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Im Juli 2014 hat Badreldin Abdalla seinen Dienst als Botschafter des Sudan in Berlin angetreten. Er ist mit seiner Frau, zwei Söhnen und zwei Töchtern nach Berlin gezogen.

© imago

Update

Sudan und Südsudan: Im Auftrag zweier Kriegsherrn

Eine Stadt, zwei Botschafter, jede Menge Probleme: Wie die Vertreter von Sudan und Südsudan in Berlin um Investoren und Touristen werben. Die Botschafterin legt aber Wert darauf, einen "gewählten Präsidenten und ein souveränes Land" zu vertreten.

Ob Badreldin Abdalla oder Sitona Abdalla Osman den schwierigeren Job hat, ist schwer zu sagen. Badreldin Abdalla ist seit Juli 2014 Botschafter in Deutschland. Er repräsentiert den Sudan. Nach gängiger Meinung ein Schurkenstaat. Sitona Abdalla Osman ist seit August 2012 Botschafterin in Berlin für das jüngste Land der Welt: den Südsudan. Der steht in diesem Jahr schon zum zweiten Mal auf Platz eins des Index gescheiterter Staaten.

Seit Dezember 2013 kämpfen im Südsudan zwei skrupellose Ex-Rebellen mit allen Mitteln um die Macht. Tausende Menschen sind in den Kämpfen getötet worden, die Hälfte der Bevölkerung braucht Nahrungsmittelhilfe und ein Ende ist nicht in Sicht. Kein Wunder, dass der Südsudan an der Spitze der Staaten steht, die nicht funktionieren. Der Sudan steht auf Platz fünf kaum besser da.

Ein Präsident, der sich nicht schönreden lässt

Beide tun ihr Bestes, um ihr Land gut aussehen zu lassen. Aber wie soll Badreldin Abdalla einen Präsidenten schönreden, der seit nunmehr zehn Jahren mit einem Haftbefehl des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) gesucht wird, weil ihm Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen und Völkermord in der westsudanesischen Provinz Darfur vorgeworfen werden? Mitte April hat Omar al Baschir, der sich 1989 unblutig an die Macht geputscht hat, wieder einmal wählen lassen. Er hatte zwar zehn Gegenkandidaten, aber die kannte niemand, und es war auch keiner von der Opposition dabei. Die hat die Wahlen boykottiert. Ziemlich erfolgreich sogar. Nach drei Wahltagen hatten sich gerade mal 40 Prozent der Wahlberechtigten beteiligt. Omar al Baschir ficht das nicht an. In einer Zeit, „in der die meisten Nachbarn Sudans unter Konflikten, Instabilität und Terror leiden, ist meine Regierung eine der wenigen Oasen der Stabilität“, ließ er über den sudanesischen Botschafter in London ausrichten. Er selbst lobte die Wahl als vorbildlich für andere und versprach vollen Einsatz.

Vor wenigen Wochen hat sich Sudans Präsident Omar al Baschir einmal mehr zum Präsidenten wählen lassen. Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei 40 Prozent, weil die Opposition die Wahl boykottiert hat.
Vor wenigen Wochen hat sich Sudans Präsident Omar al Baschir einmal mehr zum Präsidenten wählen lassen. Die Wahlbeteiligung lag lediglich bei 40 Prozent, weil die Opposition die Wahl boykottiert hat.

© Reuters

Diesen vollen Einsatz Baschirs fürchten nicht nur die Darfuris. Der Konflikt in den drei Provinzen Darfurs begann 2003 und verschärfte sich jüngst wieder. Zwei Millionen Menschen sind durch den Darfur-Konflikt bis 2014 intern oder in den Tschad vertrieben worden. Im vergangenen Jahr kam eine weitere halbe Million Menschen dazu und allein im Januar 2015 flüchteten weitere 100 000 Menschen. Schnelle Einsatztruppen der sudanesischen Armee sollen rund 3000 Dörfer niedergebrannt haben. Außerdem häufen sich Berichte über Massenvergewaltigungen – wie schon einmal 2003. Die Weltgemeinschaft gibt in diesem Jahr 1,1 Milliarden Dollar für die Finanzierung einer Blauhelmtruppe aus. Unamid ist 2007 nach langen Verhandlungen mit Baschirs Regierung nach Darfur geschickt worden. Der Erfolg ist umstritten. Die Welt hat jedenfalls zwischen 20 und 25 Milliarden Dollar in die Friedenssicherung und die humanitäre Hilfe für die Bevölkerung in Darfur ausgegeben, seit der Konflikt 2003 begonnen hat.

