zum Hauptinhalt
"First Daughter" Ivanka Trump ist offiziell Beraterin im Weißen Haus.

© AFP

"Women20"-Gipfel: Ivanka Trump kommt nach Berlin

Beim Women20-Gipfel in Berlin in der kommenden Woche wollen Frauen aus den G20-Staaten Empfehlungen für die Regierungschefs erarbeiten. Auch US-Präsidententochter Ivanka Trump wird da sein.

Die Nachricht aus Washington platzte mitten in die Vorbereitungen. Ivanka Trump, die Tochter des US-Präsidenten, werde zum sogenannten W-20-Gipfel nach Berlin kommen, hieß es am Rande des Besuchs von Bundeskanzlerin Angela Merkel in den USA. Die Staats- und Regierungschefs der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt (G 20) treffen sich im Juli in Hamburg. In den „Women20“ (W 20) sind Frauenorganisationen und Verbände aus allen G-20-Staaten vernetzt. Sie wollen in der kommenden Woche in Berlin frauenpolitische Empfehlungen für die Staats- und Regierungschefs formulieren.

Ivanka Trump schrieb auf Twitter, sie freue sich darauf, die Rolle der Frauen in der Wirtschaft voranzubringen. Seit Kurzem ist sie Beraterin ihres Vaters im Weißen Haus, als „unbezahlte Angestellte“, wie sie betonte. Bei einem Treffen Merkels mit Wirtschaftsvertretern in Washington saß die 35-Jährige, die nach einer Model-Karriere und einem Wirtschaftsstudium in der Immobilienholding ihres Vaters arbeitete, neben der Kanzlerin.

Wenn die „First Daughter“ zum Gipfel der Frauen nach Berlin kommt, wird die inhaltliche Arbeit längst erledigt sein. Bereits seit mehr als einem halben Jahr laufen die Vorbereitungen für das Treffen, nun steht die geplante Abschlusserklärung der W 20 weitgehend.

Die Bundesregierung, die in diesem Jahr den Vorsitz der G 20 innehat, beauftragte den Deutschen Frauenrat, einen Dachverband von mehr als 50 Frauenorganisationen, und den Verband deutscher Unternehmerinnen (VdU) mit der Organisation des W-20-Prozesses. Parallel sind andere Akteure aus Wirtschaft und Gesellschaft in eigenen Gruppen aktiv. So vernetzen sich Wirtschaftsvertreter in den Business 20 (B 20), Gewerkschafter in den Labour 20 (L 20), Wissenschaftler in den Think 20 (T 20) und Science 20 (S 20), Jugendliche in den Youth 20 (Y 20) und andere zivilgesellschaftliche Organisationen in den Civil 20 (C 20). Alle Dialoggruppen erarbeiten politische Empfehlungen für den großen Gipfel in Hamburg, sie sind regierungsunabhängig und suchen sich ihre Schwerpunkte selbst, wobei sie sich an den großen Themen der G 20 orientieren.

"Vom Katzentisch an den Verhandlungstisch"

Als erste dieser Gruppen laden die W20 zum eigenen Gipfel nach Deutschland. Vom 24. bis zum 26. April kommen in Berlin mehr als 100 Frauen aus allen G-20-Staaten zusammen, auch aus Saudi-Arabien reisen Delegierte an. Dabei konnten die Organisatorinnen keineswegs auf ein großes bestehendes Netzwerk zurückgreifen. Die W 20 gibt es erst seit Kurzem, 2015 fand in der Türkei der erste Gipfel statt, ein Jahr später trafen sich die Frauen in China. Warum aber eine eigene Gruppe für die Frauenpolitik? „Früher hieß es in den anderen Gruppen: Wir denken die Probleme der Frauen immer mit“, sagt Mona Küppers, Vorsitzende des Deutschen Frauenrates. Das habe nicht wirklich funktioniert. „Jetzt sind wir auf dem Weg vom Katzentisch an den Verhandlungstisch der G 20.“

Beim ersten Treffen der Sherpas, der Beauftragten der Staats- und Regierungschefs, saßen Vertreterinnen der W 20 tatsächlich mit am Tisch. Ihre Expertise war gefragt, sie wurden um Handlungsempfehlungen gebeten, wie sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen in den G-20-Staaten steigern lasse. Außerdem gab es mehrere Gespräche mit dem Stab des deutschen Sherpas Lars-Hendrik Röller. „Besser kann man sich das nicht wünschen“, sagt Claudia Große-Leege, Geschäftsführerin des VdU. Am Ende des W-20-Gipfels in Berlin steht ein Treffen mit der Kanzlerin, der die Empfehlungen für den großen Gipfel übergeben werden.

Am Ende der deutschen G-20-Präsidentschaft werden auch die W 20 den Stab an Argentinien weiterreichen. Langfristig hoffen die Frauen, dass ihre Organisation eines Tages nicht mehr nötig sein wird, weil ihre Anliegen tatsächlich in allen gesellschaftlichen Bereichen mitgedacht werden. Doch bis dahin ist es noch ein langer Weg, wie die Schwerpunktthemen in diesem Jahr zeigen.

