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Arztbrief: Mund- und Rachenkrebs

Unser Experte MARC Bloching ist Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde und Kopf- und Halschirurgie am Helios Klinikum Berlin-Buch. Die Klinik ist das von den niedergelassenen Ärzten Berlins für die Behandlung von Mund- und Rachenkrebs am häufigsten empfohlene Krankenhaus (Ärzteumfrage 2015 von Tagesspiegel und Gesundheitsstadt Berlin).

ERKLÄRUNG Überall auf den Schleimhäuten im Mund - also an der Lippe, der Innenseite der Wange, der Zunge, im Gaumen oder Rachen, aber auch in der Mandelregion - können Krebsgeschwüre entstehen. Rund 90 Prozent dieser Tumore sind Geschwüre auf der Schleimhautoberfläche. Es handelt sich dabei um sogenannte Karzinome, sehr gefährliche Krebsgeschwüre, die schon im frühen Stadium dazu neigen, Tochtergeschwulste, also Metastasen zu bilden. Sehr selten können sogar Melanome, der Fachbegriff für den schwarzen Hautkrebs, in der Mundhöhle auftreten. Nach Schätzungen des Berliner Robert-Koch-Institutes erkranken jedes Jahr rund 10 000 Menschen in Deutschland neu an Mund- und Rachenkrebs.

In Berlin erhalten laut Krebsregister jährlich mehr als 400 Menschen erstmalig die Diagnose Krebs im Mund- und Rachenraum. Diese Häufigkeit liegt damit auf Platz elf aller Krebsneuerkrankungen - bei den Männern liegt sie sogar auf Platz fünf. Rund drei Viertel der Betroffenen sind Männer, die meisten zwischen 55 und 65 Jahren alt. Seit den 1990er Jahren geht die Häufigkeit bei Männern allerdings zurück, während sie bei Frauen zunimmt. „Ein Grund dafür ist, dass sich das Rauchverhalten verändert hat und immer mehr Frauen rauchen, während die Zahl bei Männern sinkt“, sagt Marc Bloching, Chefarzt der Klinik für HNO-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie und Kommunikationsstörungen am Helios Klinikum Berlin-Buch.

Die Mund- (1) und Rachenhöhle (2) sind vollständig mit Schleimhaut ausgekleidet. Darin finden sich zahlreiche kleine Schleim- und Speicheldrüsen. Zudem ist die Mundhöhle besonders stark mit Nervengewebe durchdrungen. Bösartige Tumore können überall auf den Schleimhäuten im Mund entstehen, beispielsweise auf der Lippe, der Innenseiteder Wangen oder auf der Zunge (3).
Die Mund- (1) und Rachenhöhle (2) sind vollständig mit Schleimhaut ausgekleidet. Darin finden sich zahlreiche kleine Schleim- und Speicheldrüsen. Zudem ist die Mundhöhle besonders stark mit Nervengewebe durchdrungen. Bösartige Tumore können überall auf den Schleimhäuten im Mund entstehen, beispielsweise auf der Lippe, der Innenseiteder Wangen oder auf der Zunge (3).

© Fabian Bartel

Symptome Oft bleibt Mund- und Rachenkrebs lange unerkannt. Heiserkeit, Hals- und Ohrenschmerzen, Mundgeruch, Reizhusten und stechende Schmerzen, etwa beim Trinken von Fruchtsäften, werden von den Betroffenen oft fehlinterpretiert. Schleimhautveränderungen, besonders offene Geschwüre im Mund, die länger als eine Woche bleiben und wachsen, sind ein alarmierendes Zeichen. Treten ausgeprägte Sprech- und Schluckstörungen oder spontane Blutungen auf, befindet sich der Tumor in einem fortgeschrittenen Stadium.

Ursachen Die Hauptrisikofaktoren sind Rauchen und der regelmäßige Konsum von Alkohol. Denn die Gifte wirken direkt auf die Schleimhautoberfläche ein und können dort zu Veränderungen der Erbsubstanz beitragen - und somit schließlich zur Krebsentstehung. Eine mangelnde Mundhygiene kann nach Expertenmeinungen ebenfalls die Entwicklung des Krebses fördern. Ein weiterer Hauptauslöser sind Humane Papillomviren (HPV). Diese wurden als Ursache für Gebärmutterhalskrebs (siehe Seite 44) von dem Mediziner Harald zur Hausen entdeckt (der dafür den Nobelpreis für Medizin bekam). „Das HPV spielt auch bei der Entstehung von Mund- und Rachenkrebs eine wichtige Rolle“, sagt Marc Bloching. Das bedeutet: Oraler Geschlechtsverkehr kann diese Krebsart auslösen, wenn dabei eine Infektion mit HPV stattfindet. Wichtig ist dabei allerdings: Eine HPV-Infektion bedeutet nicht zwangsläufig, dass Krebs entsteht. Für Mädchen besteht die Möglichkeit, sich vor dem ersten Geschlechtsverkehr gegen das Virus impfen lassen. Eine Impfung für Jungen ist inzwischen ebenfalls zugelassen.

DIAGNOSE Schleimhautveränderungen, besonders offene Geschwüre im Mund, die länger als eine Woche bleiben und wachsen, sind ein Alarmzeichen und sollten vom HNO- oder Zahnarzt begutachtet werden. Diese sind auf eine Tumorerkennung in dieser Region spezialisiert. Denn auch bei diesem Krebs gilt: je früher erkannt, desto größer die Heilungschancen. Viele Menschen scheuen allerdings den Gang zum Arzt. Für sie ist der Mund aus völlig irrationalen Gründen eine Tabuzone. Für manche sogar eine noch größere als der Genitalbereich.

