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Ecuadors Präsident Rafael Correa (mitte) war mit dem Habitat-III-Gipfel sehr zufrieden. 30 000 Teilnehmer aus 167 Ländern sind dafür nach Quito gereist. Auch der Chef des UN-Siedlungsprogramms Habitat, Joan Clos (links) sieht im Gipfel einen Erfolg.

© Jose Jacome/dpa

Habitat III: Blamage in Quito

Keine Minister und kein Konzept: Beim Weltgipfel Habitat III in Quito hat sich die Regierung schlecht verkauft.

Partnerschaften sind der Bundesregierung wichtig. Deshalb hat das Entwicklungsministerium (BMZ) bereits 582 „konkrete Partnerschaften mit Städten“ unterstützt, 2017 sollen es 1000 sein, sagte Tania Rödiger-Vorwerk beim Welt-Siedlungsgipfel Habitat III in Quito. Rödiger-Vorwerk ist Unterabteilungsleiterin für Umwelt und Infrastruktur im Entwicklungsministerium – und war trotz der Bedeutung des nur alle 20 Jahre wiederkehrenden Gipfels die ranghöchste BMZ- Mitarbeiterin. Kurz vor Beginn hatte sich ihr Staatssekretär, Friedrich Kitschelt, der Vertreter von Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU), als Chef der Delegation verabschiedet. Müller war Habitat III wohl nicht wichtig genug. Jedenfalls hatte er schon länger abgesagt. Dass auch Kitschelt nun nicht nach Quito reiste, begründete eine Sprecherin des BMZ mit „unvorhergesehenen Terminverpflichtungen in Berlin“. Was so wichtig war, wollte das Ministerium nicht sagen. Die Terminverpflichtungen scheinen nicht öffentlicher Natur gewesen zu sein.

Eine Woche vor dem Gipfel in Quito war auch Bauministerin Barbara Hendricks (SPD) noch angekündigt. Drei Tage vor dem Gipfel verschickte das Ministerium dann kommentarlos eine Terminliste von Baustaatssekretär Gunther Adler, der erst einen Tag nach dem Beginn des Gipfels in Quito ankam. Hendricks habe wegen dringender Haushaltsverhandlungen nicht reisen können, richtete Anke Brummer-Kohler aus. Die Abteilungsleiterin Stadtentwicklung im Ministerium für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit (BMUB) vertrat ihr Haus zum Gipfelauftakt. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) musste schließlich die Lücken schließen, die zwei Bundesministerien offenbar nicht zu schließen in der Lage waren: Für einen Tag wurde Müller zum Chef der deutschen Delegation.

BMZ und BMUB arbeiteten nicht zusammen

Dass es auch mit der Partnerschaft zwischen den beiden Ministerien in Quito nicht allzu weit her war, führten BMZ und BMUB dem staunenden Publikum erstaunlich offenherzig vor. Bei der ersten Pressekonferenz berichtete Michael Müller von seinen Eindrücken vom Habitat-Prozess – und lobte das Engagement der deutschen Regierung. Wenn Rödiger-Vorwerk eine Frage beantwortete, mühte sich Brummer-Kohler, das Gleiche nur länger zu sagen. Die regierungsinterne Federführung für Habitat III lag zwar beim BMZ, doch davon war wenig zu spüren. Bei der Eröffnung des Deutschen Pavillons hielt der Bürgermeister Berlins eine kurze, souveräne Rede. Dann kam Brummer-Kohler mit einem länglichen, auf Englisch gehaltenen Vortrag, der von Rödiger-Vorwerk knapp und freundlich gekontert wurde. Kopfschütteln bei den 140 deutschen Delegationsmitgliedern.

Schon am Vorabend hatten diese mit einiger Irritation eine Einladung zum Kennenlernen im Delegationshotel wahrgenommen. Die Mitarbeiter des BMUB treffen sich anderswo, hieß es dort. Als Gunther Adler am späten Montagabend in Quito eintraf, stieg er nicht im Delegationshotel ab, sondern übernachtete im besten Haus am Platz ein paar Straßen weiter.

