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Brandenburg: 289 EU-Millionen kamen nicht ins Ziel

Bericht zur Verwendung der Regional-Fördermittel: Zu wenig für den Mittelstand, zu viel für EinzelprojekteVON FRANK HOFMANN POTSDAM.Die Landesregierung Brandenburg hat zwischen 1994 und 1996 rund 289 Millionen Mark weniger EU-Fördergelder für die regionale Wirtschaftsentwicklung ausgegeben als dafür nach ihrem eigenen Programm zur Verfügung gestanden hätten.

Bericht zur Verwendung der Regional-Fördermittel: Zu wenig für den Mittelstand, zu viel für EinzelprojekteVON FRANK HOFMANN POTSDAM.Die Landesregierung Brandenburg hat zwischen 1994 und 1996 rund 289 Millionen Mark weniger EU-Fördergelder für die regionale Wirtschaftsentwicklung ausgegeben als dafür nach ihrem eigenen Programm zur Verfügung gestanden hätten.Dies geht aus dem Zwischenbericht zum Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) hervor, der dem Tagesspiegel vorliegt.Demnach bleibt das Wirtschaftsministerium bei Forschung und Entwicklung, der Weiterbildung in den Betrieben und bei Existenzgründungen weit hinter den von der EU genehmigten Förderplänen zurück.Von Herbst 1994 bis Ende 1996 standen 892,7 Millionen Mark EU-Fördergelder für die Wirtschaftsentwicklung zur Verfügung.Ausbezahlt wurden 603,6 Millionen Mark. Dem Halbzeitbericht zufolge wurden zwischen 1994 und 1996 Forschung und Entwicklung in der gewerblichen Wirtschaft lediglich mit 24,8 Prozent der zur Verfügung stehenden Mittel gefördert.Davon betroffen sind vor allem Klein- und mittelständische Unternehmen, die im Verhältnis die meisten Arbeitsplätze geschaffen hätten.Forschung und Entwicklung entgingen 33,7 Millionen Mark.Für die Förderung von Weiterbildungsmaßnahmen ihrer Beschäftigten legten die Unternehmen seit 1994 überhaupt keinen Antrag auf EFRE-Gelder vor.Die Gutachter kommen zu dem Schluß, daß in Brandenburg "der gewerblichen Wirtschaft innerhalb des Förderschwerpunktes nur geringes Gewicht" zukomme.Wirtschaftsminister Burkhard Dreher hatte Ende Mai in einem Tagesspiegel-Interview den Nichtabfluß der Mittel mit dem bundesweiten Konjunktureinbruch begründet.Die Unternehmen würden weniger investieren; es fehle die Gegenfinanzierung der Euro-Mittel. Der EU-Bericht geht dennoch scharf mit der Wirtschaftspolitik ins Gericht: So liege Brandenburg bei der Entwicklung neuer Produkte abgeschlagen hinter den anderen Bundesländern.Während 1992 bis 1995 in der Mark auf 100 000 Einwohner 32 Patentanmeldungen kamen, waren dies in Berlin 140, in Baden-Württemberg 329 und in Bayern 260.Nur Mecklenburg-Vorpommern liegt noch hinter Brandenburg.Die Neuansiedelung von Betrieben ging von 1993, als es noch 23 Betriebe in die Mark zog, auf 8 im Jahr 1996 zurück.Im Berichtszeitraum kam es nur zu drei wirklichen Existenzgründungen. Im Durchschnitt wurden den Klein- und mittelständischen Unternehmen, die Förderanträge stellten, mehr als die Hälfte ihrer Investitionen gefördert.Eine schwere Bürde für die Zukunft: Das Wirtschaftsministerium kann somit in den kommenden zwei Jahren weitaus weniger großzügig gegenüber den einzelnen Unternehmen sein als zuvor - am Ende der Periode 1999 muß im Durchschnitt eine 50prozentige Förderung stehen.Die Gutachter kommen in ihrem Bericht zur Verwendung der EFRE-Gelder zu dem Schluß, Brandenburg sei "im Vergleich zu anderen Bundesländern im besonderen Maße betroffen von der rückläufigen Attraktiviät des Standortes Deutschland für Investitionen". Besonders stiefmütterlich behandelt wurde der Förderbereich "Umwelt", dem die EU eine besondere Priorität