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Brandenburg: 200 Klagen gegen Zwangsfusionen erwartet Verfassungsgericht-Präsident: Reform aber nicht in Frage gestellt

Potsdam/Eisenhüttenstadt. Oft gibt es nur eine Dorfstraße, gesäumt von Bauernhäusern – das war’s.

Potsdam/Eisenhüttenstadt. Oft gibt es nur eine Dorfstraße, gesäumt von Bauernhäusern – das war’s. Brandenburgs typische kleine Flecken, von Fontane einst beschrieben, verlieren durch die Gemeindereform demnächst ihre Eigenständigkeit. Sie werden Ortsteile, ohne eigenes Gemeindeparlament. Allerdings bäumen sich einige von Innenminister Jörg Schönbohm als „gallische Dörfer“ bezeichnete Gemeinden noch einmal auf und wollen vor dem Landesverfassungsgericht gegen die jüngst vom Landtag beschlossenen Zwangsfusionen klagen, die mit der Kommunalwahl im Herbst in Kraft treten werden. „Bislang ist zwar keine Verfassungsbeschwerde eingereicht worden“, sagt Verfassungsgerichtspräsident Peter Macke. Erwartet würden jedoch rund 200 Verfahren. Der Landkreis Spree-Neiße und jene Cottbuser Umlandorte, die in die Lausitzstadt eingemeindet werden sollen, haben das zum Beispiel angekündigt.

Auch die erbittertsten Gegner der unpopulären Gemeindereform erwarten aber keine große Klagewelle. Verfassungsgerichtspräsident Macke stellt klar, dass bei Einwänden jeder Fall einzeln geprüft werde, ohne jedoch die Reform insgesamt in Frage zu stellen. Erst vor gut zwei Wochen hatte der Brandenburger Landtag mit der Mehrheit der Koalitionsfraktionen die umstrittene Reform politisch besiegelt. Damit wurde der zwangsweise Zusammenschluss jener letzten rund 300 Gemeinden beschlossen, die trotz der verlockenden Prämie des Innenministers ein freiwilliges Zusammengehen mit ihren Nachbarorten verweigern. Doch erinnerte Innenminister Schönbohm daran, dass es 1999 noch 1479 Gemeinden gab. Das waren auf die Einwohnerzahl bezogen so viele wie nirgendwo sonst in Deutschland. Jetzt sind es nur noch 727 Gemeinden. Die Einsicht sei gewachsen, so der Minister, dass auch wegen knapperer Kassen effizientere Verwaltungsstrukturen nötig sind.

Mit dem Aus für die kleinen Dörfer ist die Reform der kommunalen Strukturen in Brandenburg freilich keineswegs beendet, auch wenn die Koalitionsfraktionen in dieser Legislaturperiode vor den nächsten Stufen zurückschrecken: Jetzt richten sich die Blicke auf die an akuter Finanznot leidenden Städte und auf die Landkreise.

Schon längst werden im Innenministerium, im Landtag die nächsten Szenarien durchgespielt. Kürzlich sorgte ein Vorstoß von SPD-Fraktionschef Fritsch für Furore, der für vier statt bislang zwölf Landkreise plädierte. Zwar wurde er schnell beerdigt. Doch der dramatische Rückgang der Bevölkerung und die Krise der öffentlichen Haushalte bedingt in den nächsten Jahren zwangsläufig eine neue Kreisreform. Und nicht nur das: Auch der Status der Kreisfreiheit für die an drastischen Bevölkerungsrückgängen leidenden Städte Frankfurt, Cottbus und Brandenburg ist mittelfristig bedroht. Der Frankfurter Oberbürgermeister Martin Patzelt hat deshalb jetzt sogar eine Fusion seiner Stadt mit dem 20 Kilometer entfernten Eisenhüttenstadt vorgeschlagen.

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