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Brandenburg: Alte Pläne fürs Verfahren zum Flughafen-Bau?

POTSDAM/BERLIN . Um das Planfeststellungsverfahren für den neuen Großflughafen in Schönefeld fristgemäß bis Ende des Jahres eröffnen zu können, um noch in den Genuß des Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes zu kommen, drückt der Essener Baukonzern Hochtief, aufs Tempo.

POTSDAM/BERLIN . Um das Planfeststellungsverfahren für den neuen Großflughafen in Schönefeld fristgemäß bis Ende des Jahres eröffnen zu können, um noch in den Genuß des Verkehrswegebeschleunigungsgesetzes zu kommen, drückt der Essener Baukonzern Hochtief, aufs Tempo. Man setze alles daran, das von der Projektplanungs-Gesellschaft Schönfeld (PPS) erstellte Konzept in technisch überarbeiteter Fassung bis September vorlegen zu können, erklärte Hochtief-Sprecherin Reuter auf Anfrage. Sollten neue Schwierigkeiten auftreten, könnte Hochtief, das im Privatisierungsverfahren den Zuschlag erhalten hatte und damit auch für den Bau und Betrieb des geplanten Großflughafens federführend verantwortlich zeichnet, theoretisch aus Zeitgründen auf das von der PPS erarbeitete Konzept zurückgreifen und die nötigen technischen Veränderungen erst nachträglich einarbeiten.Die Hochtief-Änderungswünsche am Ursprungskonzept bearbeitet derzeit das Ingenieurbüro WIB mit seinem Geschäftsführer Herbert Märtin. Er hat auch im Auftrag der Berliner Flughafen Holding mit der Schweizer Investmentbank Credit Suisse First Boston die Flughafen-Alteigentümer - Berlin, Brandenburg und den Bund - im Rahmen der Flughafenprivatisierung beraten. Entgegen anderslautenden Vertragsvereinbarungen soll WIB vorzeitig auch für das Bewerberkonsortium unter Federführung von Hochtief gearbeitet haben. Nach Angaben von Hochtief-Sprecherin Stefanie Reuter trifft das so nicht zu. Es habe sich lediglich um informelle Gespräche im Zusammenhang mit der Teilprivatisierung des Düsseldorfer Flughafens gehandelt. Einen Vertrag, so Reuter, habe es zu keinem Zeitpunkt gegeben.Der Umstand, daß WIB aber auch im Rahmen der Teilprivatisierung der Berliner Wasserbetriebe für die Hochtief-Mutter RWE aktiv wurde, die dann den Zuschlag erhielt, hat zu diversen Spekulationen geführt, daß man sich in Essen gegenüber der WIB quasi für den Flughafen-Auftrag erkenntlich zeigen wollte. Als Art Vorsichtsmaßnahme könnte man auch werten, daß Hochtief jetzt offenbar zumindest intern prüfen läßt, unter welchen Voraussetzungen die von der WIB zur Zeit erarbeiteten technischen Variationen im Zweifel auch später in die Planfeststellungs-Unterlagen eingebracht werden können.Die Staatsanwaltschaft ermittelt nach Angaben ihrer Sprecherin Michaela Blume ausschließlich gegen die WIB mit ihrem Geschäftsführer Herbert Märtin. Mit den Kontakten zu WIB hat sich aber auch Hochtief in die Bredouille manövriert. Gegen die Entscheidung, Hochtief zum Alleineigentümer der Flughafen Holding und damit auch zum Bauherrn des neuen Flughafens zu machen, läuft derzeit eine Klage des unterlegenen IVG-Konsortiums. In der ersten Runde wurde der Einspruch zurückgewiesen. Wie die Richter das Verhältnis zwischen Hochtief und der WIB in letzter Instanz bewerten, ist offen.WIB und Märtin sind nicht zum ersten Mal umstritten. Das Unternehmen hätte bereits 1995/96 bei den vorbereitenden Plänen zum Bau des neuen Flughafens die sogenannte Projektsteuerung übernehmen sollen. Dies war unter den Beteiligten ausgekungelt worden. Erst nach heftiger öffentlicher Kritik erhielt am Ende die Dornier System Consult aus Friedrichshafen den lukrativen Auftrag. WIB bekam nur Unteraufträge, beanspruchte postwendend aber auch dort zunächst wieder die Federführung.Märtin war auch vor drei Jahren schon doppelt im Rennen. Er fungierte auch als Berater der Flughafengesellschaft und kassierte dafür über eine dreiviertel Million Mark. WIB hatte damals mehrere Aufträge der Flughafengesellschaft ohne Ausschreibung