“ aus Nordamerika.

„Deutschland braucht eine neue Energie-Außenpolitik“, titelt der „Tagesspiegel“. Allein durch den Ausbau der erneuerbaren Energien könne Deutschland die Importabhängigkeit nicht überwinden, meint Kirsten Westphal. Den USA könne man hingegen langfristig beim Ausbau ihrer erneuerbaren Energien helfen, um im Austausch Gas zu erhalten. Dazu seien Investitionen nötig.

„Wir brauchen endlich Alternativen zu russischem Gas“, meint Hermann Otto Solms in einem Gastkommentar auf „Focus Online“. Immer wieder setze Russland Gas als Druckmittel gegenüber anderen Staaten ein. Es sei daher begrüßenswert, dass die Pläne, Gas aus Aserbaidschan über Pipelines nach Deutschland zu pumpen, wiederaufgegriffen würden.

„Selbst im Kalten Krieg hat Russland seine ökonomischen Verpflichtungen erfüllt. Von einer neuen Energiepolitik zu sprechen, führt daher in die Irre“, urteilt Thomas Kröter in der „Berliner Zeitung“. Die deutsche Abhängigkeit habe ein russisches Gegenstück. Russland brauche dringend die Devisenerlöse aus seinen Rohstoffverkäufen. Das dämme eine Eskalation ein. Nordamerika falle als kurzfristige Alternative für günstige Energie aus, denn es dürfte lange dauern, bis die Technologien entwickelt seien.

„Plötzlich wird aus der Energiewende Deutschlands das Herzstück einer strategischen Entscheidung zur Verringerung der Abhängigkeit von Russland“, sagt Holger Steltzner auf FAZ.net. Davon sei vor drei Jahren keine Rede gewesen, als im Schock über Fukushima parteiübergreifend der Atomausstieg beschlossen worden sei. In Wahrheit würde mit jedem AKW, das vom Netz genommen würde, die Abhängigkeit gegenüber Russland größer. Wir seien heute auf russische Energie genauso angewiesen wie gestern. Eine Alternative:Gaslieferungen aus den USA. Die geostrategischen Folgen daraus seien eine große Chance für Europa.

Zwar könne man einen Lieferstopp auch einige Monate durchhalten, aber dann würde es kritisch, meint Issio Ehrich auf n-tv.de Es gäbe zwar genug Gas auf der Welt. Man habe versäumt, sich vom russischen Gasmarkt zu lösen. Mit Nabucco und einem Gasterminal, das auch Lieferungen per Schiff annehmen kann, seien Chancen verspielt worden. Um kurzfristig auf russische Importe zu verzichten, müssten riesige Kosten bereitgestellt werden. Trotzdem müsse man sich langfristig nach Alternativen umschauen. „Abhängigkeit hin oder her - ein Ende der russischen Gaslieferungen würde den Kreml härter treffen als die EU. Mehr als die Hälfte der Staatseinnahmen hängt von Öl und Gas ab.“

„Nur keine Panik“, sagt Uwe Westörp in der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Es bestehe kein Anlass, an der Sicherheit der Energieversorgung zu zweifeln. Russland stehe zu Recht in der Kritik, das bedeute aber nicht, dass am Gashahn gedreht würde. Jenseits der aktuellen Aufregung gehe es ums Geld und ums Geschäft. Nur langfristig könne man durch die Förderung von alternativen Energien eine geringere Abhängigkeit erreichen.

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