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Brandenburg: Altlandsberg: Zorniges Gedenken

Es sollte ein stilles Gedenken an die Opfer des schweren Schulbusunglückes von Altlandsberg vor einem Jahr werden. Doch nach den Schweigeminuten an der Unfallstelle an der Straße nach Wegendorf griff der Sprecher der Elterninitiative, Diethard Wieser, vor den versammelten Angehörigen der vier toten Kinder, Schülern, Lehrern, Eltern und Politikern mit harten Worten die Landesregierung und die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) an.

Es sollte ein stilles Gedenken an die Opfer des schweren Schulbusunglückes von Altlandsberg vor einem Jahr werden. Doch nach den Schweigeminuten an der Unfallstelle an der Straße nach Wegendorf griff der Sprecher der Elterninitiative, Diethard Wieser, vor den versammelten Angehörigen der vier toten Kinder, Schülern, Lehrern, Eltern und Politikern mit harten Worten die Landesregierung und die Staatsanwaltschaft Frankfurt (Oder) an. Es sei einfach nicht hinzunehmen, dass 365 Tage nach dem Unglück die Ursache noch immer nicht geklärt sei, sagte Wieser. Erst präsentiere die Staatsanwaltschaft schon nach vier Wochen einen so genannten Abschlussbericht, in dem einem 12-jährigen Jungen die alleinige Schuld zugewiesen werde. Dann nehme der Staatsanwalt nur nach Protesten der Eltern und deren Anwälten seine Ermittlungen wieder auf und könne sie noch immer nicht abschließen.

"Ich habe Beweise für die Unschuld des ins Visier geratenen Schülers", sagte Wieser, der als Polizeibeamter in Berlin arbeitet. Beim Unglück wurde dessen 12-jähriger Sohn etwa 30 Meter weit aus dem Bus geschleudert und schwer verletzt. Dreieinhalb Monate lag er im Krankenhaus. "Eine weitere Behandlung in einer Reha-Klinik steht mir bevor", sagte Steffen, der vor einem Jahr seinen Freund verlor. So wie er schämten sich gestern viele Kinder und Erwachsene ihrer Tränen nicht. "Warum musste das passieren?", fragte der sichtlich berührte Sohn.

Bisher geht die Staatsanwaltschaft davon aus, dass ein hinter dem Fahrer sitzender Junge möglicherweise versehentlich einen Feststellhebel am Sitz des Busfahrers ausgelöst hat. Dadurch habe der bei dem Unfall ebenfalls getötete Mann die Gewalt über das Fahrzeug verloren und sei gegen den Baum geprallt. Allerdings gibt es Zweifel, ob dieser Junge tatsächlich hinter dem Fahrer gesessen hat. Eine DNA-Analyse von Blut und Haaren an der Trennscheibe zum Fahrbereich und am Fahrkartenentwerter sollen Klarheit bringen. Der Antwalt des beschuldigten Jugen, der Berliner Anwalt Christian Paschen, erklärte zu der geplanten Untersuchung: "Die DNA-Analyse hätte man schon im Januar machen können." Keines der vernommenen Kinder habe zudem in den Vernehmungen behauptet, dass das fragliche Kind hinter dem Fahrer gesessen habe. Der beschuldigte 12-Jährige fehlte gestern beim stillen Gedenken. "Zu seinem Schutz", so hieß es von Lehrern, sei er aus dem Blickfeld der Medien genommen worden.

Sprecher Diethard Wieser stützt seine Version über den Hergang auf die Beschädigung eines Baumes, rund 45 Meter vor der Unfallstelle. "Dort muss der Bus im hinteren Teil dagegengefahren sein, so dass er ins Schleudern geriet", sagt er. Die Staatsanwaltschaft schließt diese Variante nach einem Gutachten eines Gartenbauspezialisten aus. Danach stammen die Spuren am Baum nicht vom November 1999, da diese Schleifspuren in 3 Meter 18 Höhe zu finden sind; der Bus war laut KFZ-Schein aber nur 2 Meter 99 hoch. Wieser aber zweifelt das Gutachten des Gartenfachmanns an. "Es gibt Lackreste an jenem bewussten Baum", meint er. Doch niemand könne sie verwerten, da der Bus auf Geheiß der Staatsanwaltschaft verschrottet worden sei. Anwalt Paschen glaubt, dass der Bus beim Überfahren des Baumstumpfes während der Havarie in die Höhe gehoben wurde.

Enttäuscht äußerten sich viele Altlandsberger gestern über die Haltung der Landesregierung. Kaum eines der zahlreichen Versprechen sei erfüllt worden. "Unsere Forderung, dass jeder Schüler im Bus einen Sitzplatz erhält, ist leider noch nicht erfüllt worden", kritisierte Bürgermeister Ravindra Gujjula. Deutlicher wurde Elternsprecher Wieser. Die groß angekündigten Schulbusbegleiter könnten ihre Aufgaben in überfüllten Fahrzeugen gar nicht erfüllen. Bei einer Gefahrenbremsung würden die kleinen Körper ungesichert durch den Bus stürzen. Ebenso sei die Installation von Videokameras aus seiner Sicht ungeeignet.

Bildungsminister Steffen Reiche (SPD) verwies dagegen auf zahlreiche Runde Tische zur Verkehrssicherheit. Er zeigte sich ziemlich überrascht von den Vorwürfen. "Mir wurde gesagt, dass hier nur ein stilles Gedenken stattfindet", meinte er zur Entschuldigung für sein kurzes Auftreten.

Für wenige Minuten wurde gestern eine weitere Forderung der betroffenen Eltern erfüllt. Der Verkehr auf der Landstraße von und nach Altlandsberg durfte aus Rücksicht auf die Trauerfeier tatsächlich nicht schneller als 50 Kilometer pro Stunde statt der sonst erlaubten 80 fahren. In der Nähe der Unfallstelle des Busses prallte im Sommer eine Autofahrerin gegen einen Baum. Auch für sie kam jede Rettung zu spät.

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