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Begriffe besetzen, Symbole für sich arbeiten lassen: Darum geht es in der Werbung.

© serkorkin - Fotolia

Gastbeiträge in Zeitungen: "...würden wir uns über eine Veröffentlichung freuen..."

PR-Agenturen wollen weder das Gute noch das Schlechte in der Welt befördern, sondern im Dienste ihrer Kunden Profit machen. Doch wo verläuft die Grenze zwischen professionell und skrupellos?

Solche E-Mails laufen regelmäßig in Zeitungsredaktionen ein: „... möchte ich Ihnen einen Gastbeitrag von Sheik Rached Ghannouchi, dem Vorsitzenden der tunesischen Regierungspartei Ennadha, anbieten“. Oder: „... übersende ich Ihnen einen Gastbeitrag des FDP-Europaabgeordneten und Umweltpolitikers Holger Krahmer. Oder „... möchte ich Ihnen einen Meinungsbeitrag von Hans-Günter Börgmann, Geschäftsführer der Iron Mountain Deutschland GmbH, anbieten“.

Der Absender ist weder eine politische Organisation oder Partei noch das Unternehmen selbst, sondern eine PR-Agentur. Für deren Wirken gibt es eine fast achtzig Jahre alte Definition, sie lautet: „Public Relations ist die Kunst, durch das gesprochene oder gedruckte Wort, durch Handlungen oder durch sichtbare Symbole für die eigene Firma, deren Produkt oder Dienstleistung eine günstige öffentliche Meinung zu schaffen.“ Je nach Standpunkt ist das normale Einflussnahme oder unlautere Manipulation.

Gastbeiträge in Zeitungen sind eine Art Werbung in eigener Sache. Der erste Reflex könnte sein: So etwas machen wir nicht! Aber Zeitungen machen so etwas täglich. Sie zitieren Politiker, Manager, Sportler – also Menschen, die immer auch ihre eigene Sichtweise transportieren, ihre eigenen Interessen vertreten. Jeder, der sich über ein Massenmedium verbreitet, verfolgt damit gewisse Ziele, selbst der Papst. Wenn der Gastbeitrag mehr liefert als ein gewöhnlicher Vierfarbprospekt – neue, originelle Gedanken, Hintergrundinformationen, pointierte Schilderungen eines Problems –, kann ein Redakteur zu der Bewertung gelangen, dass für diesen Text ein öffentliches Interesse existiert. Wenn er dann klar als Gastbeitrag gekennzeichnet und die Funktion des Autors ebenso klar dem Leser mitgeteilt wird, lässt sich eine Veröffentlichung rechtfertigen.

Wie läuft die Vermittlung solcher Gastbeiträge ab? Karl H. Mayer ist Geschäftsführer der „essential media GmbH“ in München. Die PR-Agentur wurde vor zwanzig Jahren gegründet und vertritt überwiegend Unternehmen aus der Informationstechnologie, darunter Apple, FileMaker, KasperskyLab oder Sony. Mit festen Kunden, sagt Mayer, werde in der Regel ein Gesamtauftrag vereinbart, der auch Namensbeiträge umfassen kann. „Das Angebot ist völlig unverbindlich, und die Redaktion entscheidet völlig frei darüber, ob sie einen derartigen Text veröffentlichen will“, sagt Mayer. Ein Erfolgshonorar im Falle einer Veröffentlichung mache seine Agentur prinzipiell nicht. Zur Transparenz gehöre, „dass wir keinen Journalisten über unsere Rolle im Unklaren lassen“.

Je nach Kunde war man abwechselnd für und gegen den Klimaschutz

Rund 2200 PR-Agenturen arbeiten in Deutschland, schätzt das Statistische Bundesamt. Viele von ihnen sind Mitglieder der „Deutschen Public Relations Gesellschaft“ (DPRG). Die veröffentlicht regelmäßig Honorar- und Trendbarometer für die Branche. Die Vorteile kleiner Agenturen, heißt es darin, seien Flexibilität, Schnelligkeit und ein ausgeprägter Dienstleistungsgedanke. Die Vorteile großer Agenturen seien ein umfangreiches Leistungsangebot, hohe Kapazitäten und umfangreiches Know-how.

PR-Agenturen wollen weder das Gute noch das Schlechte in der Welt befördern, sondern durch professionelle Öffentlichkeitsarbeit im Dienste ihrer Kunden Profit machen. Das trägt einigen von ihnen den Vorwurf der Skrupellosigkeit ein. Burson-Marsteller etwa, 1953 in den USA gegründet und seit 1973 auch in Frankfurt am Main und Berlin tätig, beriet in der Vergangenheit auch Diktatoren wie Nicolae Ceausescu oder Augusto Pinochet. Nach dem Bhopal-Unglück unterstützte es die Öffentlichkeitsarbeit des Chemiekonzerns Union Carbide. Je nach Kunde war man abwechselnd mit großen Kampagnen gegen den Klimaschutz (im Auftrag von Ölfirmen wie Exxon, Texaco, Chevron und Autoherstellern wie Ford und General Motors) oder aber für den Klimaschutz (im Auftrag von Akw- Betreibern, die sich dadurch ein freundliches Image verpassen wollten).

PR ist eben genau das – PR. Meinungsführer sollen gewonnen, politische Entscheidungsträger beeinflusst, zentrale Begriffe mit einer bestimmten Konnotation besetzt werden. Zeitungsredakteure, denen ein Gastbeitrag angeboten wird – honorarfrei und stilsicher formuliert –, müssen das wissen und sich über die Seriosität einer Agentur informieren. Im Zweifelsfall kann auch ein Blick zu Lobbycontrol lohnen. Der gemeinnützige Verein recherchiert über Netzwerke und Lobbyismus.

- Der Text erschien in "Agenda" vom 29. November 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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