Die Schlachtfelder des Omar al Baschir

Doch das ist nicht das einzige Schlachtfeld von Omar al Baschir. Im Grenzgebiet zum Südsudan haben sich die Nuba erhoben, die teilweise lieber zum Südsudan gehören würden, wohingegen andere ihre Region einfach nur für vernachlässigt halten und für bessere Lebensbedingungen kämpfen. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft der Regierung in Khartum den flächendeckenden Einsatz von Clusterbomben vor, die über viele Jahre großen Schaden anrichten können. Die Rebellen werden vom Südsudan unterstützt, sie waren vor der Unabhängigkeit Teil der Rebellenarmee SPLA. Die südsudanesische Regierung in Juba bestreitet zwar, die Nuba-Rebellen mit Waffen und anderweitig zu unterstützten, doch die Beweislage ist ziemlich erdrückend, was in mehreren UN-Berichten nachzulesen ist. Baschir revanchiert sich mit der Unterstützung südsudanesischer Rebellengruppen, was er selbstverständlich auch bestreitet.

Warten auf die Friedensdividende

Dass Baschir den Südsudan und damit den größten Teil der sudanesischen Ölquellen hat ziehen lassen, ist sein großes politisches Verdienst, argumentiert sein Berliner Statthalter Badreldin Abdalla. Baschir ließ sich 2005 auf einen Friedensertrag mit den Rebellen aus dem Süden ein, der zu einem Referendum und 2011 zur Unabhängigkeit des Südsudan führte. Badreldin Abdalla findet deshalb, dass Khartum sich ein Ende der diplomatischen Isolierung redlich verdient hat.

Die Botschaft am Kurfürstendamm teilt sich der Sudan mit Ägypten. Die Schaubühne ist gleich nebenan, gegenüber ein Nagelstudio, unten im Haus gibt es ein Steakhaus. In seinem Amtszimmer versinkt er fast in einem Sessel. Hinter ihm steht ein Foto in einer Vitrine, das Ibrahim Abboud mit Helmut Schmidt zeigt. 1962 besuchte der damalige sudanesische Präsident Deutschland und traf in Hamburg auf den damaligen SPD-Innensenator. Kurz nach der großen Hamburger Sturmflut „brachte der Präsident eine großzügige Spende für die Hamburger mit“, erzählt der Botschafter. Seit dem Putsch 1989 sind die Beziehungen schwierig; seitdem der Haftbefehl ausgestellt ist erst recht. Doch eine Ebene darunter sucht Deutschland das Gespräch. Der Botschafter lobt die „konstruktive Politik“. In Berlin fand vor ein paar Wochen ein Treffen des „nationalen Dialogs“ statt, bei dem Regierung und Opposition sich annähern sollten.

Sitona Abdalla Osman hat die Botschaft des Südsudan aufgebaut. Sie ist die erste Botschafterin des jüngsten Landes der Welt, das erst seit 2011 unabhängig ist.
Sitona Abdalla Osman hat die Botschaft des Südsudan aufgebaut. Sie ist die erste Botschafterin des jüngsten Landes der Welt, das erst seit 2011 unabhängig ist.

© Thilo Rückeis

Badreldin Abdalla wirbt um Touristen und um Investitionen in die Öl- und Gasinfrastruktur, berichtet aber auch von mineralischen Bodenschätzen, „über die die Deutschen gut Bescheid wissen“. Die TU Berlin habe Mitte der 1990er Jahre Bodenschätze im Sudan kartiert. Seit Jahren graben deutsche Archäologen Pyramiden aus. „Wir würden die guten Beziehungen gerne wiederbeleben“, sagt der Botschafter, der mit Frau, zwei Töchtern und zwei Söhnen in die Berliner Mitte nicht weit vom Gendarmenmarkt gezogen ist und sich in Berlin „sehr wohl fühlt“.

Seit die Kämpfe im Südsudan ausgebrochen sind, sind Zehntausende Menschen vertrieben worden. Tausende wurden getötet. Die Hälfte der Bevölkerung überlebt nur mit Hilfe von Lebensmittelhilfe.
Seit die Kämpfe im Südsudan ausgebrochen sind, sind Zehntausende Menschen vertrieben worden. Tausende wurden getötet. Die Hälfte der Bevölkerung überlebt nur mit Hilfe von Lebensmittelhilfe.

