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Sommer in Brandenburg: Luxus ist... manchmal Käse

Echter Büffelmozzarella kommt - zum Beispiel aus Kremmen. Ein Berliner Investor lässt ihn dort nach Originalrezept fertigen. Die milchliefernde Herde hat er mit viel Mühe aus Italien importiert.

Von Susanne Leimstoll

Wenn Gino Paolella in der Käserei, in der der Wasserdampf zäh steht wie in einer Waschküche, zur Kür am großen Kessel ansetzt, ist die Vorarbeit schon geleistet. Sind fast 200 Büffelkühe auf dem Hof in der Prignitz gemolken, 1400 Liter Büffelmilch im Kühlcontainer zur kleinen Käserei nach Kremmen gebracht, von ihm, dem Käsemeister, analysiert, mit Molkekulturen und Lab versetzt. Hat sich der Frischkäse längst abgesetzt und liegt als dicker Krümelkuchen gepresst im Edelstahlbecken, ehe er noch einmal zerkleinert wird.

Jetzt muss alles schnell und konzentriert gehen. Gino weiß, wie viel vom Cagliata, dem Rohkäse, in den Kessel muss, um nach ein paar Minuten 30 Kilo Mozzarella zu ergeben. Mit der großen Kelle schöpft er heißes Wasser hinter sich aus dem Kessel, lässt es, den Arm gestreckt, als kleinen Wasserfall in den Kessel schießen, beginnt, die Masse kraftvoll mit dem Kunststoffstab und der Kelle zu bearbeiten: rühren, ziehen, rühren, ziehen. Der weiße Klumpen gibt nach, bildet dicke Fäden. Mit jeder Kelle Heißwasser wird er sämiger.

Der Mann aus Kampanien ist 72 und schuftet, als sei er einer seiner fünf jungen Mitarbeiter. Er hat 57 Jahre Mozzarella-Erfahrung, weiß, wann er wie viel Wasser abschöpfen muss, damit die Creme gut ist für die warme Presse, durch die sie muss, damit unten, aus Walzen mit runden Vertiefungen, die elastischen Mozzarella-Bälle fallen, 125 oder 250 Gramm schwer. Oder damit sich aus seiner hohlen Hand mit einem Kniff beider Daumen immer neue, dicke, weiße Kugeln wölben. Im Riesenzuber baden sie dann in jener Salzlake, in der sie, in Klarsichtbehältern aus Kunststoff verpackt, gekühlt direkt an den Kunden ausgeliefert werden. Wie viel Salz er in die Lake gibt? Madonna, was für ein Frage! Firmengeheimnis. Schon eine 0,2-prozentige Abweichung des Salzgehaltes kann das Aroma des Büffelmozzarella verderben. Ganz leicht joghurtsauer soll er schmecken, ein wenig rezent. Die Kugel außen leicht bissfest, innen sämig. Mild, zugleich frisch. Der Käse der Mozzarella Paolella GmbH bietet einen sehr feinen Eigengeschmack. Auch, weil Büffelmilch mit neun Prozent doppelt so viel Fett enthält wie Kuhmilch. Dafür gibt es namhafte Abnehmer, darunter Feinkost Lindner, Luxushotels wie das Adlon oder Ritz Carlton, Kaufhäuser wie das KaDeWe, diverse Spitzenrestaurants. Zwei- bis dreimal die Woche wird in Kremmen produziert, jeder Liter verarbeitet. Immer steht Gino, ganz in Weiß mit Gummischürze, Stiefeln, Haube in der Käserei und dirigiert sein kleines Team fast wortlos, per Fingerzeig, wie ein Chefarzt. Er sagt: „Wir machen den weltbesten Mozzarella.“

Käsemeister Gino weiß, wie viel Masse er braucht, um nach dem Rühren und Ziehen 30 Kilo Mozzarella aus dem Kessel zu holen.
Käsemeister Gino weiß, wie viel Masse er braucht, um nach dem Rühren und Ziehen 30 Kilo Mozzarella aus dem Kessel zu holen.

© Mike Wolff

Dass er den seit 2013 ausgerechnet in Brandenburg fertigt, liegt vor allem an einem cleveren Geschäftsmann mit Lust auf Abenteuer: Matthias Wegert, 65, früher Mitinhaber jenes großen Berliner Foto- und Radio-Filialisten, den die internationale Konkurrenz der Elektronikmärkte vor zwölf Jahren endgültig platt machte. In einem Alter, in dem andere auf die Rente zusteuern, startete Wegert durch und begann Projekte in Branchen, von denen er, streng genommen, wenig Ahnung hatte. Ein Typ, der für neue Ideen brennt. Mit einem Geschäftspartner betreibt er etwa eine Kiesgrube, eine Biogasanlage und seit bald 20 Jahren das Dahlemer Wirtshaus „Luise“. Solche Dinge erzählt er en passant.

