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Vertraut mit Merkel und mit Schäuble. Kulturstaatsministerin Monika Grütters bei einer der wöchentlichen Kabinettssitzungen.

© AFP

Monika Grütters: Kultur Schaffende

Ob Goethe oder Humboldt, Bauhaus oder Luther – nach drei Jahren im Kanzleramt ist klar: Wenn es um ihre Herzensangelegenheit geht, zögert Staatsministerin Grütters nicht lange.

Mit Bauhelm sieht sie dann natürlich besonders dynamisch aus. Eine Begehung des Humboldt-Forums: Der Morgen ist kalt, der Wind pfeift auf Deutschlands größter Kulturbaustelle durch die Innenhöfe, die einmal italienische Piazza-Qualitäten entfalten sollen. Zu sehen gibt es nichts, die Journalisten sollen zuhören. Wenn die Kulturstaatsministerin vom Humboldt-Forum spricht, ist noch mehr Leidenschaft im Spiel als bei ihren anderen Großthemen. Monika Grütters hat das Projekt zu einer Herzensangelegenheit gemacht. Aber was wäre das nicht in ihrem Portefeuille? Und schließlich, wie der Gelehrte Alexander von Humboldt meinte, hängt alles mit allem zusammen.

Auf nacktem Betonboden, das Mikrofon funktioniert nicht, gibt Grütters eine Personalentscheidung bekannt. Die Berliner Kulturmanagerin Lavinia Frey soll das Kulturprogramm im Humboldt-Forum leiten. Das musste jetzt schnell gehen. Zwar ist mit der Eröffnung nicht vor Herbst 2019 zu rechnen, man spricht hinter den Kulissen von einem soft opening mit symbolischen Akten. Aber auf dem Humboldt-Forum lastet hoher Erwartungsdruck.

Den spürt auch das Triumvirat der Gründungsintendanten, angeführt von dem Museumsmagier Neil MacGregor. Monika Grütters hat ihn aus London nach Berlin geholt, die Bundeskanzlerin hat ihr dabei geholfen. Auch diese Aktion wirkte wie ein Coup. Dass der Schotte MacGregor sich jetzt nach dem Brexit-Desaster in Berlin, bei einer ruhigen Politikerin wie Angela Merkel, gut aufgehoben fühlt, kann nicht überraschen.

Eigener Politikstil

Monika Grütters hat ihren eigenen Politikstil. Sie kann ansatzlos Reden zur Lage der Kulturnation halten. Wenn der Wortfluss sie dann auch davonträgt, so ist sie doch ausgesprochen entscheidungsfreudig. Der Direktor des Deutschen Historischen Museums musste gehen, weil das Haus in Schieflage geraten war. Da zögerte die Staatsministerin nicht. Schon gar nicht bei der Frage von Nazi-Raubkunst und Provenienzforschung. Eine Task Force und eine Forschungsstelle wurden eingerichtet. Grütters handelt, wo andere Kulturpolitiker gewartet oder nur geredet haben. Dabei entsteht manchmal der Eindruck, als sei der erste Schritt schon die Lösung des Problems.

Sie kann auch zuhören. Die gebürtige Münsteranerin und Katholikin ist seit Jahrzehnten fest verankert in der Berliner Kultur. Die 54-Jährige wurde schon auf der Landesebene von der Kulturszene als kompetent und engagiert geschätzt – mehr als in ihrer eigenen Partei, der CDU. Der fehlt eine Spitze, die wie Grütters selbstverständlich Großstadt mit konservativer Haltung verbindet. Berlins Christdemokraten steuern wieder mal auf einen unfrohen Wahlabend im September zu. Da ist es schöner im Kanzleramt, als Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM). Gerhard Schröder hat das Amt 1998 ins Leben gerufen. Dass sich die Kulturnation Deutschland kein eigenständiges Kulturressort leistet, fällt bei Monika Grütters nicht weiter auf. Sie hat das Amt auf sich zugeschnitten.

Sie wollte es unbedingt, und sie zeigt ihre Ungeduld, wenn es nicht schnell genug geht, das gehört zu ihrer Art. Zugleich erfordern die Themen, die unbearbeitet herumlagen, als sie ins Amt kam, auch ein gewisses Tempo. Zum Beispiel das Museum der Moderne in Berlin: Die Sammler, die ihre Schätze hergeben, sind in hohem Alter. Und als Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) für den Neubau am Kulturforum 200 Millionen Euro in Aussicht stellte, griff Grütters zu und beendete einen jahrzehntealten Streit darüber, wie die Stadtlandschaft zwischen Potsdamer Platz und der Neuen Nationalgalerie jenseits der Provisorien aussehen könnte. Die alten Stadtplaner waren wütend, wollten weiter debattieren, kamen gar mit der absurden Idee der unterirdischen Verlegung der Potsdamer Straße, aber da war die Sache schon entschieden.

Noch mehr Ärger hat Grütters bei dem neuen Kulturgutschutzgesetz erlebt. Kunsthändler tobten, kunstsinnige Juristen attackierten die Staatsministerin, Sammler und Auktionshäuser fuhren eine massive Kampagne. Inzwischen hat der Bundestag das Gesetz verabschiedet. Es soll vor allem auch die illegalen Geschäfte von Terroristen mit Antiken eindämmen. Es gibt ebenso viele Experten, die für die neuen Regelungen sind, wie Fachleute und Lobbyisten, die dagegen Sturm liefen. Grütters hat es durchgezogen. Diese Durchsetzungskraft haben ihr viele nicht zugetraut.