erhalten, was zulässig war. Erst nachdem diese Verquickung bekanntgeworden war, wurden die Folgeaufträge ausgeschrieben.Märtin arbeitete bis 1989 in der Senatswissenschaftsverwaltung. Seinen Vertrag mußte er auf Druck der Verwaltung damals auflösen. Ihm war vorgeworfen worden, als Leiter der Forschungsabteilung Aufträge auch an Firmen vergeben zu haben, an denen er selbst beteiligt war oder die ihm wieder einen Teil des Honorars zurückzahlten. Die Gutachten seien dabei teilweise aus Lehrbüchern abgeschrieben worden. Ein Strafverfahren wurde damals eingestellt. Für Linde steht viel auf dem Spiel Fragen nach der Rolle des Staatskanzlei-Chefsbei den Planungen für den Großflughafen VON MICHAEL MARA, POTSDAM Staatskanzlei-Chef Jürgen Linde ist sicher: Der Landtag werde Mittwoch trotz der Betrugsvorwürfe die Flughafenprivatisierung billigen und dem Nachtragshaushalt zustimmen. In der SPD-Mehrheitsfraktion war man sich gestern nicht ganz so sicher. Alles sei offen, ein endgültiges Urteil werde sich die Fraktion erst auf ihrer heutigen Sitzung bilden. Doch kann man wohl davon ausgehen, daß der Minister eine Mehrheit in der Fraktion überzeugen wird, auch wenn Abgeordnete dem als arrogant geltenden 64jährigen gern einen Denkzettel verpassen würden. Linde ist für viele SPD-Abgeordnete der typische "Besser-Wisser-Wessi". Doch das Todschlagsargument dürfte seine Wirkung kaum verfehlen: Brandenburg brauche den Großflughafen aus wirtschaftlichen Gründen und könne ihn nicht aufs Spiel setzen.Allerdings flüstern Genossen, es gehe dem 1990 als "Aufbauhelfer" nach Potsdam gekommenen Ex-Gelsenkirchener Oberstadtdirektor und Bundestagsabgeordneten nicht allein um Landesinteressen. Auch für ihn persönlich hänge einiges vom Bau des Großflughafens ab. Der als überaus ehrgeizig geltende Minister hat bereits einmal mit einem Großprojekt Schiffbruch erlitten: der Länderfusion, deren Vorbereitung auf Brandenburger Seite in seiner Hand lag. Um diese Scharte auszuwetzen, kämpfe Linde "verbissen und trickreich" um das neue Großprojekt, heißt es in SPD-Kreisen. Hohe Regierungsbeamte setzen noch eins drauf: Linde brauche auch einen Erfolg, weil er als Staatskanzlei-Chef nicht überzeuge: Er habe Büroleiter und Sekretärinnen verschlissen und das Klima sei schlecht, was den Personalrat auf den Plan gerufen habe. "Menschlich macht es keine Freude, mit Linde zusammenzuarbeiten", urteilt ein hoher Beamter.Auch in den Ministerien fällt über Lindes Kanzlei manch kritisches Wort, vor allem, was die Koordinierung angeht. Der Minister habe zwar ständig an der Struktur herumgeflickt, aber sie nur "verschlimmbessert". Keinen Schritt weiter ist Linde mit der seit 1994/95 diskutierten Kabinettsreform gekommen. Im Grunde genommen, so ein Kabinettskollege, kümmere er sich ernsthaft nur noch um zwei Dinge: Tourismus und Großflughafen. Angeblich soll Stolpe erwägen, Linde nach der Landtagswahl abzulösen. Namen von Nachfolgern werden seit Wochen gehandelt, als chancenreich gilt Umwelt-Staatsekretär Rainer Speer. Auch kursiert seit Wochen das Gerücht, daß der RWE-Konzern Linde einen hochkarätigen Job angeboten habe. Das wäre nicht brisant, hätte die RWE-Tochter Hochtief nicht den Zuschlag für den Bau des Großflughafens bekommen und hätte Linde nicht die Aufsicht über die Flughafen-Planungen. Dem Minister wird auch ein besonders gutes Verhältnis zum Chef der WIB-Ingenieurgesellschaft, Herbert Märtin, nachgesagt, gegen den jetzt die Staatsanwaltschaft wegen Betrugverdachts bei den Flughafen-Planungen ermittelt. Linde wies das alles von sich, räumte aber gegenüber dem Tagesspiegel ein, ein RWE-Angebot erhalten zu haben, wenn auch nicht von ganz oben. Doch habe er es sofort abgelehnt. Trotzdem wird ind er SPD gefragt, " ob Linde mit drinstrecken könnte". Ministerpräsident Manfred Stolpe sagt, er habe Linde gefragt. Der habe versichert, daß er sich nichts vorzuwerfen habe.

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