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Viel investiert. BMW hat Milliarden in die Entwicklung seiner elektrischen i-Klasse gesteckt.

© dpa

Kaufprämien für E-Autos: Streit um die Förderung der Elektromobilität

Die Autoindustrie hofft auf 5000 Euro Prämie beim Kauf eines E-Mobils. Finanziert werden könnte der Zuschuss mit einer Benzinpreisabgabe. Der Vorschlag hat es in sich.

Bis kurz vor Mitternacht saßen die Herren bei Angela Merkel (CDU) im Kanzleramt. BMW-Chef Harald Krüger, Daimler-Chef Dieter Zetsche, VW-Chef Matthias Müller und der Präsident des Autoverbandes, Matthias Wissmann, waren vor einer Woche zu Merkel geeilt, um die Kanzlerin zum Bruch des Koalitionsvertrages aufzufordern. „Bei der Unterstützung des Markthochlaufs der Elektromobilität setzen wir auf nutzerorientierte Anreize statt auf Kaufprämien“, hatten sich CDU/CSU und SPD 2013 im Abschnitt 1.3. des Vertrages zur Bildung der rot-schwarzen Koalition versprochen. „In Deutschlands Zukunft investieren“ lautete die Überschrift.

Die Auto-Lobbyisten empfahlen Merkel, das Versprechen zu vergessen – und Ernst zu machen mit der versprochenen Unterstützung des „Markthochlaufs“ der Elektromobilität. Nachdem die Industrie 14 Milliarden Euro in die Entwicklung der Antriebstechnologie investiert habe, sei nun die Regierung dran. Zwar hat auch sie einige Milliarden in die Förderung von Forschung und Entwicklung gesteckt. Doch das hat nicht gereicht. Nur rund 30 000 Elektroautos gibt es in Deutschland. Jedem privaten Käufer eines Elektroautos, so der Vorschlag der Autolobby, solle künftig deshalb ein Zuschuss von bis zu 5000 Euro beim Kauf eines E-Autos gegeben werden. Die Prämie sei sinnvoll, das zeigten Beispiele in anderen Ländern. Und sie sei nötig, weil Elektroautos für viele Verbraucher noch zu teuer seien und die Zurückhaltung der deutschen Autofahrer ein politisches Ziel gefährde: eine Million Elektrofahrzeuge auf deutschen Straßen bis 2020 – in vier Jahren also.

Auch CSU-Chef Seehofer ist für die Prämie

Die Zeit drängt und die Autobosse glaubten, auf offene Türen im Kanzleramt zu treffen. Schließlich sind inzwischen mindestens drei von vier zuständigen Ministern in Merkels Kabinett für eine Kaufprämie. Auch CSU-Chef Horst Seehofer fordert sie knapp zweieinhalb Jahre nach der Unterschrift unter den Koalitionsvertrag. „Wenn man sich gemeinschaftlich von einer Vereinbarung verabschiedet, dann ist das in Ordnung“, begründete Seehofer die geplante Vertragsverletzung.

Doch von Gemeinsamkeiten ist man weit entfernt, das Treffen bei Merkel endete ohne Ergebnis. „Wir sind so schlau wie vorher“, hieß es aus dem Teilnehmerkreis. Vor allem der hartnäckige Widerstand des Finanzministers gegen eine Kaufprämie vereitelte einen Kompromiss. Wolfgang Schäuble (CDU) fordert eine finanzielle Gegenleistung der gut verdienenden Automobilindustrie, die dazu auch im Prinzip bereit wäre – etwa mit einer Beteiligung an einer Kaufprämie. Doch Höhe und Procedere müssen noch ausgehandelt werden. Auch die Fragen, wie die Ladesäulen-Infrastruktur und die Reichweite der Batterien verbessert werden können, sind noch unbeantwortet. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD), ein Befürworter der Kaufprämie, fordert von der Wirtschaft verbindliche Zusagen, dass sie sich im Bereich der Batterie-Forschung und -Produktion in Deutschland stärker – und gemeinsam – engagiert. Auch Gabriel soll vom Auftreten der Konzerne bei Merkel nicht überzeugt gewesen sein.