Jeans, blaues Poloshirt, Schirmmütze: Matthias Wegert wirkt wie ein agiler Mittfünfziger, der mit dem SUV an diesem Sommermorgen mal kurz zum Golfplatz rüber will. Aber er fährt in die Prignitz, zu seinem Milchbetrieb, acht Hektar Hoffläche, dazu 400 Hektar Pachtland mit Weiden und Feldern für Mais und Grünfutter. Er erzählt während der Fahrt, wie blauäugig er zur Landwirtschaft kam, mit dieser Vorstellung von Almabtrieb-Romantik, die er 20 Jahre lang im Urlaub in Kitzbühel erlebt hatte. Den Hof in Putlitz fand er durch Bekannte, kaufte ihn. Noch 2000 erschien das Geschäft mit Kuhmilch erfolgversprechend. Dann kam der Milchpreisverfall: 18,3 Cent pro Liter statt 40. Ein Desaster. Ein neuer Ansatz musste her.

Die Pizza in seiner "Luise" läuft gut; Wegert wollte dafür besten Mozzarella, lernte Gino Paolellas Sohn und dessen Käserei kennen, sagte, ich liefere die Kuhmilch, du den Mozzarella. Und der Italiener fragte: „Warum hast du keine Wasserbüffel?“ Ja, warum nicht? In Italien zahlt man bis zu 1,80 Euro pro Liter Büffelmilch, ein rares Produkt. Wasserbüffelkühe geben nur 8 bis 14 Liter Milch am Tag, schwarzbuntes Vieh 25 bis 30. Wegert bekommt den Investorenblick, als er sagt: „Das war der entscheidende Gedanke.“ Sein Entschluss steht, eine eigene Käserei aufzumachen. „Und wenn man mal anfängt, muss man den Weg zu Ende gehen, mit allen Problemen.“ Die sollte er bekommen.

So wird der Mozzarella geformt: von Hand...
So wird der Mozzarella geformt: von Hand...

© Mike Wolff

... oder aber maschinell, per Walze.
... oder aber maschinell, per Walze.

© Mike Wolff

Die Suche nach einer guten Zucht in Italien - schwierig. Erschütternd. Wegert sieht zig Höfe, in denen massenhaft Tiere gehalten werden in Ställen ohne Auslauf, knietief im eigenen Mist angekettet. Die Hälfte der Bullenkälber wird getötet, weil es für das Fleisch keinen Absatzmarkt gibt. Wertvoll sind nur die Milchkühe. Hygienevorschriften scheint man auf den meisten Höfen nicht zu kennen. Das Gemelk wird nicht desinfiziert, sondern nur mit dem Wasserschlauch abgesprüht. Verunreinigte Milch, verkeimt meist auch durch typische Wasserbüffel-Krankheiten: Herpes oder die auch für Menschen gefährliche Brucellose, das Maltafieber.

2011 kauft Wegert 140 Wasserbüffel von einem 8000-Tiere-Betrieb in Salerno, der ordentlich erscheint. Die Hälfte sollte Milch geben, die andere Hälfte besamt sein. Kosten: 240 000 Euro. Geliefert bekommt er 104 Jungtiere, nur 16 Kühe besamt, vier davon Bullen. Alle älteren Tiere sind Herpes-positiv. Neun Monate muss die Herde in Quarantäne, deutsche Auflagen sind streng. Zwei Jahre dauert die Aufzucht, ehe alle Büffel samt Nachkommen gesund sind. Zwei Jahre ohne Produktion, dabei ist der Stall gebaut, Melkstände, spezielle Geschirre und die Melk-Software angeschafft - 400 000 Euro investiert. Zwei Jahre, keine Milchverwertung.

Das ist vorbei. Seit 2014 grast eine 370 Tiere starke Herde auf Putlitzer Weiden. Wasserbüffel wollen viel Platz, Enge bereitet ihnen Stress. Hier haben die Tiere Auslauf. Jenseits der großen Ställe auf dem Putlitzer Hof grasen sie. Schwarze Kolosse, 700 bis 900 Kilo schwer, 1,60 Meter Risthöhe, Kühe und Bullen mit ausladenden Hörnern auf den riesigen Schädeln. Ab und zu ein Grunzen; die machen nicht muh. Matthias Wegert und Michael Bobsien, der 33-jährige Agrarwirtschaftler, der den Hof seit knapp einem Jahr leitet, werden neugierig, aber gutmütig beäugt, als sie sich fürs Foto mitten in die Herde drängeln. Keine Gefahr - allenfalls, wenn ein Bulle glaubt, jemand wolle ihm eine Kuh streitig machen.

