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Möglichst geräuscharm führen soll der neue Chef den Bundesnachrichtendienst. Und bisher ist von Bruno Kahl selbst auch kaum etwas zu hören.

© dpa

Wechsel an der Geheimdienstspitze: Was will Bruno Kahl beim BND?

Mit dem neuen Chef Bruno Kahl soll der Bundesnachrichtendienst die Bundestagswahl überstehen – und die Grünen fernhalten.

Von Frank Jansen

Es ist nicht einfach, an Bruno Kahl heranzukommen. Das Bundesfinanzministerium, aus dem er sich demnächst in Richtung Bundesnachrichtendienst verabschiedet, beantwortet den Kontaktwunsch des Tagesspiegels hinhaltend. Beim BND ist Kahl noch nicht, also lässt sich auch da nichts machen. Der künftige Präsident des Auslandsnachrichtendienstes hält sich nach dem fast schon historischen Hintergrundgespräch vom 27. April offenbar bedeckt. Der Gedanke, das solle betont geheimdienstkonform wirken, kommt da fast von selbst.

Am 27. April hatte Kanzleramtschef Peter Altmaier ruckartig die Ablösung des bisherigen BND-Chefs Gerhard Schindler verkündet und Kahl als Nachfolger präsentiert. Aus dem Hintergrundgespräch selbst durften die Medien nichts berichten. Kahl selbst sagte auch bei dem Termin nicht viel. Journalisten erinnern sich allerdings an rustikale Bemerkungen. Kahl bezeichnete Artikel, die er kurz zuvor gelesen hatte, als "Lappen". Deutet sich da ein neuer Stil im Umgang mit Medien und Öffentlichkeit an? Knapp und knarzig? Und sehr verschieden vom Tonfall des Gerhard Schindler, der auch bei Kritik von Journalisten freundlich blieb?

Nicht nur die Öffentlichkeit, auch der BND selbst wird sich offenbar auf eine neue "Kultur" einstellen müssen. Das dürfte eine Herausforderung für die gewaltige Behörde sein, zumal sie mit ihren 6500 Mitarbeitern bereits mehrere Kulturen kennt. Oder auch durchleidet. Der Hauptsitz Pullach, eine Art Festung nahe München, gilt auch heute noch als Hort der geheimdienstlichen Traditionalisten. Verschlossen, auch intern nicht unbedingt kommunikationsfreudig, pressescheu. Am Standort Berlin hingegen, auf dem weitläufigen Gelände einer ehemaligen Kaserne in Lichterfelde, herrscht im Kontrast zur preußischen Militärarchitektur ein eher offener Ton. Der auch, so wollte es Schindler, mit in den nüchtern- modernen Neubaukomplex an der Chausseestraße in Mitte umzieht, wenn das Areal im kommenden Jahr komplett fertiggestellt sein soll. Schindler hatte sogar ein Besucherzentrum geplant, in das Normalbürger auch ohne Anmeldung Einlass bekommen sollen. Ob es dabei bleibt, wenn Kahl am 1. Juli beim BND den Chefposten übernimmt?

Es ist fraglich, dass die von Schindler angestoßene und von BND-Sprecher Martin Heinemann engagiert vorangetriebene Transparenzoffensive fortgesetzt wird. Und ob Heinemann überhaupt auf seinem Posten bleibt oder wie Schindler weggedrängt wird. Das ist nicht auszuschließen, schon weil die relative Offenheit des BND punktuell Ärger hervorrief. Das bei einem Hintergrundgespräch im Dezember an Journalisten verteilte und freigegebene, besorgt klingende Statement des Dienstes zur aggressiven Außenpolitik Saudi-Arabiens hat das Königreich irritiert. Auch in der Regierung war nicht jeder glücklich, dass der BND einem der wichtigsten Sicherheits- und Wirtschaftspartner im Nahen Osten einen Hang zu abenteuerlicher Politik bescheinigte. Dass Bruno Kahl nun genau diesen Kurs fortsetzt, ist kaum zu vermuten. Eher hingegen, dass Kahl genau das tut, wofür er offenbar so plötzlich und mit der Schubkraft seines Mentors Wolfgang Schäuble berufen wurde.

