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Markus Voigt, Präsident des Vereins Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI) vor dem Ludwig Erhard Haus.

© Thilo Rückeis

Neues vom VBKI: Wenn Kaufleute über Ethik sprechen

Bürgerliches Engagement für das große Ganze – der Verband Berliner Kaufleute und Industrieller will mehr sein als ein Wirtschaftsverband.

Seit 1998 sind Parlament und Bundesregierung in Berlin. Das ist eine Zeitspanne, die eigentlich ausreichen sollte, um sich mit der Stadt zu vernetzen, zumal die Berliner Gesellschaft, im Gegensatz etwa zu der Hamburgs, als ziemlich offen gilt. Hier wird man schnell aufgenommen, wenn man will – Berlin ist eben kein Zustand, sondern ein Prozess.

Manchmal klappt es aber doch nicht, keiner weiß dann so recht, an wem es liegt. Der fehlgeschlagene Versuch der aus Bonn umgezogenen CDU-Mitglieder, Teil der städtischen Union zu werden, ist ein trauriger Beweis dafür. Die Bundespolitik in Berlin, das sei oft so etwas wie ein separates Dorf in der Stadt, Zugbrücke inklusive, hört man gelegentlich. Eine Institution, die auch erst gerade 25 Jahre Einheit hinter sich hat, hat sich auf den Weg gemacht, zumindest im Bereich des Wirtschaftslebens, aus dem Neben- ein Miteinander zu machen. Der Verein Berliner Kaufleute und Industrieller (VBKI), ein 1879 gegründeter Verband, bietet sich als Debattenplatz und Moderator an.

Die Wiedervereinigung war für den VBKI nach den West-Berliner Jahren begrenzter Chancen und gesellschaftlicher Aktivitäten so etwas wie ein Jungbrunnen. Denn die Ausdehnung nach Ostberlin, wo selbstständiges Unternehmertum ja erst wachsen musste, zwang zur Erneuerung. Wie stark sich der heute 1900 Mitglieder zählende Verband – 600 kamen erst in den vergangenen vier Jahren dazu – inzwischen als Vertreter gesamtdeutscher Interessen, vor allem aber auch der ostdeutschen Wirtschaft, versteht, wurde am 20. Oktober auch für die breite Öffentlichkeit deutlich. An diesem Tag wurde in der European School of Management and Technology am Schlossplatz zum ersten Mal der vom VBKI gestiftete Preis "Macher 25" verliehen. Mit dem "großen Wirtschaftspreis des Ostens" wollte die Berliner Wirtschaftsvereinigung die Aufbauleistung in den neuen Ländern honorieren. Sigrid Nikutta, Präsidiumsmitglied des VBKI, zitierte dabei Helmut Kohls blühende Landschaften. Die gibt es 25 Jahre nach der Wiedervereinigung, nicht nur als Folge der zwei Billionen Euro, die im Osten investiert wurden, sondern dank vieler kleiner und mittlerer Unternehmer – Großunternehmen findet man in den neuen Ländern kaum.

Auch Berlin selbst sei ja ein Beispiel für wirtschaftlichen Wandel und Aufschwung, erinnert Nikutta unter dem Stirnrunzeln von Alt-Stadtoberhaupt Klaus Wowereit. Und sagt ihm dann auch fröhlich, das müsse jetzt einfach mal sein, denn hier im wiedervereinigten Berlin seien die Staatsindustrien des Ostens mit der subventionierten Wirtschaft des Westens verschmolzen worden.

VBKI, das steht auch für eine Mischung aus bürgerschaftlichem Engagement und sozialer Marktwirtschaft, der Gesellschaft gegenüber verantwortungsbewusstem Unternehmertum. Man will öffentliches Forum sein, Austragungsort kontroverser Debatten, Denkfabrik. Veranstaltungen der Ausschüsse etwa für Internationale Politik und Wirtschaftspolitik werden gerne auch von Bundespolitikern genutzt. Wenn im Arbeitskreis "Wirtschaft und Ethik" die aus dem Mittelalter stammenden Grundsätze eines ehrbaren Kaufmanns auf ihre Tauglichkeit für das 21. Jahrhundert geprüft werden, prallen Praktiker und Theoretiker aufeinander, Wirtschaftswissenschaftler der Humboldt- Universität und engagierte Unternehmer, Idealisten und Realisten. Wenn sich aber am Ende herausstellt, dass diese Grundsätze bis heute Fundament und Leitschnur der Wirtschaft sein können, dann werden sie vom VBKI auch so verabschiedet. Präsident Markus Voigt und Geschäftsführer Udo Marin sind die treibenden Kräfte bei dieser Re-Politisierung einer Traditionsvereinigung. Voigt sieht seinen VBKI, das ist ihm sehr wichtig, eben nicht als Lobbyistenvereinigung.

Das "Sicheinmischen" hat viel mit sozialer Verantwortung für das Gemeinwesen zu tun – es gibt eine aufwendige Sport-, Wissenschafts- und Kulturförderung des VBKI, vor allem aber das Lesepatenprojekt Bürgernetzwerk Bildung, in dem mehr als 2000 ehrenamtliche Berlinerinnen und Berliner jede Woche in Kindergärten und Schulen Mädchen und Jungen Hilfe beim Lesenlernen geben. Initiatorin war 2005 die frühere Bildungssenatorin Sybille Volkholz. Dass der VBKI bei allem Engagement kein Verein von Kindern der Traurigkeit ist, sieht man beim Sommerfest und beim großen Ball. Mancher Bundespolitiker hatte hier seinen ersten Kontakt mit der Organisation.

Der Text erschien in der "Agenda" vom 3. November 2015 - einer Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

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