zum Hauptinhalt

Brandenburg: Alle zusammen, jeder für sich

Gemeinsam gegen Zwangsfusionen: Bis zu 250 Gemeinden wollen klagen – der Termin für die Kommunalwahlen gerät in Gefahr

Potsdam. Droht der großen Koalition eine schwere Niederlage vor dem Landesverfassungsgericht? Der Kommunalrechtler Götz Meder von der Fachhochschule Wildau ist davon überzeugt. Nach seinen Angaben werden noch in diesem Frühjahr 220 bis 250 Gemeinden gegen die Anfang März vom Landtag beschlossenen Zwangsfusionen Verfassungsbeschwerde einlegen – „mit besten Erfolgsaussichten“. Denn Landesregierung und Landtag hätten bei dem im Eiltempo beschlossenen Verfahren zur Zwangsfusion von rund 300 Gemeinden „zwei Hand voll K.-o.-Fehler gemacht, die ihnen auf die Füße fallen werden“.

Die kommende Klagewelle wird nach Meders Angaben auch die Kommunalwahl betreffen, die laut Anordnung des Innenministeriums vom Montag am 26. Oktober stattfinden soll. Meder geht davon aus, dass die klagenden Gemeinden „nicht in den neuen, größeren Formationen wählen werden“. Durch die umstrittene Gemeindegebietsreform von Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) soll sich die Zahl der Städte und Gemeinden in Brandenburg von 1475 bei der letzten Kommunalwahl auf nur noch 422 bei der kommenden verringern.

Die große Mehrzahl der Zusammenschlüsse ist bereits freiwillig erfolgt. Das Problem sind rund 300 traditionsbewusste Kleingemeinden, die ihre Selbständigkeit nicht aufgeben wollen. Meder hat sich intensiv mit dem Verfahren zu den Zwangsfusionen befasst und „schwer wiegende formale und Bewertungsfehler“ festgestellt: Sie bezögen sich auf die Anhörung der Bevölkerung und der Gemeinden, die nicht in der Regie der Landräte hätte erfolgen dürfen. Auch bei der Begründung der Zwangsfusionen seien gravierende Fehler gemacht worden, so dass der vom Gesetzgeber vorgetragene Sachverhalt „teilweise falsch ist“. Schließlich habe niemand die rund 6000 Blatt Kanzleipapier „in der Kürze der Zeit zur Kenntnis nehmen, geschweige denn abwägen können“. Meder sprach von einem Abwägungsdefizit. Im zuständigen Landtags-Ausschuss hätten für jede Gemeinde nur 2,7 Minuten zur Verfügung gestanden.

„Vorzügliche Chancen“ räumt der Kommunalrechtler der Klage der Gemeinde Golm ein, die gegen ihren Willen dem größeren Potsdam und nicht dem kleinen Werder zugeschlagen wurde. Hier seien neben formalen Fehlern auch gravierende Wertungsfehler gemacht worden. Das treffe auch bei den Gemeinden Galinchen, Groß-Gaglow und Kiekebusch zu, die Cottbus einverleibt wurden. Das Verfassungsgericht könne über die Fehler nicht hinwegsehen, so Meder.

Die Gemeinden werden nach seinen Angaben zweigleisig vorgehen: Sie würden wegen der Verfahrens- und Wertungsfehler auf Aufhebung der Gesetze zu den Zwangsfusionen klagen, zugleich per einstweiliger Anordnung versuchen, die Kommunalwahl auszusetzen.

Die Kommunalwahlen in Gänze sieht Meder jedoch nicht gefährdet. Mit den ersten Klagen ist nach seinen Angaben in Kürze zu rechnen. Das Gesetz über die Zwangsfusionen ist erst letzte Woche (27. März) verkündet worden. Am Wochenende hatten sich Vertreter von mehr als 100 betroffenen Gemeinden getroffen, um sich abzustimmen. Im Innenministerium sieht man den Klagen, „sehr gelassen entgegen“, sagte Sprecher Heiko Homburg.

Michael Mara

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false