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Brandenburg: Abwassergebühren: Land prüft Gesetzesänderung

Nach Urteil müssen Hausbesitzer mit Kosten von mehreren tausend Euro rechnen. Anschlusszwang wird polizeilich durchgesetzt

Potsdam - Das hat es im Land Brandenburg noch nicht gegeben: Mithilfe der Polizei soll eine Familie aus dem Ort Rauen südlich von Berlin zwangsweise an die zentrale Kanalisation angeschlossen werden, obwohl sie auf dem Grundstück eine moderne biologische Kleinkläranlage betreibt. Das hat das Verwaltungsgericht Frankfurt(Oder) jetzt entschieden – und die Polizei zur „Amtshilfe“ verpflichtet. „Wir müssen dem Gerichtsbeschluss Folge leisten“, sagte Dorothée Stacke, die Sprecherin des Innenministeriums, gestern auf Anfrage.

Eigentlich hatte die Polizei – auch gebremst durch das um Deeskalation bemühte Innenministerium – in der bizarren Auseinandersetzung nicht tätig werden wollen, die längst zum Politikum geworden ist. Die Familie aus Rauen verweigert seit Jahren den Anschluss ihres Grundstücks, auf dem die Abwässer ökologisch sauber geklärt werden, an die zentrale Kanalisation. Dass der Zweckverband Fürstenwalde dies mit allen Mitteln durchsetzen will, ist mittlerweile bis in den Landtag hinein umstritten. So hatte Oppositionsführerin Kerstin Kaiser (Linke) noch am Wochenende in einem offenen Brief an Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) appelliert, einen Polizeieinsatz gegen die Rauener Familie zu verhindern.

Der Zweckverband Fürstenwalde, der sich auf den allgemeinen Anschlusszwang beruft, bekam jedoch von mehreren Gerichten recht. Er steht aber nicht nur wegen des rigiden Vorgehens gegen die Rauener Familie in der Kritik. So hatte die Linke im Postdamer Landtag kürzlich aufgedeckt, dass die vom Verband betriebene zentrale Kläranlage, die eigentlich nur für 48 000 Einwohner ausgelegt ist, aber mittlerweile die Abwässer von 58 000 Haushalten klärt und anschließend auf Feldern nahe einem Naturschutzgebiet verrieselt, selbst nur auf Grundlage einer vorläufigen Ausnahmeerlaubnis arbeiten darf.

Zudem ist es just dieser Zweckverband, der wie berichtet ein Urteil des Oberverwaltungsgerichtes Berlin-Brandenburg (OVG) erstritten hat, wonach Besitzer von bereits zu DDR-Zeiten an die Kanalisation angeschlossenen Grundstücken auch jetzt noch an den Kosten für Großkläranlagen beteiligt werden können, die erst nach der Wende errichtet wurden. Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) ließ sich gestern im Kabinett über die Problematik und mögliche Auswege berichten, da die Unruhe bei Betroffenen insbesondere in ländlichen Regionen wächst.

Denn wenn das OVG-Urteil umgesetzt wird, könnten je nach Größe des Grundstückes einmalige Beiträge zwischen 1000 und 4000 Euro auf Hauseigentümer in Brandenburg zukommen. Dies schätzt Rainer Kühne, Entsorgungsexperte bei der Berliner Rechtsanwaltskanzlei Gaßner, Groth und Siederer, die zwanzig Gemeinden und Zweckverbände in Brandenburg vertritt.

Um dies zu verhindern, wird Kühne zufolge in Potsdam über eine Änderung des Kommunal-Abgabegesetzes nachgedacht. So könnte das Urteil des OVG umgangen werden. Denn in der Gesetzesnovelle würden die bereits zu DDR-Zeiten an das Abwassernetz angeschlossenen Hauseigentümer ausdrücklich von einem Beitrag für die späteren Investitionskosten ausgenommen. „Es bleibt aber die Frage, ob eine solche Regelung verfassungsgemäß wäre“, sagt Kühne. Es wäre vermutlich schwer mit dem Artikel 3 des Grundgesetzes – dem Gleichbehandlungsgrundsatz – zu vereinbaren, meint Kühne, wenn die einen für die Investitionen ins Netz zahlen müssten – die anderen dagegen nicht.

Bei den umstrittenen Kosten geht es ja ausschließlich um Geld, das nach der Wende in die Anlagen investiert wurde – wovon heute alle profitieren.

Alternativ wird bereits über eine Art Nothilfefonds des Landes nachgedacht, um Unterstützung in Härtefällen geben zu können.

Möglich wäre schließlich auch die Erstattung der Abwasserbeiträge an diejenigen, die erst nach 1990 an das Abwassernetz angeschlossen wurden. Dazu müssten die Gemeinden oder die Zweckverbände allerdings Kredite aufnehmen und die Gebühren aller Anlieger erhöhen, um davon die Zinsen zahlen zu können. „In der Praxis dürfte dies jedoch kaum eine Gesellschaft wirtschaftlich stemmen können“, sagt Kühne.

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