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Nicola Leibinger-Kammeier.

© picture alliance / dpa

Streit um Erbschaftsteuer: Frau Leibinger macht Druck

Die Unternehmer sind empört über Wolfgang Schäubles Erbschaftsteuerpläne. Aber nur ein Verband agiert aussichtsreich – bisher jedenfalls.

Nicola Leibinger-Kammüller ist Unternehmerin. Eine der bekanntesten in Deutschland. Die Schwäbin führt die familieneigene Maschinenbaufirma Trumpf, 11 000 Mitarbeiter, zweieinhalb Milliarden Euro Umsatz. Trumpf in Ditzingen ist einer dieser "hidden champions", auf die man so stolz ist in der Exportnation. Leibinger ist keine Ingenieurin, auch einen MBA hat sie nicht, wohl aber einen Doktortitel in Germanistik, Promotionsarbeit über Erich Kästner. Um den Brei herumzureden ist nicht ihre Sache. Anfang März hat Leibinger mit einigen anderen Unternehmern in Berlin bei der Kanzlerin vorbeigeschaut. Frau Leibinger und Frau Merkel kennen sich, sie schätzen sich wohl auch, aus pietistischer Familie die eine, aus evangelischem Pfarrhaus die andere. Aber an jenem Mittwoch ging es darum, der Regierungschefin mal die Meinung zu sagen. Das würden beide Seiten anders formulieren, man wahrt die diplomatischen Formen auch beim Lobbying. Aber die Familienunternehmer sind auf breiter Front unzufrieden mit Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble und seinen Plänen für die Reform der Erbschaftsteuer. Das wollte man der Kanzlerin nahe bringen. Leibinger ist Unternehmenserbin, ihr Vater Berthold hat Trumpf nach oben gebracht. Und sie wird vererben, denn sie hat vier Kinder.

Enttäuschte Erwartungen

Im Unternehmerlager ist die Erbschaftsteuer naturgemäß unbeliebt. Aber man konnte, zumal seit der Reform von 2008, ganz gut mit der Gesetzeslage leben. Wenn das Unternehmen weitergeführt und die Mitarbeiterzahl konstant gehalten wurde, dann trat nach sieben Jahren die volle Steuerbefreiung ein. Im Grundsatz wurde das, zur Erleichterung der Familienunternehmer, im Dezember vom Bundesverfassungsgericht bestätigt. Nur verlangten die Richter schärfere Verschonungsregeln, vor allem, dass im Falle größerer Unternehmen eine Prüfung erfolgen soll, ob genügend Vermögen, Liquidität, Reichtum vorhanden ist, um die Steuer zahlen zu können. Die Unternehmer stellten sich auf gewisse Verschlechterungen ein, doch hatte die Koalition in Berlin ja vereinbart, dass die Unternehmensnachfolge auch künftig durch die Erbschaftsbesteuerung nicht gefährdet werden soll. "Minimalinvasive Eingriffe" – so deuteten die Unternehmer die Äußerungen aus der Koalition. Aber dann kam Schäuble.

Der Finanzminister stellte im Februar seine Eckpunkte vor. Er sei weit über die Karlsruher Vorgaben hinausgegangen, lautete unisono die Unternehmermeinung. Schäuble will die Bedürfnisprüfung schon ab einem Erbwert von 20 Millionen Euro einführen. Damit will er verhindern, dass zu wenige Erben unter die Prüfung fallen. Verschont würde nur noch betriebsnotwendiges Vermögen, also alle Güter, die zu mehr als 50 Prozent dem Hauptzweck des Unternehmens dienen. Verwaltungsvermögen, in dem bislang gern auch Privatvermögen versteckt wurde, wäre nur noch zu zehn Prozent verschont. Und Schäuble will neben dem ererbten oder übertragenen Privatvermögen auch das komplette bereits vorhandene Privatvermögen eines Erben zur Prüfung und zur Hälfte auch zur Begleichung der Steuerschuld heranziehen. Mit diesem Ansatz habe er "alle links überholt", stöhnte ein Unternehmerfunktionär. Also auch die Koalitionspartnerin SPD, die damit kaum Profilierungsspielraum hat. Vizekanzler Sigmar Gabriel blieb wenig übrig, als sich hinter Schäuble zu stellen – und zu schauen, wie der Kampf des Finanzministers ausgeht, ein Kampf mit der eigenen Partei (deren Mittelstandspolitiker empört sind), der CSU (die zuverlässig anderer Meinung ist), den Ländern (denen die Einnahmen aus der Steuer zustehen) und eben den Unternehmerverbänden.