Tiefer gelegene Tumoren können HNO-Ärzte endoskopisch identifizieren, also mittels eines Schlauchs, an dessen Spitze eine kleine Kamera angebracht ist. In die Klinik von Marc Bloching kommen die Patienten dann mit einem entsprechenden Verdacht, der dort erhärtet wird - durch direkte klinische Untersuchung und durch Spiegelungen, Ultraschall und Computertomografie (CT). All diese Verfahren geben den Ärzten weitere Auskunft darüber, ob - und wenn ja, wie weit - sich ein möglicher Tumor ausgebreitet hat. Die Diagnose wird durch die feingewebliche Untersuchung einer Gewebeprobe durch den Pathologen gesichert.

Ist das Krebsgeschwür kleiner als fünf Millimeter, besteht eine fast 100-prozentige Heilungschance. Zeigt sich allerdings, dass der Tumor bereits in die Lunge oder andere ferngelegene Organe gestreut hat, erschwert dies die Behandlung deutlich. Eine Heilung ist dann in vielen Fällen nicht mehr möglich. „Dann führen wir eine palliative Behandlung zur Verbesserung der Lebensqualität in der restlichen Lebenszeit durch“, sagt HNO-Chefarzt Marc Bloching.

THERAPIE Obwohl Tumore im Mund- und Rachenraum relativ gut und früh erkennbar sind, sterben jedes Jahr rund 4500 Menschen daran. Fünf Jahre nach der Diagnose lebt noch rund die Hälfte der Erkrankten. Dabei gibt es jedoch große Unterschiede, je nachdem welcher Bereich des Mund- und Rachenraumes genau betroffen ist: Die Fünf-Jahres-Überlebensrate bei Lippenkrebs liegt bei 90 Prozent, bei Zungen-, Mundboden- oder Rachentumoren dagegen nur bei 30 Prozent. Das liegt auch daran, dass die Geschwüre meist zu spät diagnostiziert werden und dann schon Metastasen in den Lymphknoten des Halses gebildet haben. Auch besteht die Gefahr, dass die wuchernden Geschwüre in die großen Halsgefäße einbrechen und so Krebszellen in die Blutbahn einschwemmen. Auf diese Weise können sie tödliche Blutungen der Halsschlagader verursachen.

Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, einen Tumor im Mund- und Rachenraum zu behandeln. Allerdings: „Um die richtige Behandlungsform streiten sich ganze Kongresse“, sagt Chefarzt Marc Bloching. Die wichtigsten Ziele an seinem Haus lauten (a) Tumorfreiheit und (b) Lebensqualität, Eingriffe orientieren sich immer an den anatomischen Strukturen. „Früher hätte der chirurgische Eingriff bei Mund- und Rachenkrebs eine weitgehende Verstümmelung des Gesichts nach sich gezogen. Das muss heute nicht mehr sein“, sagt er. „Der Patient sieht danach von außen so aus wie vorher.“

Allgemein ist die Art der Behandlung abhängig vom Stadium des Tumors und dem Ort im Mund- und Rachenbereich, an dem er sitzt. Während bei kleinen Tumoren fast immer eine OP die beste Wahl ist, ist bei größeren Tumoren ein sogenanntes multimodales Vorgehen angeraten, also eine Kombination von Operation, Bestrahlung und eventuell auch Chemotherapie. Allerdings ist die Reihenfolge erst Operation, dann Bestrahlung meistens besser als umgekehrt. Denn eine Bestrahlung hat den Nachteil, dass danach eine Operation schwieriger ist, da das umgebende gesunde Gewebe geschädigt ist und schlechter heilt.

Im Rahmen der Tumoroperation findet noch eine Halsausräumung statt, bei der möglicherweise bestehende Lymphknotenmetastasen entdeckt werden können. Diese wird oftmals endoskopisch durchgeführt: Was früher lange Hautschnitte erfordert hätte, braucht heute in vielen Fällen nur noch einen kleinen Zugang für die Spezialinstrumente. Geht bei der Operation Knochen aus dem Unterkiefer verloren, kann man diesen zum Beispiel durch Knochen aus der Hüfte oder aus dem Wadenbein ersetzen. Abgetragene Schleimhaut lässt sich durch ein Hauttransplantat vom Unterarm ersetzen.

Im Anschluss an die Operation, die ja trotz aller Fortschritte einen erheblichen Eingriff in das Selbstbild und die Lebensqualität der Patienten darstellt, besteht die Möglichkeit einer psychoonkologischen Betreuung. Eine regelmäßige spezialisierte Nachsorgeuntersuchung ist in jedem Fall erforderlich, um mögliche Rezidive des Tumors frühzeitig zu erkennen und behandeln.

Die Redaktion des Magazins "Tagesspiegel Kliniken Berlin 2016" hat die Berliner Kliniken, die diese Erkrankung behandeln, verglichen. Dazu wurden die Behandlungszahlen, die Krankenhausempfehlungen der ambulanten Ärzte und die Patientenzufriedenheit in übersichtlichen Tabellen zusammengestellt, um den Patienten die Klinikwahl zu erleichtern. Das Magazin kostet 12,80 Euro und ist erhältlich im Tagesspiegel Shop.

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