© Andreea Campeanu/Reuters

Sitona Abdalla Osman trat ihren Dienst in Berlin an, als die Sympathie für den Südsudan noch groß war. „Wir haben für die Unabhängigkeit gekämpft“, sagt sie. Die Botschaft hat Räume am Leipziger Platz bezogen. Die Botschafterin will „in Berlin sichtbar sein“. Bei Konferenzen mit Afrika-Bezug ist sie fast immer dabei und wirbt um Investitionen, weil es im Südsudan an allem mangelt: Straßen, Energie, Krankenhäuser, Schulen. Die bundeseigene KfW-Bank hat ein Entwaffnungsprogramm für ehemalige Kombattanten finanziert, das kurz vor Ausbruch des jüngsten Bürgerkriegs im Dezember 2013 gerade in Gang gekommen war. „Wir sind hier in einer Bank“, sagte die Botschafterin damals und strahlte ins Publikum. „Geben Sie uns viel Geld. Der Südsudan braucht es.“ Nicht gerade der übliche weichgespülte Diplomaten-Sprech, aber eine wohl zutreffende Analyse, an der sich nichts geändert hat.

Sie schloss sich den Rebellen an

Sitona Abdalla Osman hat in Kairo Physiotherapie studiert und dann in Khartum gearbeitet. Als 1985 die Scharia, das islamische Recht, eingeführt wurde, verließ sie die Hauptstadt des Sudan und schloss sich den Rebellen an. Sie hat Führungsaufgaben im Frauenflügel der Bewegung übernommen, arbeitete im Außenministerium, war Botschafterin in Österreich. Sie hat ein sonniges Gemüt, lacht gern und strahlt Optimismus aus.

Mehr als 8000 Blauhelmsoldaten der Unmiss-Mission haben den Auftrag, die Zivilbevölkerung zu schützen. Rund 200 000 Menschen haben sich auf die UN-Basen geflüchtet.
Mehr als 8000 Blauhelmsoldaten der Unmiss-Mission haben den Auftrag, die Zivilbevölkerung zu schützen. Rund 200 000 Menschen haben sich auf die UN-Basen geflüchtet.

© Charles Lomoding/AFP

Nun thront sie auf einem schweren Sessel in ihrem Büro und berichtet begeistert von einer Reise mit deutschen Unternehmern, die sie davon überzeugen wollte, im Südsudan zu investieren. Wenig später begannen Präsident Salva Kiir und sein ehemaliger Vize Riek Machar, um die Ressourcen des Landes zu kämpfen. Aktuell brechen sie gerade den x-ten von ihnen selbst ausgehandelten Waffenstillstand. Am vergangenen Wochenende sahen sich die Ärzte ohne Grenzen gezwungen, ein Krankenhaus in der Nähe von Bentiu nahe den Ölfeldern im Unity-State zu schließen. Der UN-Stützpunkt in Bentiu beherbergt aktuell 53 000 Flüchtlinge. Vor fast genau einem Jahr ereigneten sich hier brutale Massaker in einer Klinik und in einer Moschee. Die Botschafterin ist trotzdem überzeugt, „dass die Probleme bald gelöst sein werden“.

Sie hofft, weitere Unternehmer von einer Reise in den Südsudan überzeugen zu können. Außerdem vertraut sie auf die Frauen im Südsudan. Die hätten sich – uneingeladen– in die Friedensgespräche eingeschaltet. Auch deshalb hat Sitona Abdalla Osman Anfang des Jahres eine geradezu unmögliche Mission unternommen: Sie warb auf der Tourismusbörse ITB höchstselbst um Besucher. „Leute, die etwas Abenteuer suchen, sollten kommen.“ Schließlich beschränkten sich die Kämpfe auf die drei Ölprovinzen, überall sonst „ist es sicher“. In der Hauptstadt „Juba merkt man nichts“, sagt sie. Die Botschafterin preist den größten Sumpf der Welt, den Sud, den Albtraum aller Nilreisenden. Es gibt Elefanten, Löwen, Zebras. „Es lohnt sich, in den Tourismus zu investieren“, sagt sie. „Alle sind eingeladen.“

Der Text findet sich in der "Agenda" vom 12. Mai 2015 - einer neuen Publikation des Tagesspiegels, die jeden Dienstag erscheint. Die aktuelle Ausgabe können Sie im E-Paper des Tagesspiegels lesen.

Die Botschafterin des Südsudan, Sitona Abdalla Osman, wehrt sich gegen den Eindruck, sie vertrete in Deutschland einen "Kriegsherrn". Sie legt Wert auf die Feststellung: "Ich vertrete einen gewählten Präsidenten und ein souveränes Land." Der Präsident des Südsudan, Salva Kiir war 2011 nach der Unabhängigkeit des Landes gewählt worden. Die für diesen Sommer geplanten Wahlen wurden wegen des seit Dezember 2013 andauernden Bürgerkriegs jedoch um mindestens zwei Jahre verschoben.

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