Auch die Bundestagsabgeordneten haben gefremdelt

Die Rivalitäten endeten aber nicht zwischen Abteilungsleiterin und Unterabteilungsleiterin. Gleichzeitig trafen sich in Quito Bundestagsabgeordnete dreier Parteien aus drei verschiedenen Bundestagsausschüssen. Der Rostocker CDU-Abgeordnete Peter Stein, selbst Stadtplaner, war im Auftrag des Entwicklungsausschusses am Ende einer zweiwöchigen Reise durch die USA und Kolumbien in Quito gelandet. Seine Parteifreundin Sybille Benning war mit dem Bildungsausschuss nach Quito gereist. Volkmar Vogel (CDU) war mit dem Umweltausschuss über Mexiko nach Quito gekommen. Mit ihm reisten die Frankfurter SPD-Abgeordnete Ulli Nissen und die Linke Heidrun Bluhm. Die fünf veranstalteten am zweiten Gipfeltag eine gemeinsame Pressekonferenz, nachdem Gunther Adler nahezu zeitgleich zu einem Pressegespräch mit Abgeordneten geladen hatte. Da Adler aber offenbar nur die Umweltausschussmitglieder eingeladen hatte, machten die Abgeordneten einen kleinen Aufstand und luden kurzerhand selbst ein. Im BMUB hieß es, das sei wohl alles ein Missverständnis gewesen.

Baustaatssekretär Adler trat mit Witali Klitschko auf

Beide Ministerien hielten ihre Veranstaltungen im Deutschen Pavillon säuberlich getrennt. Adler zeigte sich am vorletzten Gipfeltag lieber mit dem Bürgermeister von Kiew, Witali Klitschko, gemeinsam auf einem Podium. Rödiger-Vorwerk dagegen präsentierte schon am ersten Gipfeltag eine globale Mobilitätsinitiative, für die das BMZ mehr als eine Milliarde Euro in den Haushalt eingestellt hat. Mit einem Dutzend Partnern will das BMZ Fahrradwege und Nahverkehrssysteme in schnell wachsenden Megastädten unterstützen. Die fanden übrigens alle Abgeordneten gut. Sie hatten sich vor dem Gipfel die Baustelle für die neue U-Bahn in Quito angeschaut. Die Hauptstadt Ecuadors erstickt am Verkehr. Sie liegt auf 2800 Metern in den Anden, ist nur vier Kilometer breit, aber dafür 45 Kilometer lang gezogen. Die 25 Kilometer U-Bahn hat Ecuadors Präsident Raphael Correa gemeinsam mit Bürgermeister Mauricio Rodas gegen erheblichen Widerstand durchgesetzt. In Quito ist die Linie unpopulär, weil dafür viele Häuser abgerissen werden müssen und sie „viel zu teuer“ sei. Die Abgeordneten dagegen konnte Rodas sofort überzeugen. 25 Kilometer für 25 Cent in 34 Minuten, findet Ulli Nissen, seien doch „eine gute Sache“.

Die deutsch-ecuadorianischen Beziehungen holpern

Ob bei den vielen Absagen hochrangiger Regierungsvertreter in diesem Jahr die holprigen deutsch-ecuadorianischen Beziehungen eine Rolle gespielt haben, ist weder dem einen noch dem anderen Ministerium zu entlocken. Aber dass die Beziehungen zerrüttet sind, ist kein Geheimnis. Spätestens, seit Ecuadors Präsident Raphael Correa der Welt bei einem Klimagipfel angeboten hatte, das Öl des Landes im Boden zu lassen und dafür von der Weltgemeinschaft entschädigt zu werden. Gerd Müllers Vorgänger im Amt des Entwicklungsministers, Dirk Niebel (FDP), verweigerte seinerzeit deutsche Zahlungen ultimativ. Er fand die Idee verrückt, dafür zu zahlen, dass „die etwas unterlassen“. Außerdem traute er dem linksnationalistischen Präsidenten nicht. Die beiden gifteten sich in aller Öffentlichkeit an. Correa lud zwei Bundestagsdelegationen ins Yasuni-Gebiet kurz vor der Anreise wieder aus. Nun gibt es zwar erneute Gespräche. Doch deren Ausgang ist völlig ungewiss.

Die Recherche in Quito wurde unterstützt von der Deutschen Gesellschaft für die Vereinten Nationen.

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