Die Kanzlerin lässt ihr freie Hand

Sie genießt Merkels Vertrauen. Die Kanzlerin gilt als kulturinteressiert, hält sich auf dem Gebiet aber zurück. Sie lässt Grütters freie Hand. Eng auch ist die Zusammenarbeit mit Wolfgang Schäuble. Mehr Hausmacht kann sich eine Staatsministerin nicht wünschen. Und es ist gut für die Kultur. Beim neu ausgehandelten Hauptstadtvertrag soll es ein verstärktes Engagement des Bundes für die Kultur in der Hauptstadt geben.

Politische Gegenspieler haben es da nicht leicht. Zwischen Grütters’ BKM und dem Auswärtigen Amt, das sich zunehmend für Kultur interessiert und bei dem das Goethe-Institut ressortiert, gibt es eine funktionierende Abstimmung. Das Haus von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) beschäftigt sich mit Kulturprojekten im Ausland, dafür gibt es offenere Formen. Grütters verantwortet den dicken Brocken Humboldt-Forum, da geht es schließlich auch um die Selbstdarstellung Deutschlands in einer globalisierten Welt. Direkter Nachbar des nachgebauten Schlosses, in dem das Humboldt-Forum untergebracht wird, ist der Außenminister. Im Humboldt-Forum laufen künftig recht unterschiedliche kulturpolitische Aufgaben und Auffassungen zusammen.

Der Kulturhaushalt des Bundes soll nach dem Regierungsentwurf 2017 auf rund 1,35 Milliarden Euro steigen. Das wäre eine Zunahme von 5,8 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Neben den großen Bauprojekten werden das Bauhaus-Jubiläum, Aktivitäten im Luther-Jahr oder auch Stipendien für die neue Barenboim- Said-Akademie in Berlin finanziert. Es geht den kulturellen Institutionen in der Bundesrepublik im Prinzip gut, auch wenn kleinere Stadttheater und Kommunen leiden. Das fällt nicht in Grütters’ Zuständigkeit. Aber sie sieht die Probleme, geht nicht nur zu den Richard-Wagner-Festspielen nach Bayreuth, sondern auch mal auf Tour durch die Provinz, zu den sonst wenig beachteten Bühnen. Für sie hat sie einen neuen Theaterpreis ausgelobt.

Die Kulturszene ist vielfältig und immer mehr auch ein attraktives politisches Betätigungsfeld. Kultur bedeutet nicht Macht, aber ohne Kultur sieht Macht auch in der Demokratie nicht gut aus. In Berlin liegt die kulturpolitische Verantwortung, mit dem Amt des Kultursenators, seit Jahren schon beim Regierenden Bürgermeister. Mit einer Hauptstadt, die zugleich Kulturmetropole ist, hat die Kulturpolitik an Attraktivität und Einfluss gewonnen. Auffällig verschiebt sich zudem das Kulturelle hin zum Diskursiven. Kulturinstitutionen in Berlin öffnen sich für gesellschaftspolitische Fragen. Das Maxim Gorki Theater arbeitet bei einem Debattenforum direkt mit dem Auswärtigen Amt zusammen.

Opposition gegen Grütters

Hier kommen Johannes Kahrs (SPD) und Rüdiger Kruse (CDU) ins Spiel. Die beiden Hamburger Bundestagsabgeordneten sind Berichterstatter ihrer Parteien für Kultur und Medien im Haushaltsausschuss des Bundestags. Sie bilden eine Art interne Opposition gegen Grütters, eine kleine Nebenregierung, gern mit hanseatischer Schlagseite. Das Duo arbeitet im Hintergrund, neigt aber auch zur öffentlichen Selbstdarstellung.

Kruse und Kahrs haben Mittel besorgt für eine bundesweite Kooperation freier Theaterhäuser. Auch in Berlin sind sie aktiv. Das Haus der Kulturen der Welt und die Berliner Festspiele bekommen Bundesgeld für Langzeitvorhaben zur Verfügung gestellt. Wie viel das sein wird, stellt sich erst in den Haushaltsverhandlungen im November heraus. Wer Widersacher hat, die zusätzliches Geld beschaffen, kann sich glücklich schätzen.

2016 ist für Monika Grütters bisher das turbulenteste Jahr, ihr drittes im Amt. Als sie 2013 von Angela Merkel berufen wurde, waren die Reaktionen positiv und auch ein wenig abwartend. Abwarten aber, das hat sich bald gezeigt, liegt Grütters nicht, nach vielen Jahren als Parlamentarierin im Berliner Abgeordnetenhaus und im Bundestag. Sie will in einer Legislaturperiode mehr schaffen als all ihre Vorgänger zuvor. Dafür wirbelt sie selbst wie eine Task Force.

Die großen Berliner Baustellen, für die sie verantwortlich ist, bergen massiven Konfliktstoff, ob Humboldt- oder Kulturforum. Bis jetzt ist alles gut gegangen. Sie kennt Berlin, von Charlottenburg bis Marzahn, und sie weiß, wie schnell sich das ändern kann.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 19. Juli 2016, einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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