Die Personalie Kahl hat eine eminent politische Dimension. In zweierlei Hinsicht. Der bisherige Abteilungsleiter aus dem Finanzministerium soll den BND unfallfrei und möglichst geräuscharm führen, um die Behörde aus der nächsten Bundestagswahl herauszuhalten. Das ist das eine, was Insider berichten. Das andere: Kahl wird jetzt installiert, um gerade auch für die Zeit nach der Wahl im September 2017 eine Konstellation zu vermeiden, die mit Schindler wohl unumgänglich geworden wäre.

2018 erreicht Gerhard Schindler die Pensionsgrenze

Am 4. Oktober 2017 wird Schindler 65 Jahre alt und erreicht dann bald die Pensionsgrenze. Der Posten des BND-Präsidenten wäre also nach der Bundestagswahl in das Geschacher der Parteien geraten, die sich auf eine Koalition verständigen wollen. Womöglich werden die Grünen eine dieser Parteien sein. Im Umfeld der Regierung wird angesichts des erwarteten Wahlerfolgs der rechtspopulistischen AfD kalkuliert, die nächste Koalition komme nicht ohne die Grünen aus. In welcher Kombination auch immer, ob Schwarz- Grün, Schwarz-Rot-Grün, Schwarz-Grün-Gelb mit der FDP oder was noch so denkbar wäre. Jedenfalls wurde für den BND das Schlimmste befürchtet, was sich zumindest die Union vorstellen kann: dass die Grünen bei Koalitionsverhandlungen den nächsten Chef des Auslandsnachrichtendienstes stellen wollen.

"Zum Beispiel Konstantin von Notz", sagt ein hochrangiger Insider. Notz ist Obmann der Grünen im NSA-Untersuchungsausschuss, in dem der BND wegen seiner Kooperation mit dem amerikanischen Nachrichtendienst NSA am Pranger steht. Der Insider holt Luft und nennt dann noch einen Namen. "Den Grünen wäre auch zuzutrauen, dass sie Claudia Roth an die Spitze des BND setzen wollen." Claudia Roth? Ist das nicht eine Schnapsidee? In Sicherheitskreisen lacht da niemand.

Folgt man diesem machtpolitischen Geraune, wird Schindler jetzt abgelöst, damit es im Herbst 2017 angesichts eines fest etablierten und mutmaßlich skandalfreien und erst 55 Jahre alten BND-Präsidenten Bruno Kahl keinen Anlass gäbe, über die Besetzung eines der sensibelsten Posten in der deutschen Sicherheitsarchitektur politisch verhandeln zu müssen. So gesehen ergibt sich das makabre Bild, dass die Grünen gemeinsam mit Schindler zu den Verlierern einer eiskalt pragmatischen Personalpolitik zählen.

Mit dem Abgang Schindlers wird allerdings auch ein Netz beschnitten, das einst Klaus-Dieter Fritsche geknüpft hat. Der Staatssekretär im Kanzleramt, zuständig für die Nachrichtendienste des Bundes, hatte im Bundesinnenministerium (BMI) erfolgreich eine personalpolitische Strategie betrieben. Fritsche war dort von 2009 bis 2013 ebenfalls Staatssekretär und fädelte den Wechsel Schindlers aus dem BMI zum BND ein. Wie auch die Besetzung des Chefpostens des Bundesamtes für Verfassungsschutz mit dem BMI-Mann Hans-Georg Maaßen. Und die Berufung von Dieter Romann, ebenfalls aus dem BMI, zum Präsidenten der Bundespolizei.

Mit Fritsches Schachzügen stärkte das Ministerium seine Macht. Auch gegenüber dem BND und dem Kanzleramt, dem der Dienst unterstellt ist. Mit Schindler hatte das BMI den oft eigenwilligen BND näher herangeholt, vor allem auch für die Kooperation mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz und dem Bundeskriminalamt. Doch jetzt muss Schindler gehen. Und der neue BND-Chef kommt nicht aus dem BMI. Fritsche habe, obwohl selbst seit Januar 2014 nicht mehr im BMI, bis zuletzt an Schindler festgehalten, ist in Sicherheitskreisen zu hören. Doch die Position Fritsches bleibt stark. Bruno Kahl ist vom 1. Juli an dem Staatssekretär des Kanzleramts zugeordnet.

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