Hier ist alles anders als in Wegerts Schilderung von italienischen Zuchtbetrieben. Die Wiesen bieten Futter und Suhlen, Kälber kommen dort draußen zur Welt. Um die 1400 Quadratmeter große Ställe halten Liegeflächen vor, ein Schlepplift beseitigt regelmäßig den Büffelkot. Dennoch: Rentabilität steht an oberster Stelle. Nachkommen werden früh vom Muttertier getrennt, damit das schnell wieder verwertbare Milch produziert. Draußen stehen die Tage oder Wochen alten Kälbchen vor Kunststoff-Iglus und lernen, aus der künstlichen Zitze an einem Eimer Muttermilch zu saugen, ehe sie, vier Wochen bis drei Monate alt, in die Gruppe kommen. Zweimal pro Tag schiebt sich die Herde zum Automatik-Melken in Doppel-Vierer oder Tandem-Melkstände. Die schlachtreifen Jungbullen stehen in einem eigenen Stall beieinander. Wegert und Bobsien haben mit der Vermarktung von Wasserbüffelfleisch begonnen. Sie arbeiten mit einer kleinen Schlachterei in Fehrbellin zusammen, das Fleisch von 18 Monate alten Tieren reift sechs Wochen, dann prüft man, ob das reicht für optimale Qualität.

"Die Kälber haben von Anfang an Bezug zum Menschen. Sie sind wie Flaschenkinder". (Matthias Wegert, Unternehmer, Erzeuger mehr Käse, Öko-Büffelhof Bobalis)
"Die Kälber haben von Anfang an Bezug zum Menschen. Sie sind wie Flaschenkinder". (Matthias Wegert, Unternehmer, Erzeuger mehr Käse, Öko-Büffelhof Bobalis)

© Mike Wolff

Wegert präsentiert das Ergebnis wissenschaftlicher Untersuchungen: Wasserbüffelfleisch gilt als gesund, weil cholesterin-, fett- und kalorienarm, dafür von hohem Eiweißgehalt. In der „Luise“ lässt er Büffel-Burger servieren. „Wir haben schon Schmorbraten gemacht, der war sensationell.“ Steaks, Rouladen, Gulasch, alles möglich, alles extrem schmackhaft. Hotels und Restaurants bestellen durchschnittlich 300 Kilo pro Woche.

Als nächstes will Wegert seine eigene Molkerei, selber Kuh- und Büffelmilch herstellen, Joghurt, Butter, Speiseeis, Mozzarella als Rohmilchprodukt. Er nimmt immer neue Serviervorschläge in die Werbung auf, weg vom Tricolore-Einerlei Caprese: Mozzarella zu Avocado, zu Rote Bete, Zucchini, als frisches Dessert mit goldgelber Mango, als Burrata, einem sahnegefüllten Mozzarella-Säckchen mit Cranberries...

Und während Matthias Wegert das erzählt, wird man den Eindruck nicht los, hinter dieser Stirn nimmt er bereits Form an, sein nächster Masterplan.

Büffel-Mozzarella. paolella GmbH, 16766 Kremmen, Luchweg 30. Ansprechpartner für Bestellungen ist Vertriebsleiter Mike Daschewski, www.mozzarella-paolella.de

Mehr Käse

Öko-Büffelhof Bobalis. Seit 1998 gibt es den ökologischen Büffelhof in Jüterbog, mittlerweile mit einer Herde von 200 Wasserbüffeln. Verkauf von Büffelfleisch und -wurst, Mozzarella, Büffelmilch in Flaschen, Joghurt. Jüterbog, Hauptstr. 30, www.bobalis.de

ZIEGENkäserei Karolinenhof. 130 Ziegen hält Bio-Landwirtin Gela Angermann. Sie produziert und verkauft diverse Käsespezialitäten und betreibt das „Wiesencafé“. Kremmen OT Flatow, Karolinenhof 1, ziegenkaeserei-karolinenhof.de

Ziegenkäserei Capriolenhof. Biozertifizierter Hof mit Käserei und Laden. Hans-Peter Dill und Sabine Denell verkaufen Fleisch und diverse Käsespezialitäten. Fürstenberg, OT Bredereiche, Schleusenhof Regow 1, capriolenhof.de

Viele weitere Tipps für Ausflüge nach Brandenburg finden Sie in unserem Magazin „Tagesspiegel Brandenburg“.

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