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Brandenburg: Abwasser-Entsorgung: Briesensee dreht weiter am Hahn

Die Bagger graben sich weiter durch Briesensee. Bald sind die Kanalisationsrohre in den Straßen fertig verlegt.

Die Bagger graben sich weiter durch Briesensee. Bald sind die Kanalisationsrohre in den Straßen fertig verlegt. Doch haben nur wenige Bürger Abwasseranschlüsse zu ihren Höfen legen lassen. Immer noch zeugen Transparente an Zäunen und Bäumen vom Widerstand des 245-Seelen-Dorfes nahe des Spreewaldes: "Abwasser stinkt - Gebühren noch mehr".

Im August kam die kleine Gemeinde mit ihrer ungewöhnlichen Revolte gegen einen Anschluss an die zentrale, 20 Millionen Mark teure, Kläranlage im zehn Kilometer entfernten Straupitz in die Schlagzeilen. Die ehrenamtliche Bürgermeisterin Doris Goger (parteilos) hatte keine andere Möglichkeit zur Gegenwehr gesehen und war mit sieben Mitstreitern für insgesamt 29 Tage in den Hungerstreik getreten.

Die Argumente der 48-Jährigen waren nur auf taube Ohren gestoßen: Zwar haben 1997 noch alle elf Gemeinden im Amt Oberspreewald beschlossen, ihre Abwässer gemeinsam zu entsorgen. Noch vor den 98-er Kommunalwahlen nahm die alte Gemeindevertretung die einmal auf das Amt Oberspreewald übertragene Abwasserentsorgungspflicht zurück. Das Amt könne gar nicht für Briesensee mitbeschließen, weil es schließlich nicht rechtmäßig, sondern nur auf Druck vom damaligen Innenminister Alwin Ziel entstanden sei. Obwohl die Mindesteinwohnerzahl von 5000, die zur Bildung einer solchen Verwaltung nötig ist, nicht erreicht worden sei, so die Briesenseer Bürgermeisterin.

Inhaltlich gewichtiger als solcher Bürokratismus sind ökologische und ökonomische Aspekte der Abwasserproblematik: Bereits 1999 sah ein Konzept des Gemeinderates abwasserfreie Grundstücke mit eigenen "kleineren Wasserwirtschaftskreisläufen" in biomechanisch wirkenden Teichen vor. Seitdem haben sich in einigen Briesenseer Gärten Frösche, seltene Vogelarten und üppiger Pflanzenwuchs immer reicher angesiedelt. Durch die "Bio-Teiche" werde dem sonst trockenen Landstrich nicht noch zusätzlich Wasser über die Kanalisation entzogen. Groger und ihre Mitstreiter berufen sich auf eine Richtlinie der europäischen Union, in der nahe gelegt wird, dass in Gemeinden mit weniger als 2000 Einwohnern auf zentrale Abwasserentsorgung verzichtet werden kann, wenn es sinnvolle Alternativen gibt. Wasserwirtschafts-Professor Helmut Löffler von der Technischen Universität Dresden hat auch für die Gemeinde Briesensee ein Gutachten angestellt: Die dezentrale Lösung, wie sie zum Teil schon vorhanden ist, sei bei Investitionen wie beim Betrieb billiger. Löffler hält es für "unverantwortlich", der Streusandbüchse Brandenburg zusätzlich Wasser zu entziehen. Der Experte hat bereits erfolgreich dabei geholfen, Orte in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen "kanalfrei" zu machen. Auch im Süden Brandenburgs, im 170-Seelen-Ort Kauxdorf, wird der gleiche Weg beschritten, die Hälfte aller Grundstücke werden schon dezentral entsorgt, sagt Löffler.

Rückendeckung bekommen die Gegner des Zwangsanschlusses auch vom Umwelt- und Agrarministerium in Potsdam (MLUR). So schreibt Minister Wolfgang Birthler (SPD) beispielsweise: "Für Briesensee wäre nach Ansicht des MLUR im Grundsatz auch eine dezentrale Entsorgung möglich ... . Sollte Briesensee aus dem zentralen Konzept entlassen werden, würde das MLUR eine Förderung dezentraler Entsorgungssysteme in Briesensee prüfen." Fördergeld in großem Umfang wäre vielleicht gar nicht nötig.

Die Crux für Doris Groger und die Anschlussgegner liegt derzeit darin, dass es für die Gemeinde sehr schwer wird, aus dem Quasi-Vertragsverhältnis zur zentralen Entsorgung mit dem Amt von 1997 herauszukommen. Die streitbare Bürgermeisterin berichtet von einem internen Gespräch mit Vertretern des Umwelt und Innenministeriums, des Landrates Martin Wille und dem Vorsitzenden des Amtsausschusses, André Koinzer. Dieser habe ihr gegenüber geäußert: "Briesensee wird nicht aus dem zentralen Projekt entlassen, damit kein Signal für andere Gemeinden davon ausgeht." Dieses gab es längst. Die Nachbargemeinde Wußwerk hat sich dem Protest angeschlossen. Auch in Alt Zauche hat sich die Bürgermehrheit gegen die zentrale Kanalisation bei einer Umfrage ausgesprochen.

Seitens des Amtes scheint man keinerlei Verständnis für die rebellischen Briesenseer. So schrieb bereits im Juli Ex-Agrarminister und SPD-Alleingänge aufzubringen. Doris Groger erzählt, dass man ihr Akteneinsicht nur im Beisein eines Beamten gewährt habe. An diesem Donnerstag sollen nun die Gemeindevertreter über einen Antrag befinden, mit dem die Amtsverwaltung aufgefordert wird, dem Gremium alle Akten lückenlos für zwei Wochen zur Ansicht zu überlassen. Prominenten Beistand haben die rebellischen Briesenseer. So schrieb bereits im Juli Ex-Agrarminister und SPD-Landtagsabgeordneter Edwin Zimmermann an Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD): "Als Abgeordneter des Brandenburgischen Landtages und als Wahlkreisabgeordneter kann ich mich nicht damit abfinden, wenn Bürger sich so verletzt und übergangen fühlen und ihren Protest nur noch mit drastischen Mitteln (Hungerstreik) zum Ausdruck bringen. Ich bitte Sie, zu prüfen, ob es eine politische Lösung gibt, bevor sich das Amt und die Gemeinde in den Ruin klagen." Die parteilose Bürgermeisterin Doris Groger will auf alle Fälle weiter für ihre Ziele kämpfen.

Dorothea Flechsig

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