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Brandenburg: 6720 Belichtungen und müde Augen

Junge französische und deutsche Fotografen haben in Berlin und Brandenburg „Identität“ geknipst

Genshagen. In den grauen Polsterwolken im Kaminzimmer schlafen übernächtigt junge französische und deutsche Fotografieschüler. Es ist Nachmittag im Schloss Genshagen, vierzig Autominuten südlich von Berlin. Der Fotoworkshop zum Thema „Berlin-Brandenburg: Identität gestern und heute“ hat einigen die letzte Kraft geraubt.

Finanziert wurde das Projekt unter anderem vom Berlin-Brandenburgischen Institut für deutsch-französische Zusammenarbeit in Europa in Genshagen, genannt BBI, dessen Geschäftsführer Dieter Rehwinkel als Ideal des Hauses das Motto „Durch den Anderen sehen“ nennt. Und wörtlicher, als mit Fotografen, kann man das kaum umsetzen.

Vierzehn Fotoschüler, jeweils in deutsch-französichen Zweierteams, zogen also aus, um zu fotografieren: zwölf Tage Workshop, zwanzig Filme für jeden, rund 6720 Belichtungen insgesamt. Der fremde und der eigene Blick sollten so aufeinander prallen. Und so liefen sie, binational und mit doppeltem Blick, durch die Gegend, auf der Suche nach einem Stückchen Identität – oder dem, was man davon auf ein Foto bannen kann. Sie waren in Berlin, in Sachsenhausen, auf dem Berliner S-Bahn-Ring und in der Gegend um Rüdersdorf. Sie waren auf Märkten, an Tankstellen und im Tagebau unterwegs. Sie fotografierten am 3. Oktober am Brandenburger Tor in Berlin und auf den Brandenburger Feldern. Sie wendeten ausdauernd ihre Filmentwicklerdosen. Sie legten ihre Ergebnisse den Fotografen Maurice Weiss und Arno Fischer vor. Sie schliefen kaum und überall, im Hotel, auf Gästebetten und Isomatten, in Autos, die nicht ihnen gehörten. Das ging so lange, bis sie alle nicht mehr konnten. Trotzdem, die Gespanne mit den ungleichen Pferden kamen voran.

Für die sieben Franzosen, die von einer Berufsschule für Fotografie in einem Pariser Vorort kommen, war kaum zu fassen, was hier geschah: „Zuhause bekommen wir Technik gezeigt. Dazu gibt es dann Hausaufgaben. Eigene fotografische Projekte interessieren die Lehrer dort nicht“, sagt Yannick Cormier. Die Schüler der deutschen Partnerschule „Fotografie am Schiffbauerdamm“ allerdings hatten sich die Frage nach dem „warum“ eines Fotos, einer visuellen Sprache, häufig gestellt. „Wir haben nächtelang diskutiert und nach fünf Stunden gab es immer noch etwas zu sagen“, staunt Gaelle Cressent. „Bisher habe ich mich an der Schule nicht tot gemacht“, gibt sie zu. Das solle jetzt anders werden, mit der neuen Lust auf eigene fotografische Projekte.

Im Schloss waren die in den zwölf Tagen entstandenen Fotos nur kurz zu sehen, sie werden derzeit in Frankreich gezeigt, kommen aber im Dezember nach Berlin. Während der ersten Präsentation in Genshagen war auch Brigitte Sauzay zugegen. Die Kanzlerberaterin für deutsch-französische Beziehungen und Mitbegründerin des Instituts zeigte sich restlos begeistert von dem Foto-Projekt, bei dem es zwar um fremde Identitäten ging – viele aber auch ihre eigene gefunden haben.

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