eingeräumt hatte.Der Landesregierung ist es demnach nicht gelungen, zusammen mit möglichen Fördergeldempfängern Konzepte auszuarbeiten, um die Öko-Mittel aus Brüssel gegenzufinanzieren.Stattdessen wurde die Förderquote pro Empfänger zum Teil bis auf 80 Prozent hochgeschraubt.Für die Zukunft wird das Ministerium deshalb auch bei Förderungen von Umwelt-Maßnahmen weit unter der 50-Prozent-Marke bleiben müssen, um die EU-Regeln einzuhalten.Vor allem kleine Unternehmen, die mit einer dünnen Eigenkapitaldecke ausgestattet sind, können somit nicht mehr auf eine Anschubfinanzierung durch EU-Gelder hoffen.Zugleich sind die öffentlichen Trink- und Abwasserzweckverbände, die solche Gelder auch beantragen könnten, völlig überschuldet. In dem EU-Gutachten schwingt auch erhebliche Kritik an der Förderung der Landwirtschaft mit: Den Gutachtern zufolge hat die Landesregierung ihr Ziel, die EFRE-Gelder mit denen des EU-Agrarfonds (EAGFL) zu "verzahnen", verfehlt.Geplant war, durch die Förderung von Projekten aus beiden Fördertopfen vor allem in den strukturschwachen ländlichen Gebieten neue Arbeitsplätze zu schaffen.Gleichzeitig mußte jeder neue geschaffene Job auf dem Land mit knapp 200 000 Mark gefördert werden. Die Gutachter führen die bescheidene Mittelstandsförderung auch auf die großen Einzelinvestitionen zurück.Demnach gingen überproportional viele Mittel (11,3 Prozent der Gesamtförderung) in den Landkreis Spree-Neiße, wo die Landesregierung das Bildröhrenwerk der Firma Samsung in Tschernitz mit 101 Millionen Mark der EU unterstützte.Es folgt die Landeshauptstadt Potsdam, in die 10,9 Prozent der EFRE-Förderung geflossen seien.Bei der Samsung-Förderung wird kritisiert, daß hier branchentypisch ein großer Kapitaleinsatz für Werk und Maschinen nötig sei, während nur wenige Arbeitsplätze geschaffen würden. Durch die EU-Förderung wurden den Angaben des Gutachtens zu Folge 23 586 Arbeitsplätze gesichert und 12 245 neu geschaffen.Allerdings beziehen sich diese Zahlen auf die Soll-Werte: Eine Gegenrechnung mit den entsprechenden Angaben der Unternehmen war nicht möglich.Die Gutachter fordern, die von der Brandenburger Landesregierung ins Leben gerufene "dezentrale Konzentration" aufzuweichen, was einen verstärkten Abfluß der Mittel in den Berliner "Speckgürtel" zur Folge hätte. Kompetenzlücke in der Verwaltung Heftige Kritik der Unternehmer Brandenburgs Manager und Investoren vermissen bei den Mitarbeitern der Landesverwaltung eine ausreichende Kompetenz bei der Beurteilung ihrer Investitionsmaßnahmen.Dies geht aus einer Umfrage im Zuge des Zwischenberichtes über die Verwendung der EU-Mittel in Brandenburg hervor.Eine schallende Ohrfeige für Wirtschaftsminister Burkhard Dreher: Demnach könnten die zuständigen Institutionen "das Projekt meistens nicht beurteilen".Sieben Betriebe vermißten "betriebswirtschaftlichen Sachverstand" und forderten "eine Information der (Sach-) Bearbeiter vor Ort".Oftmals sei überhaupt nicht klar, was in welcher Form mit dem Geld aus Brüssel gefördert werden könne.Die Antragsprozedur ist nach Ansicht der Manager "zu verwaltungsintensiv und zeitraubend".Rund ein Drittel der Befragten nannten "Schwierigkeiten bei der Antragstellung" als wichtiges Investitionshemmnis. An der Umfrage nahmen 337 von insgesamt 1016 geförderten Unternehmen teil.30 Unternehmen wurden von den Gutachtern persönlich aufgesucht.Die klein- und mittelständischen Firmen haben mit 5 405 Arbeitsplätzen seit 1994 die meisten neuen Jobs in Brandenburg geschaffen.fh

FRANK HOFMANN

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