Keine einheitliche Linie

Letztere sind freilich überraschend schlecht aufgestellt. Eine einheitliche Linie gibt es nicht. Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft etwa plädiert für ein radikal vereinfachtes Modell mit geringen Steuersätzen, aber ohne Ausnahmen, das derzeit jedoch keine politischen Mehrheiten findet. Die sogenannte Achterbande, die großen Wirtschaftsverbände, angeführt vom Bundesverband der deutschen Industrie, manövrierte sich ins Off, weil sie zu hohe Forderungen stellte (Freibetrag von 300 Millionen Euro bei der Bedürfnisprüfung) und alle Unternehmen von der Prüfung befreien wollte, die dem Charakter nach Familienunternehmen sind. Doch solche qualitativen Kriterien sind schwer festzulegen, und sie dürften, so glauben Juristen, in Karlsruhe nicht durchkommen. Der Verband der Familienunternehmen, die frühere Arbeitsgemeinschaft selbstständiger Unternehmer, trat zwar moderater auf, wünschte aber auch qualitative Kriterien. Dem schloss sich nur die CSU an – doch rücken Seehofer & Co. davon schon wieder ab.

Einzig die Stiftung Familienunternehmen, kein klassischer Verband, sondern eine Art Interessenbündnis von etwa 400 meist größeren Unternehmen, mit Sitz und kleinem Apparat in München und einer Niederlassung am Pariser Platz in Berlin, scheint sich durch relativ moderate Vorstellungen und eine realistische Orientierung an den Karlsruher Vorgaben einen gewissen Einfluss verschafft zu haben. Leibinger gehört zu den Kuratoriumsmitgliedern. Freilich begann das Lobbying der Stiftung nicht erst im Kanzleramt. Sondern bei den zuständigen Beamten der Länderfinanzministerien, jedenfalls der wichtigeren. Die Erbschaftsteuereinnahmen stehen den Ländern zu. In Stuttgart, Wiesbaden, Düsseldorf, auch in München stieß die Stiftung offenbar auf offene Ohren, zumal Steuerbeamte Revolutionen nicht mögen – und in Schäubles Ansatz steckt viel Umbruch. Auch die Landesfinanzminister hörten sich die Vorschläge der Stiftung an, mit dem Ergebnis, dass die Modelle, welche Thomas Schäfer aus Hessen und Nils Schmid aus Stuttgart schließlich vorstellten, den Überlegungen der Stiftung relativ nahe kamen: keine Berücksichtigung der bereits vorhandenen Privatvermögen, keine Definition betriebsnotwendigen Vermögens, eine Bedürfnisprüfung erst ab einem Unternehmenswert von 100 Millionen Euro.

Länder eher gegen Schäuble

Dem Sozialdemokraten Schmid und dem Christdemokraten Schäfer liegt vor allem daran, dass es in den Unternehmen in ihren Ländern nicht zu öffentlichen Erbschaftsteuerquerelen oder gar zu Verkäufen kommt – die möglicherweise einen Betrieb gefährden und damit Arbeitsplätze. Auch in anderen Ländern, die sich weniger deutlich positionieren, teilen die Finanzminister die Details des Schäuble- Modells eher nicht, auch wenn Sozialdemokraten wie Norbert Walter-Borjans in NRW oder Peter-Jürgen Schneider in Niedersachsen den Bundeskollegen dafür loben, den Gerechtigkeitsaspekt der Erbschaftsteuer berücksichtigt zu haben. In der Finanzministerkonferenz gibt es jedenfalls mehr Kritik als Zustimmung.

Mittlerweile scheint sich auch Schäuble für das Stiftungsmodell zu interessieren, wie Teilnehmer einer Veranstaltung der Unions-Fraktion am vorigen Donnerstag beobachteten. Der einzige Verband, der in jener Sitzung außer mit Kritik auch mit einem solchen Gegenmodell aufwarten konnte, war dem Vernehmen nach die Stiftung. Wenn er eine verfassungskonforme Alternative vorgelegt bekomme, hat der Finanzminister immer gesagt, sei er durchaus bereit, seine Meinung zu ändern. Doch noch hat Schäuble Zweifel an den Vorstellungen der Stiftung und der Länder. Wie weit Leibinger & Co. am Ende durchdringen, ist offen. Gut möglich, dass die Trumpf-Chefin noch einmal um einen Termin bei Merkel bittet.

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