Was Autofahrer eine Spritabgabe kosten würde

Stromausfall. Die Zahl der Ladesäulen in Deutschland ist immer noch zu klein.
Stromausfall. Die Zahl der Ladesäulen in Deutschland ist immer noch zu klein.

© dpa

In den kommenden Tagen trifft nun BMW-Chef Krüger auf Wunsch Merkels erneut mit Schäuble zusammen, um ein Entgegenkommen der Autokonzerne im Detail auszuloten. „Die Autoindustrie mahnt uns ansonsten ja immer, auf marktwirtschaftliche Prinzipien zu achten“, hatte Schäuble vor dem Autogipfel im Kanzleramt gesagt. „Diese Appelle nehme ich ernst.“ Im März will die Bundesregierung ein Förderpaket präsentieren, mit dem alle Seiten leben können.

„Jetzt kommt es darauf an, dass wir den Finanzminister überzeugen“, sagte Henning Kagermann, Leiter der Nationalen Plattform für Elektromobilität (NPE) dem „Spiegel“. Der frühere SAP-Chef, der die Kanzlerin vor Weihnachten telefonisch zum Handeln aufforderte, schlägt eine „Sonderabgabe“ von einem bis eineinhalb Cent auf Diesel und Benzin vor, die Autofahrer mit zwölf Euro im Jahr belasten und genug Geld zur Finanzierung einer Kaufprämie einbringen würde – rund zwei Milliarden Euro.

Ein Modell, das auch die Autohersteller favorisieren: „Es träfe uns nicht und würde das notwendige Volumen zur haushaltsneutralen Gegenfinanzierung bringen“, heißt es bei einem Unternehmen. Schäubles Mantra, auf keinen Fall Steuern zu erhöhen, habe der Minister selbst aufgegeben, wird erklärt. Schäuble hatte Anfang des Jahres eine zusätzliche EU- weite Benzinsteuer vorgeschlagen, um die Kosten der Flüchtlingskrise zu finanzieren.

Eine Spritabgabe hätte das beste Kosten-Nutzen-Verhältnis

Kagermann stützt seinen Vorschlag auf eine Berechnung von Roland-Berger-Beratern, die bereits im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis kamen, dass eine Kaufprämie von 5000 Euro für private und 3000 Euro für gewerbliche E-Auto-Käufer das „beste Kosten-Nutzen-Verhältnis“ hätte. Das Millionen-Ziel werde damit „nur knapp verfehlt“, 2020 wären nach der Prognose dank Prämie gut 900 000 E-Fahrzeuge auf der Straße.

Elektromobilität fördern, Diesel und Benziner verteuern – das Modell wäre nach dem VW-Abgas-Skandal und angesichts aktuell niedriger Spritpreise wohl auch der Öffentlichkeit vermittelbar. Nach dem Geschmack der Umweltverbände ist es ohnehin. Ein nachhaltiges Gesamtkonzept mahnt der verkehrspolitische Sprecher des ökologischen Verkehrsclubs VCD, Gerd Lottsiepen, an. „Da fehlt es der Bundesregierung bisher an Fantasie. Außer der Busspurnutzung und dem freien Parken ist ihr nichts eingefallen.“ Tatsächlich hat Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) nach dem Elektromobilitätsgesetz weitere Initiativen beim Thema Elektromobilität vermissen lassen. Inzwischen ist er von seiner kategorischen Ablehnung einer Kaufprämie abgerückt – wohl auch nach Interventionen seines Parteichefs Seehofer.

Wenig Freunde hat Dobrindt im Umweltministerium, wo radikale Vorschläge der Ministerin Barbara Hendricks (SPD) wiederbelebt werden. Sie saß zum Ärger ihrer Beamten im Kanzleramt nicht mit am Tisch. Ende 2015 hatte Hendricks mit einer gesetzlichen Elektro-Quote für Autohersteller gedroht, sollte eine Kaufprämie nicht kommen und der Markthochlauf weiter stocken.

Selbst wenn die Debatte auf eine – wie auch immer finanzierte – Kaufprämie zuliefe, wäre noch die Frage, wie gerecht sie wäre. Denn auch Käufer eines Porsche Cayenne S E-Hybrid (83 000 Euro) oder Tesla Model S (83 500 Euro) kämen in den Genuss einer Prämie.

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