Arbeitsmarkt, finanzielle Inklusion und Digitalisierung auf der Agenda

Übergeordnetes Ziel der W20 ist die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen in Wirtschaft und Gesellschaft. Die Organisatorinnen wollen sich dabei auf die Bereiche Arbeitsmarkt, finanzielle Inklusion und Digitalisierung konzentrieren. So soll die Erwerbsbeteiligung von Frauen in allen Ländern der G 20 nachprüfbar gesteigert werden. Bereits beim G-20-Gipfel in Australien 2014 hatten sich die Staats- und Regierungschefs darauf verständigt, bis 2025 die Lücke zwischen der Erwerbsbeteiligungsquote von Männern und Frauen um 25 Prozent zu reduzieren. In Deutschland waren 2014 insgesamt 78 Prozent der Männer im Alter von 15 bis 65 Jahren erwerbstätig, bei den Frauen waren es 69 Prozent. In anderen G-20-Staaten ist diese Lücke weitaus größer. Die Staats- und Regierungschefs sollten sich nach Auffassung der W 20 nun verpflichten, die Umsetzung der in Brisbane beschlossenen Zielvorgabe verbindlich zu überprüfen. Zugleich sollten die G 20 darauf hinarbeiten, das „Lohngefälle (zwischen Männern und Frauen) zu reduzieren und schließlich zu beseitigen, um das globale Wirtschaftswachstum signifikant zu steigern sowie Armut und Ungleichheit zu reduzieren“.

Das zweite große Thema auf der Agenda der W 20 ist die finanzielle Teilhabe von Frauen. So fordern die W 20, Frauen gleichermaßen wie Männern Zugang zu Kapital, zu Finanzanlagen und Märkten zu ermöglichen. Das ist nicht in allen G-20-Ländern selbstverständlich, wie auch eine weitere Forderung zeigt: Demnach sollten endlich Gesetze abgeschafft werden, die die volle Geschäftsfähigkeit von Frauen verhindern. Auf diese Weise sollen die Selbstständigkeit von Frauen gestärkt und weibliches Unternehmertum gefördert werden, was der gesamten Wirtschaft zugutekäme.

"Zu wenige Frauen in Forschung und Entwicklung"

Das dritte und aus Sicht der deutschen Organisatorinnen vielleicht wichtigste Thema der W 20 ist die Digitalisierung und die Teilhabe von Frauen an den damit einhergehenden Veränderungsprozessen. „Viele typische Frauenjobs werden künftig wegfallen“, sagt VdU-Geschäftsführerin Große-Leege. Die Frage sei, wie sich die Gesellschaft darauf vorbereite. „In diesem Zukunftsfeld sind derzeit zu wenige Frauen in Forschung und Entwicklung tätig, zu wenige machen sich selbstständig, und zu wenige Studienanfängerinnen entscheiden sich für mathematisch-naturwissenschaftliche Fächer (MINT).“ Am Rande der G-20-Digitalministerkonferenz in Düsseldorf in der vergangenen Woche verwiesen die Frauen darauf, dass es auch in G-20-Ländern beim Zugang zum Internet nach wie vor eine Kluft zwischen den Geschlechtern gibt.

Gerade im Bereich Digitalisierung, so hoffen die Organisatorinnen, könnte eine der Empfehlungen Eingang in die Abschlusserklärung der G 20 finden. Diese Erklärung ist zwar rechtlich unverbindlich und in der Regel nur zwei oder drei Seiten lang. Doch für die gesellschaftlichen Gruppen, die wie die W 20 seit Monaten in mühsamer Kleinarbeit im eigenen Land und in einem internationalen Dialogprozess ihre Positionen abgestimmt haben, wäre es ein sichtbarer Erfolg.

Auch IWF-Chefin und Kanadas Außenministerin nehmen teil

Von diesen Vorarbeiten hat Ivanka Trump wohl bisher nichts mitbekommen. Die Nachricht von ihrer beabsichtigten Teilnahme hat die Organisatorinnen des deutschen W-20-Gipfels mehr als überrascht. In letzter Minute musste am Programm gefeilt werden, eilig wurde ein Panel mit Trump und mehreren hochkarätigen Rednerinnen geplant. Nun diskutiert die "First Daughter" am kommenden Dienstag mit der Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, Kanadas Außenministerin Chrystia Freeland, der niederländischen Königin Maxima und der Kanzlerin darüber, wie die unternehmerische Tätigkeit von Frauen gefördert werden kann.

Droht die Teilnahme der Präsidententochter den W-20-Gipfel in der öffentlichen Wahrnehmung zu überlagern? Kaum war die Nachricht aus Washington bekannt geworden, riefen schon der US-Sender CNN und andere internationale Medien im Berliner W-20-Büro an, um sich für den Gipfel anzumelden. „Dann wird hoffentlich nicht nur über die Präsenz von Frau Trump berichtet, sondern auch über Inhalte“, sagt Küppers.

Dieser Text erschien zuerst in der "Agenda" vom 11. April 2017 und wurde mit Details zum Programm ergänzt.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false